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# taz.de -- Entwicklungsforscher über Wirksamkeit: „Die Debatte ist teils po…
> Dass in Deutschland über Entwicklungspolitik diskutiert wird, findet
> Experte Jörg Faust positiv, wenn die Debatte fundiert ist. Wie evaluiert
> man?
Bild: Solarpanele in Ahmedabad, im indischen Bundestaat Gujarat. Auch Deutschla…
taz: Herr Faust, Ihr Beruf ist es, deutsche Entwicklungspolitik fortlaufend
zu evaluieren. Ist es das am besten untersuchte Feld der deutschen Politik?
Jörg Faust: Die Entwicklungszusammenarbeit gehört seit Langem zu den am
systematischsten und gründlichsten evaluierten Politikfeldern. Das hat
natürlich auch damit zu tun, dass hierbei Steuergelder im Ausland
verausgabt werden und dies oftmals unter schwierigen Bedingungen.
Wie nehmen Sie die öffentliche Debatte darüber wahr, ob Entwicklungspolitik
sinnvoll ist?
Es ist gut und richtig, dass in der Öffentlichkeit über die angemessene und
wirksame Verwendung von Steuergeldern diskutiert wird. Allerdings nimmt die
Debatte teils populistische Züge an, weil Einzelprojekte oft unvollständig
dargestellt werden und dann von diesen auf die gesamte Wirksamkeit und
Sinnhaftigkeit von Entwicklungszusammenarbeit geschlossen wird.
Meinen Sie die von der AfD lancierte [1][Kritik an Radwegen in Peru], die
mit deutschen Krediten und Zuschüssen finanziert wurden?
Das ist sicherlich ein besonders prominentes Beispiel hierfür.
Wie messen Sie die Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit?
An unserem Institut evaluieren wir die deutschen
Entwicklungszusammenarbeit nach verschiedenen Kriterien: wir untersuchen
nicht nur, wie wirksam sie ist, sondern auch, wie relevant, nachhaltig und
wirtschaftlich. Unsere Themenpalette ist breit: Sie reicht von
thematischen Evaluierungen wie Klimaanpassung oder Menschenrechten bis zu
Evaluierungen nach Ländern, etwa zu Afghanistan oder Irak. Wir untersuchen
Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit, wie etwa Budgethilfe an Länder.
Wir prüfen aber auch Projektevaluierungen der Durchführungsorganisation auf
ihre Qualität hin.
Wie genau evaluieren Sie beispielsweise die Entwicklungspolitik in
Afghanistan?
Das zivile Engagement der Bundesregierung in Afghanistan wurde
ressortübergreifend untersucht. Die Maßnahmen des Auswärtigen Amtes, des
Innen- und des Entwicklungsministeriums standen dabei im Fokus. Wir haben
festgestellt, dass Maßnahmen zur unmittelbaren Verbesserung der
Lebenssituation der lokalen Bevölkerung vielfach Wirkung zeigten.
Langfristige und strukturelle Ziele – etwa einen demokratischen Staat
aufzubauen – konnte die Bundesregierung und auch die internationale
Gebergemeinschaft nicht erreichen.
Afghanistan [2][zeigt die Herausforderungen] von Entwicklungszusammenarbeit
…
Sie ist nicht frei von Fehlern und es gibt natürlich auch Maßnahmen, die
ihre Ziele nicht erreichen. Besonders herausfordernd ist
Entwicklungszusammenarbeit in hochfragilen Staaten wie Afghanistan, Mali
oder Irak, wo vielfach die notwendigen Strukturen fehlen, um anhaltende
Wirkungen zu erzielen. Gleichzeitig herrscht in solchen Ländern, die von
Konflikt geprägt sind, oft große Armut, sie sind sicherheitspolitisch
relevant, und von ihnen gehen große Fluchtbewegungen aus. Ein Ausstieg aus
der Entwicklungszusammenarbeit wäre also nicht im Sinne deutscher und
europäischer Interessen.
Wo gibt es Erfolge?
International vergleichende Studien zeigen, dass gemeinsame
Entwicklungszusammenarbeit in vielen Feldern durchaus positive Effekte
zeitigt: etwa bei der Primärschulbildung, der Förderung von Demokratie oder
im Gesundheitsbereich. Entwicklungszusammenarbeit hat darüber hinaus auch
einen positiven Effekt auf die Exporte Deutschlands in Partnerländer.
