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# taz.de -- Skincare-Hype unter Kindern: Hauptsache, es glänzt
> „Sephora Kids“ stilisieren online ihre Skincare-Routinen mit teuren
> Produkten zum Statussymbol. Das ist nicht das einzige Problem an dem
> Tiktok-Trend.
Bild: Gurken aufs Gesicht legen ist von gestern. Heute geben schon Kinder ihr g…
Zwischen [1][Bubbletea trinkenden Teenagern] und Lipgloss mit
Maracuja-Geschmack findet man im Sephora Store am Alexanderplatz vor allem
eines: Eine absurde Vorstellung von Schönheit und davon, was sie kostet.
Cleanser, Moisturizer, Seren, Toner, Cremes, Sonnenschutz und Augenmasken
landen hier in den Einkaufskörben der jungen Kundinnen, die einen Großteil
ihres Taschengelds für [2][eine „glowy“ Haut] ausgeben wollen. „Ungefähr
100 Euro zahle ich im Monat für Skincare“, schätzt eine 13-Jährige mit
Zahnspange und bunten Haargummis. Sie sei unzufrieden mit ihrer Haut und
nutze daher viele verschiedene Produkte.
Die Bereitschaft junger Mädchen, so viel Geld für Skincareprodukte
auszugeben, kommt nicht von ungefähr. Seit Monaten trenden Videos
sogenannter „[3][Sephora Kids]“ auf [4][Tiktok]. In diesen Videoschnipseln
geben junge Mädchen – meist zwischen acht und zwölf Jahre alt – viel Geld
für Skincareprodukte der französischen Kosmetikkette aus und filmen sich
bei der Anwendung.
Die Kette, die vor allem für den Verkauf von Luxus-Make-Up bekannt ist,
gibt es bereits seit 1969, seit 2018 auch in Deutschland. Die „Sephora
Kids“ zelebrieren in den Videos eine mehrschrittige Routine. Das Ziel: eine
makellose, faltenfreie und glänzende Haut. Sie tragen eine Vielzahl
verschiedener Seren und Cremes nacheinander auf – teilweise sogar
Anti-Aging-Produkte. Ihre Botschaft: Wer schön sein will, muss früh
anfangen, gegen den Alterungsprozess des eigenen Körpers anzukämpfen.
## Filterblase, reine Haut
Das wird auch im Sephora Store am Alexanderplatz deutlich. Hier bevölkern
junge Mädchen und Frauen schon mittags den Laden, der im Kaufhof Galeria
integriert ist. Auf der Suche nach den neuesten Skincare- und
Kosmetikprodukten drängen sich fast ausschließlich weibliche Kund:innen
zwischen den Regalen und Spiegeln. Grelles Licht scheint von der Decke,
Mitarbeiter:innen in schwarzen T-Shirts geben bestens gelaunt Auskunft
über die Vorteile der angebotenen Produkte. Die Teenager, die den Großteil
der Kundschaft ausmachen, erzählen ausnahmslos, dass sie ihre Haut
verbessern wollen. Einige schwärmen von der perfekten Haut der Mädchen auf
Tiktok, andere von der ihrer Mitschülerinnen.
Der Trend ist Teil einer besorgniserregenden Entwicklung. Die
Medienpädagogin Barbara Buchegger sagt, dass die Beschäftigung mit dem
eigenen Aussehen – und auch die Unzufriedenheit damit – vor allem bei
Mädchen immer früher beginnen würde. Laut Buchegger hängt das zu einem
wesentlichen Teil mit dem Social Media-Konsum von Jugendlichen zusammen.
„Die Algorithmen von Tiktok, Instagram und Co. sind so sehr auf unsere
persönlichen Vorlieben zugeschnitten, dass uns nur ein extrem kleiner
Ausschnitt der Realität gezeigt wird“, sagt sie. Da Kinder meist nicht in
der Lage seien, dieses Phänomen der sogenannten „Filterblasen“ zu
reflektieren, sei die Gefahr, unrealistische Schönheitsideale aus dem
Internet zu internalisieren, besonders groß.
Das scheint auch die Beauty-Industrie erkannt zu haben. Denn die
Vermarktung vieler Skincare- und Kosmetikprodukte richtet sich gezielt an
extrem junge Kund:innen. Lipgloss mit Erdbeer-, Aprikosen- oder
Drachenfruchtgeschmack, knallige Farben und Verpackungen, die mit
comicartigen Motiven bedruckt sind, ziehen eine Zielgruppe an, die für die
Industrie längst zu einer der wichtigsten geworden ist. So zeigt eine
Studie des Marktforschungsinstituts Euromonitor International, dass die
Gewinne, die die Skincare-Industrie zwischen 2017 und 2021 verzeichnen
konnte, zu 49 Prozent auf die Generation Alpha – also jene, die nach 2010
geboren sind – zurückzuführen sind.
