# taz.de -- Abschied von Impresaria Monika Döring: Die Seele der Party | |
> Monika Döring prägte die Berliner Subkultur über Jahrzehnte. Nun erinnern | |
> sich Freundinnen und Begleiter an ihr legendäres Organisationstalent. | |
Bild: Schrill, aber mit Stil: Monika Döring (1937 – 2024) | |
Morgen, am 1 Juni, ruft Monika Döring zum letzten Mal die Freunde zur | |
Party. „Die Freunde“: Ein fröhliches Netz aus gegenseitiger Hilfe, weit | |
gespannt. Von den frühen 1970ern, in denen Döring der Spontiszene verbunden | |
war und unter anderem den „Tunix“-Kongress mitorganisierte, der 1978 | |
schließlich zur Gründung der taz führte, zu den Punk-Freunden aus dem SO36. | |
Die Mitstreiter aus der Wagenburg um das große Zelt des Tempodrom, die | |
Music Hall mit all den aufregenden neuen Bands, die es ohne den Zuspruch | |
von Monika nie gegeben hätte. Dann die Loft-Familie, bis heute, lose | |
zusammenhängend. Viele neue Freunde aus den Jahren in San Francisco, wohin | |
sie 1987 ging. Von dort brachte Döring die Psy-Trance-Legende Goa Gil nach | |
Berlin „auf den Acker“, zur Freude der vielen Goa-Fans. | |
Durch die gemeinsame Leidenschaft für zeitgenössische elektronische | |
Avantgarde wuchs in den letzten Jahren ein weiterer Freundeskreis hinzu. | |
Bis zuletzt ging Monika Döring im Berghain, Mahalla und Silent Green ein | |
und aus und tanzte noch eine Woche vor ihrem Tod. Nun treffen sich Menschen | |
aus sechs Jahrzehnten Berliner Musikgeschichte, um Monika ihren letzen | |
Wunsch zu erfüllen – Musik, Liebe, Freudentränen! Hier versammeln wir | |
wichtige Stimmen | |
## Schrill, aber mit Stil | |
„Monika Döring war Freundin und Lehrmeisterin, insbesondere im Umgang mit | |
Künstlern. Auf welche Weise sie diese empfing, umsorgte und ihnen ihre | |
Wertschätzung und Kritik an ihrer Performance angedeihen ließ, war hohe | |
Perfektion. [1][Schrill, aber mit Stil war ihre Erscheinung.] War man mit | |
ihr unterwegs, konnte man sicher sein, dass alle Entgegenkommenden sich | |
staunend umschauen und in den nächsten Passanten knallen. Dörings Äußeres | |
war allerdings nur das Abbild ihrer bunten, leidenschaftlichen und musisch | |
bewanderten Innenwelt. Mit ihren Programmen in der Music Hall, im Loft und | |
nicht zuletzt im Tempodrom hat sie Berliner Musikgeschichte geschrieben. Es | |
ist ein großes Geschenk für mich, dass ich Monika Döring bis in ihre letzen | |
Tage haben begleiten dürfen.“ Irene Moessinger, Gründerin des Tempodrom | |
## Wundersame Futuristin | |
„Monika war eine Futuristin, hemmungslos in ihrer Neugierde nach neuen | |
Sounds. [2][Sie hat für uns die Plätze erschaffen, auf denen wir genialisch | |
dilettieren konnten]. Sie hat uns die Wege geebnet. Ein Wunder.“ | |
F.M. Einheit, Einstürzende Neubauten | |
## Energisch und begeisternd | |
„Um 1980 bekam Monika das Tape ‚An die schwarze Kunst‘ (RIP 8), das Yuri | |
Panfilowitsch mit mir produziert hatte. Sie war begeistert, und meinte | |
sofort, das wolle sie auf der Bühne sehen. So entstand meine Band Flucht | |
Nach Vorn und wir wurden dann sowas wie die Hausband in der Music Hall. | |
Ihre Begeisterung und Energie haben uns von Beginn an angetrieben und | |