Ist die Außenwirtschaftsförderung ein Nebeneffekt oder gehen ökonomische
Eigeninteressen zulasten der klassischen Ziele, etwa der Armutsreduzierung?
Internationale Studien belegen, dass die Vergabe von
Entwicklungszusammenarbeit zu einer Zunahme der Exporte des Geberlandes in
das Nehmerland führt. Das gilt nicht nur für Maßnahmen, die explizit auch
eine außenwirtschaftliche Zielsetzung haben. Aber die übergeordneten Ziele
der Entwicklungszusammenarbeit sollten nicht aus dem Blick geraten: Also
Armut zu bekämpfen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie eine
ökologisch nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Passiert das auch so?
Unser Institut hat untersucht, wie deutsche staatliche
Entwicklungszusammenarbeit im Zeitraum 2000 bis 2020 vergeben wurde. Danach
bekamen ärmere mehr als reichere Länder und demokratischere Staaten wurden
gegenüber autokratischeren bevorzugt. Zugleich erhielten Länder, die für
Deutschland außenwirtschaftlich bedeutsam sind, ebenfalls mehr Mittel.
Außerdem ließ sich ein Trend erkennen: Entwicklungsländer, die Deutschland
geografisch näher liegen, erhielten auch mehr Mittel. Das ist ein Indiz
dafür, dass geopolitische Überlegungen bei der Vergabe an Bedeutung
gewonnen haben.
Stehen wirtschaftliche und entwicklungspolitische Ziele nicht im
Widerspruch zueinander – etwa auf der einen Seite die Märkte zu
liberalisieren für deutsche Exporte und auf der anderen Seite die Armut zu
reduzieren?
Die Außenwirtschaft zu fördern und Armut zu bekämpfen können in einem
Spannungsverhältnis stehen. Es gibt aber auch Möglichkeiten,
Außenwirtschaftspolitik mit Entwicklungspolitik gut zu kombinieren. Dies
kann etwa dadurch geschehen, dass deutsche Direktinvestitionen in ärmeren
Ländern staatlich bezuschusst werden, wenn diese entwicklungspolitisch
besonders sinnvolle Komponenten haben: etwa beim Umweltschutz oder bei der
Ausbildung junger Menschen.
Das [3][Entwicklungsministerium soll sparen]. Wo würden Sie empfehlen, den
Rotstift anzusetzen?
Ich kann Ihnen pauschal keinen Bereich der Entwicklungszusammenarbeit
nennen, der besonders irrelevant und zugleich unwirksam wäre. Es ist auch
Aufgabe einer demokratisch legitimierten Regierung, Prioritäten zu setzen.
Allerdings könnte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit schon seit Langem
effizienter werden, wenn sie sich in den jeweiligen Partnerländern stärker
auf einige wenige und besonders relevante Kernthemen fokussierte.
Warum zahlt Deutschland Entwicklungsgelder an Indien, [4][das sich ein
Raumfahrtprogramm leistet]?
Kredite vergünstigt zu vergeben, kann ein nützliches Instrument sein, um
wichtige Reformen anzustoßen oder deren Umsetzung zu begleiten. Wenn es
gelingt, darüber in Ländern wie Indien, Südafrika, Indonesien oder
Brasilien zu Reformen beizutragen, die dem Schutz von Klima oder
Biodiversität dienen, ist das auch im aufgeklärten Eigeninteresse
Deutschlands und Europas.
Rückt die Betonung von Deutschlands Eigeninteresse an der
Entwicklungszusammenarbeit diesen Aspekt in Zukunft stärker in den Fokus
der Evaluierung?
Unser Wohlstand wird in hohem Maße begünstigt von einer prosperierenden
Weltwirtschaft und internationaler Kooperation. Entwicklungszusammenarbeit
kann hierzu einen Beitrag leisten. Dass die aktuelle Debatte dieses
aufgeklärte Eigeninteresse an einer wirksamen Entwicklungszusammenarbeit
wieder stärker betont, ist im Prinzip zu begrüßen.
18 Jun 2024
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## AUTOREN
Leila van Rinsum
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