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# taz.de -- Massensterben bei Seeigeln: Pandemie am Meeresboden
> Ein Parasit vernichtet immer mehr Seeigel-Bestände. Binnen zwei Tagen
> macht er aus gesunden Tieren Skelette. Das setzt auch andere Arten unter
> Druck.
Bild: Seeigel im Mittelmeer
Tel Aviv dpa | Ein Massensterben von Seeigeln weitet sich immer mehr zur
globalen Pandemie aus. Inzwischen sei die tödliche Erkrankung auch im
Indischen Ozean nachzuweisen, [1][berichtet ein Forschungsteam im
Fachjournal Current Biology].
Aufnahmen zeigen unzählige tote Seeigel an einem Strand der Insel [2][La
Réunion]. Der Ausbruch stelle eine unmittelbare Bedrohung für Korallenriffe
weltweit dar: Seeigel fressen Algen, die sonst [3][Korallen] überwuchern
und abtöten würden.
Ein auf Wimperntierchen zurückgehendes Massensterben von Diadem-Seeigeln
war im Januar 2022 zunächst auf den US-amerikanischen Virgin Islands
aufgefallen. In den Monaten darauf wurden ähnliche Beobachtungen in weiten
Teilen der Karibik gemacht. Dann waren auch das Mittelmeer und rasch auch
das Rote Meer betroffen.
Die Forschenden schätzen, dass seit Dezember 2022 der größte Teil der
Populationen betroffener Seeigel-Arten im Roten Meer sowie hunderttausende
Seeigel weltweit vernichtet wurden. Im Riffsystem nahe der israelischen
Küstenstadt Eilat zum Beispiel seien die beiden Seeigel-Arten, die zuvor im
Golf von Akaba am häufigsten vorkamen, vollständig verschwunden.
## Forscher*innen identifizieren Erreger
Das Team um Omri Bronstein von der Universität Tel Aviv identifizierte nun
den Erreger, der für das Massensterben von Gewöhnlichen Diadem-Seeigeln
(Diadema setosum) – langstacheligen, schwarzen Seeigeln – im Roten Meer
verantwortlich ist: ein der Art Philaster apodigitiformis-ähnliches
Wimperntierchen. Der einzellige Parasit sei auch die Ursache für das
Massensterben des Atlantischen Diadem-Seeigels (Diadema antillarum) in der
Karibik vor etwa zwei Jahren.
Bereits 1983 war ein verheerender Zusammenbruch der Population in dieser
Region beobachtet worden. Sowohl die Korallen- als auch die
Seeigel-Populationen der Karibik haben sich davon nie wieder vollständig
erholt, wie es von den Forschenden heißt. Zu vermuten ist, dass auch damals
schon der nun identifizierte Erreger die Ursache war. Dem Forschungsteam
zufolge befällt das Wimperntierchen auch Echinothrix-Seeigel, eine eng mit
Diadema verwandte Gruppe von Arten.
Der Parasit lässt die Tiere binnen zwei Tagen zur gewebslosen Hülle werden
– wenn nicht Fressfeinde die geschwächten Tiere schon vorher erbeuten. Der
tödliche Erreger werde über das Wasser übertragen und könne in kürzester
Zeit große Gebiete befallen, hieß es. Die Stabilität der Korallenriffe sei
in einem noch nie dagewesenen Ausmaß bedroht, sagte Bronstein. Die Seuche
breite sich entlang menschlicher Transportwege aus, wie Daten aus dem Roten
Meer zeigten.
## Tausende Skelette innerhalb kürzester Zeit
Es sei unheimlich, tausende Seeigel am Meeresboden binnen kürzester Zeit
zum Skelett werden und verschwinden zu sehen, so Bronstein. Bisher gebe es
keine Möglichkeit, infizierten Seeigeln zu helfen. Dringend notwendig seien
Brutpopulationen gefährdeter Arten in vom Meer abgetrennten Zuchtsystemen,
um später wieder gesunde Tiere in die Natur entlassen zu können. Zudem
müsse erforscht werden, welche Faktoren zu dem Ausbruch führten. Als ein
möglicher Grund gelten veränderte Umweltbedingungen.
Wimpertierchen bestehen aus nur einer Zelle und haben Härchen auf ihrer
Oberfläche, mit denen sie sich bewegen können. Sie kommen häufig im Wasser
vor und sind oft harmlos. Allerdings wurden Verwandte der nun gefundenen
Wimpertierchen bereits für Massensterben bei anderen Meerestieren wie Haien
verantwortlich gemacht.
24 May 2024
## LINKS
[1] https://www.cell.com/current-biology/abstract/S0960-9822(24)00531-1?_return…
[2] /La-Reunion/!t5604171
[3] /Korallen/!t5031379
## TAGS
Artensterben
Korallen
Meeresbiologie
Italien
Schwerpunkt Klimawandel
Korallenriff
Klimakonferenz in Dubai
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