inspiriert. Monika glaubte wirklich an uns. Auch später haben sich unsere | |
Wege oft gekreuzt, ob im Tempodrom oder im Loft. Ich hatte den Eindruck, | |
dass sie uns stets im Blick hatte.“ Bymski Stempka, Musiker, DJ und | |
Labelowner (UAP) | |
## Fröhlich auf dem Dancefloor | |
„Als deutscher Labelvertreter von Factory Records konnte ich 1981 Ted | |
Miltons schräge britische Band Blurt an Monika ins Tempodrom vermitteln und | |
wir wurden Freunde. In Monika hatte ich eine gefunden, die beschlossen hat, | |
ihr Leben in vollen Zügen zu genießen und dabei so viel Spaß wie möglich zu | |
haben. Monika unterstützte immer die Westberliner Musikszene und so wurden | |
meine Band Die Unbekannten und mein Kumpel Schäumer von P1/E gebeten, als | |
erste Bands bei der Eröffnung des Loft zu spielen, Anheizer für die | |
damaligen Newcomer Die Toten Hosen. Wir hingen immer bei ihr herum, aßen | |
und bewerteten Musik, die ihr zugeschickt worden war. In den 90er Jahren | |
war es ein wunderbar amüsanter Anblick, eine fröhliche Monika zu erleben, | |
wie sie bei einem Open-Air-Rave schreiend im Staub stampfte, mit den Armen | |
fuchtelnd und mit dem Schmuck klirrend. Sie liebte den härteren Sound von | |
Goa-Trance. Musik hielt Monika zweifellos am Leben. Im Gegenzug war sie | |
immer die Seele der Party. Für viele mag Monika exzentrisch gewirkt haben, | |
aber sie war eine willensstarke Geschäftsfrau mit realistischer | |
Herangehensweise, die wusste, was sie wollte und wie sie es bekommen | |
konnte. Sie wusste, dass sie mit ihren Entscheidungen richtig lag. Dafür | |
habe ich sie wirklich bewundert. Ich werde Monika sehr vermissen, aber ich | |
weiß, dass ihr Vermächtnis durch all die Bands, die sie unterstützt hat, | |
weiterleben wird, denn ohne sie wäre unser Leben sicherlich anders | |
verlaufen.“ Mark Reeder. Die Unbekannten, Shark Vegas, MfS Records, | |
„B-Movie“. | |
## Liebe zum Brachialen | |
„Monika kam bis zuletzt zu jedem Auftritt von Hackedepicciotto und liebte | |
vor allem unsere brachialen Stücke. Sie hatte zum Schluss nur noch | |
schwaches Sehvermögen und vor langer Zeit ihren wunderbaren Ehemann | |
verloren, aber sie hat sich nie beklagt, schien nie deprimiert zu sein und | |
hat nie aufgegeben andere aufzumuntern. Sie liebte Musik, Partys, | |
Musiker:innen jeden Alters, intelligente Gespräche und kleidete sich | |
genau so, wie es ihr gefiel, jede Art von Altersdiskriminierung | |
ignorierend. Danke. Du wirst immer in meinem Herzen sein und mich dazu | |
inspirieren, mir selbst radikal treu zu bleiben und meine Träume niemals | |
aufzugeben.“ Danielle de Picciotto, Hackedepicciotto | |
## Mutter vons Janze | |
„Monika war die Mutter vons Janze. Ohne ihr Interesse, ihr Wohlwollen, ihre | |
Unterstützung und Liebe wäre sicher alles anders gekommen. Als Teenager in | |
den 80ern durfte ich mir im Loft all die aufregenden neuen Bands anschauen, | |
mich am Catering sattessen und zum Dank auch noch auf den Wänden der | |
Garderobe verewigen[3][. Ohne sie hätten wir von so vielem nicht gewusst] | |
und all die Freunde fürs Leben gar nicht erst kennen gelernt. [4][Sie hat | |
wie keine andere Frau das Musikleben unserer kleinen Insel Westberlin | |
