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# taz.de -- Autorin über den Rassismus in uns: „Jeder lernt dieselben Narrat…
> Rassistische Denkmuster sind tief in uns allen verankert und schwer
> loszuwerden. Die Journalistin Gilda Sahebi hat ein Buch darüber
> geschrieben.
Bild: Alltagsrassismus in Berlin: Die dortige „Mohrenstraße“ wird nach jah…
taz: Frau Sahebi, wir denken alle rassistisch. Wehren sich noch viele
Menschen gegen diesen Fakt?
Gilda Sahebi: Die meisten Menschen wehren sich grundsätzlich dagegen, dass
sie Seiten in sich haben, die sie nicht mögen. Dazu gehört auch Rassismus,
aber eben auch alle Denkmuster, die wir als Gesellschaft als schlecht
definieren. Die Seiten möchte man nicht in sich haben.
Gesamtgesellschaftlich ist Rassismus ein starkes Triggerwort. Es gibt eine
große Schwierigkeit, darüber zu sprechen. Nicht umsonst war der
ursprüngliche Titel von meinem Buch „Deutschland und das R-Wort“.
Stattdessen heißt es jetzt „Wie wir uns Rassismus beibringen“. Wie machen
wir das denn?
Indem wir als Gesellschaft immer die gleichen Projektionen weitertragen und
die gleichen Debatten führen. Dadurch tragen sich Erzählungen von
Generation zu Generation weiter. Jeder lernt aufs Neue dieselben Narrative,
seit dem [1][Kaiserreich].
Zum Beispiel?
Das stärkste Narrativ ist „Wir gegen die“. Dieses „Wir“ wird über die
deutsche Abstammung definiert. 1913 wurde gesetzlich festgelegt, dass
deutsch nur ist, wer deutsches Blut hat. Das tragen wir immer noch stark in
uns. Wenn ich in Berlin durch die Straßen gehe, habe ich gelernt, zu
unterscheiden, wer deutsch ist und wer nicht.
Ist das wie ein Programm in Ihrem Kopf?
Genau, das passiert einfach. Es ist ein unbewusster Prozess.
Warum entstehen da rassistische Denkmuster, wo Mehrheiten und Minderheiten
aufeinandertreffen?
Die Entwicklung von [2][Rassismus] ist abhängig von der Historie eines
Landes. In den USA ist das stark mit der Sklaverei verknüpft. In
Deutschland ist eine der ältesten Formen der anti-slawische Rassismus. Da
geht es nicht um die Hautfarbe, sondern die Herkunft. Aber grundsätzlich
schafft sich die [3][Mehrheitsgesellschaft] unbewusst Bilder von der
Minderheit, um sich abzugrenzen. Rassismus ist ein Herrschaftsinstrument.
Sklaven waren nicht grundsätzlich Schwarz, es gab auch weiße. Die haben
sich dann gegen das ungerechte System, Besitz anderer Menschen zu sein,
gewendet. Die Herrschaft hat darauf reagiert, indem es sie anhand der
Hautfarbe getrennt hat. Die Weißen durften fortan an der Gesellschaft
teilhaben. So kann man Menschen voneinander spalten und beherrschen. Das
wird auch heute noch gemacht. Eine gespaltene Gesellschaft lässt sich viel
leichter manipulieren.
Welche politischen Strukturen fördern hier vor Ort Rassismus?
Alle politischen Kräfte. Die gängigen Narrative werden von niemandem
infrage gestellt. Es gibt das Bild, dass linke Kräfte weniger rassistisch
seien – sind sie nicht, sie sind das nur weniger offen. Rechte Kräfte sind
da deutlich offener. In progressiven Kreisen ist Rassismus verdeckt, weil
er nicht zum Selbstbild dazu gehört. Das ist fast gefährlicher, weil er
verleugnet wird – und alles, was man nicht sieht, wird stärker.
Was würden Sie denn Menschen in diesen besagten linken Kreisen für einen
Umgang damit empfehlen?
Es ist immer schwierig, seine eigenen Schattenseiten anzuerkennen. Das ist
mir bewusst. Ich weiß aus eigener Arbeit, dass das schmerzhaft ist. Wenn
eine Person da nicht hinschauen möchte, ist das in Ordnung. Aber ich
empfehle es, wenn man sich wirklich mit seinen Schatten – und dazu gehört
eben Rassismus – auseinander setzen möchte. Das ist ein Prozess. Und die
Bereitschaft, auch in die Scham reinzugehen, ist die Voraussetzung dafür.
12 Jun 2024
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## AUTOREN
Alina Götz
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Lesestück Recherche und Reportage
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