# taz.de -- Cyberattacke auf CDU: Selber schuld | |
> Die CDU ist Opfer einer Cyberattacke geworden. Auch wenn | |
> Opfer-Täter-Umkehrungen daneben sind: Die Partei hat selbst einiges dafür | |
> getan. | |
Bild: Kurz vor der Europawahl war die CDU einer Cyberattacke ausgesetzt | |
Es gibt einen unangenehmen Mechanismus, wenn eine Organisation einen | |
Cyberangriff abbekommt und nicht abwehren kann: die reflexartige | |
Erwiderung, dass ebenjene Partei, Institution oder Firma auch ein bisschen | |
selbst schuld sei. Die haben ihre Datensicherheit eben nicht im Griff! | |
Es ist eine Opfer-Täter-Umkehr, die wir in anderen Lebensbereichen klar | |
verurteilen. Nein, der Rock ist nicht zu kurz. Nein, ein Land darf nicht | |
angegriffen werden, nur weil es sich Richtung Westen orientiert. Nein, Oma | |
hat die Einbrecher nicht mit dem gehorteten Bargeld in der Besteckschublade | |
angelockt. Manchmal aber ist es schwer, den Opfern von Cyberangriffen keine | |
Schuld zu geben. Jetzt etwa der CDU. Denn die hat in der Vergangenheit | |
helfende Hände zur Seite geschlagen. | |
[1][Am Wochenende wurde bekannt, dass die CDU einer Cyberattacke ausgesetzt | |
war], kurz vor der Europawahl. Wie groß der Schaden ist, ist bisher nicht | |
öffentlich bekannt. [2][Der Spiegel berichtet] unter Berufung auf | |
Sicherheitskreise, dass kritische Daten ausgelesen worden seien. Mehrere | |
Medien und Expert*innen mutmaßen, dass eine Gruppe im Auftrag der | |
chinesischen Regierung dahintersteckt. Der Verfassungsschutz und das | |
zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) haben | |
die Ermittlungen aufgenommen. | |
Auch andere Parteien kennen Angriffe dieser Art. Erst im Mai ist bekannt | |
geworden, dass ein Jahr vorher, [3][im Januar 2023, eine einstellige Zahl | |
von E-Mail-Konten des SPD-Parteivorstandes angegriffen wurden]. Die | |
mutmaßlichen Täter: eine Gruppe, die dem russischen Militärgeheimdienst | |
zugeordnet wird. Für politische Inhalte wird also nicht nur die CDU | |
angegriffen. Aber: Sie hat auch einiges dafür getan, keine Hilfe aus der | |
äußerst fähigen Zivilgesellschaft mehr zu bekommen. | |
## Daten lagen einfach rum | |
[4][Im Mai 2021 untersuchte Lilith Wittmann, Aktivistin für | |
Datensicherheit, die Wahlkampf-App der CDU und fand gravierende | |
Sicherheitslücken im System], in dem die Partei Daten von | |
Wahlhelfer*innen ebenso sammelte wie Daten von Menschen, die die CDU an | |
der Haustür aufsuchte. Wittmann meldete die Lücke an die Partei, das BSI | |
und die Datenschutzbeauftragte und bekam dafür: eine Anzeige von der CDU. | |
Die kündigte damit eine Art inoffizielle Abmachung. | |
Denn beim Responsible Disclosure suchen IT-Expert*innen nach | |
Sicherheitslücken bei Parteien, Firmen, Bundesanstalten, melden diese, | |
warten ab, bis die Lücken gestopft sind und veröffentlichen danach, wie sie | |
die Lücken gefunden haben. Dafür bekommen sie keinen Ärger vom Staat, | |
sondern Anerkennung bei den Peers. Es ist ein Rätselspiel und es ist | |
wertvoll für unsere Gesellschaft und Sicherheit. | |
Angezeigt werden können sie aber trotzdem manchmal. Dafür sorgt der | |
sogenannte Hackerparagraf. Der wurde 2007 – unter Angela Merkel und | |
getragen von der CDU – im Bundestag verabschiedet und macht es strafbar zu | |
versuchen, an zugangsgeschützte Daten heranzukommen. Wegen des großen | |
Medienechos um die Wahlkampf-App wurde die Anzeige gegen Wittmann | |
zurückgezogen. [5][Bei den Ermittlungen kam ohnehin raus, dass die | |
IT-Expertin nichts falsch gemacht] hatte. Die Daten lagen nämlich einfach | |
so rum. | |
## Belohnung für Hacker | |
Der Schaden liegt seitdem bei der CDU. Denn der Chaos Computer Club (CCC), | |
die Instanz im Finden von Sicherheitslücken, hat sich hinter Wittmann | |
gestellt und bekanntgegeben, dass er „[6][CDU-Schwachstellen künftig nicht | |
mehr melden“] wird. Wer bekommt schon gerne Anzeigen? | |
Ob der CCC trotzdem weiter nach Sicherheitslücken bei der CDU sucht? Ob die | |
Expert*innen die aktuelle Schwachstelle gefunden hätten? Vielleicht. | |
Sicher ist: Die CDU hat zuerst ein Gesetz mitgetragen, das ethisches | |
Hacking gefährdet, und danach auch noch eine Person angezeigt, die helfen | |
wollte und konnte. Also doch ein bisschen selbst schuld. | |
In anderen Kontexten funktioniert das mit der responsible disclosure | |
übrigens. [7][Apple hat etwa 2019 ein 1,5-Millionen-Dollar-Preisgeld | |
ausgelobt] für das Finden von schlimmsten Sicherheitslücken beim damaligen | |
iPhone. | |
Und auch andere Länder können es besser als Deutschland: Die Niederlande | |
haben [8][eine eigene Seite], auf der sie erklären, wie man | |
Sicherheitslücken ordentlich melden kann. Und belohnt solche Meldungen mit | |
einem Shirt. Darauf steht übersetzt: „Ich habe die niederländische | |
Regierung gehackt und alles, was ich dafür bekommen habe, ist dieses | |
lausige T‑Shirt.“ Der Spruch ist peinlich oldschool, aber lange nicht so | |
altbacken wie die CDU. | |
4 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Cyberangriff-auf-CDU/!6014271 | |
[2] https://www.spiegel.de/politik/hackerangriff-auf-die-cdu-schuld-war-die-sic… | |
[3] /Russische-Cyber-Angriffe/!6008364 | |
[4] /Lilith-Wittmann-ueber-Wahlkampf-Apps/!5802119 | |
[5] /Moeglicher-Verstoss-gegen-Datenschutz/!5802205 | |
[6] https://www.ccc.de/de/updates/2021/ccc-meldet-keine-sicherheitslucken-mehr-… | |
[7] https://www.forbes.com/sites/daveywinder/2019/12/20/apple-confirms-iphone-h… | |
[8] https://www.government.nl/topics/cybercrime/fighting-cybercrime-in-the-neth… | |
## AUTOREN | |
Johannes Drosdowski | |
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