beeinflusst.]“ Alexander Hacke, Einstürzende Neubauten, Hackedepicciotto | |
## Kompromisslose Attitüde | |
„Ich bin Anfang der 1980er nach Westberlin gekommen, um beim SFB als | |
Moderatorin anzufangen. Ohne Monika Döring mit ihrer kompromisslosen, | |
musikbegeisterten Undergroundattitüde wäre ich wieder abgehauen, denn sie | |
gab mit ihren Bands den subversiven Weg vor. Auch die Radiosendung „Sfbeat“ | |
und andere Formate lebten davon und legten den Grundstein für jede folgende | |
Musikrevolution.“ Christine Heise, Radioeins | |
## Mut zum Risiko | |
„Von ihrer Geradlinigkeit habe ich mir eine Scheibe abgeschnitten. Ich habe | |
von ihr irre viel fürs Leben gelernt, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Was | |
diese Frau so stemmte, war beeindruckend. An Konzerten, bei denen sie mit | |
Mut zum Risiko das präsentierte, was ihr gefiel – egal, ob sie damit | |
alleine stand oder nicht. Und der Betriebsausflug von Tennis Boy Blues, | |
Shark Vegas und meiner Imperial Dance Band für Konzerte in die Danceteria | |
nach New York 1983! Sie buchte diese Konzerte und besorgte auch das | |
Fördergeld beim Senat. Eine großartige Frau ist jetzt weg… abgeflogen, wie | |
sie selbst sagte. Da, wo sie gelandet ist, ist es sicher aufregend, laut | |
und spannend, aber garantiert nicht langweilig – dafür wird sie sorgen.“ | |
Chaos Franck, Imperial Dance Band, Pinguin Club, Buchautor „Ick bin een | |
Berliner“ | |
## 700 Bands in 5 Jahren | |
„5 Jahre Loft. 700 Bands aus 19 Ländern, in 400 Konzerten, 200 Lokalbands. | |
Alle waren gut, alle waren wichtig. Diese besonders: | |
[5][TV Personalities] – weil sie an meinem Geburtstag gespielt haben. | |
[6][The Jesus and Mary Chain – kürzestes Konzert im Loft ever]. Die erste | |
Inszenierung der katalanischen Theatergruppe La Fura Dels Baus im Tempodrom | |
bleibt unvergessen. Das Konzert von Red Lorry Yellow Lorry, weil mein | |
Freund und Kollege Yuji Kimura sie angesagt hatte. Snakefinger – das letzte | |
Konzert vor seinem Tod 1987. Bei vielen größeren Ereignissen – wie dem | |
ersten Berliner Auftritt von Run DMC und Beastie Boys- war ich dann schon | |
als Tourbegleiter dabei.“ Michael Schäumer. P1/E, Tennis Boy Blues, DJ | |
Discomo, Label Wild Youth Digital | |
## Wie eine Tochter | |
„Monika habe ich 1996 in San Francisco kennen gelernt, als wir beide dort | |
lebten. Als ich 2001 nach Berlin zog, war sie die einzige Person, die ich | |
hier kannte. Sie nahm mich wie eine Tochter in ihren großen Freundeskreis | |
auf. Seitdem blieben wir eng verbunden und es ist mir eine Ehre, diese | |
außergewöhnliche Frau bei ihrem sanften Abflug begleitet haben zu dürfen. | |
Ihre grenzenlose Lebensfreude, Power, Zugewandtheit, Liebe und Radikalität | |
sind mir für immer Inspiration und Vorbild.“ Tina Zimmermann, Bildende | |
Künstlerin | |
## Radikal mit Herz | |
„Monika Döring hat auf jeden Fall ihr Leben gelebt. Radikal und mit großem | |
Herz. Sie war immer mein Vorbild. Danke, was du für mich und für uns alle | |
getan hast. Bis bald.“ Dr. Motte, Die Toten Piloten, Love Parade, Rave the | |
Planet | |
30 May 2024 | |
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