## Wer mithalten will, braucht Geld
Während im Sephora Store zum zweiten Mal innerhalb einer halben Stunde
„Hold my Hand“ von Jess Glynne läuft, betritt eine Mutter mit ihren drei
Töchtern den Laden. Die Mädchen testen die „Guava Vitamin C Bright-Eye Gel
Creme“ von Glow Recipe – das 40 Milliliter Fläschchen kostet hier 34,95
Euro – und sprühen sich mit dem „Körpernebel“ von Sol de Janeiro ein. �…
habe ich auf Tiktok gesehen!“ quietscht eines der Mädchen begeistert.
Dass Jugendliche auf der Suche nach Vorbildern heute vor allem auf Social
Media fündig werden, sei nicht ausschließlich negativ zu beurteilen, sagt
Medienpädagogin Buchegger. So werde in den sozialen Medien eine Vielfalt
von Körpern dargestellt, die helfen könnten, Unsicherheiten zu überwinden.
Problematisch wird es, wenn Kinder und Jugendliche sich in einer
Filterblase bewegen, die ihre Unsicherheiten verstärkt. Da in der Pubertät
– der Zeit von Pickeln, Akne und fettiger Haut – gerade die Haut ein
heikles Thema sein kann, schlagen Videos von „Sephora Kids“ mit makelloser
Haut in genau diese Kerbe.
Das Problem sind aber nicht nur die vermittelten Schönheitsideale.
Schließlich ist Skincare auch eine Frage des nötigen Taschengeldes. Dennoch
wird in den „Sephora-Hauls“ betont, wie wichtig gerade teure Produkte für
eine gesunde Haut seien. Skincareprodukte dienen also längst nicht mehr
ausschließlich als Instrument, einem unrealistischen Schönheitsideal näher
zu kommen, sondern auch als eine Art Statussymbol. Wer hier mithalten will,
muss entweder großzügige Eltern oder einen Nebenjob haben.
Bedenklich ist auch, dass die Skincareroutinen der Kinder als gesund
verkauft werden. In den Videos der „Sephora-Kids“ wirkt es so, als ginge es
ihnen um „natürliche“ und „gesunde“ Haut. Die Verknüpfung von Gesundh…
und Schönheit ist grundsätzlich nichts Neues: Viele Firmen bewerben ihre
Produkte als „klinisch getestet“, auch Fitness- und Food-Influencer
bedienen eine ähnliche Erzählung. Das führt dazu, dass der Kauf von
Kosmetika und Skincareprodukten nicht nur dazu dient, schön auszusehen,
sondern wird auch als Teil von Selfcare verstanden – ein Begriff, der vor
allem seit der Coronapandemie hoch im Kurs steht.
Dass bereits Kinder einer mehrschrittigen Skincareroutine nachgehen, ist
jedoch alles andere als gesund: Hautärzt:innen warnen seit dem Aufkommen
des Trends vor den Folgen, die die Verwendung zu vieler und zu aggressiver
Skincareprodukte haben kann. So können Inhaltsstoffe wie Ritanol oder
Fruchtsäure, die etwa in Produkten der Marke Sol de Janeiro enthalten sind,
laut Expert:innen zu Hautauschlägen führen oder die Haut
lichtempfindlicher machen.
Über die körperlichen und psychischen Gefahren, die Tiktok-Trends wie der
der „Sephora Kids“ mit sich bringen, täuschen die dröhnenden Pop-Songs und
die Parfümwolke, in die der Sephora Store am Alexanderplatz gehüllt ist,
gekonnt hinweg. Nachdem die schwarz-weiß gestreiften Sephora-Papiertüten
prall gefüllt und die Bubbleteas so gut wie leer geschlürft sind, machen
sich die jungen Kund:innen auf den Weg nach Hause. „Meine Haut ist so
schlimm“, meint ein junges, dunkelhaariges Mädchen, etwa 12 Jahre alt. „Ich
hoffe, dass die Produkte von Sephora helfen“. Beim Abbau absurder
Schönheitsideale hilft der Hype rund um die Kosmetikkette nicht.
14 Jun 2024
## LINKS
[1] /Von-TikTok-in-die-Fussgaengerzone/!5780863
[2] /Kolumne-Habibitus/!5508987
[3] https://www.tiktok.com/discover/sephora-kids
[4] /TikTok-Debatte-in-Deutschland/!5996585
## AUTOREN
Joscha Frahm
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