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# taz.de -- Neue Front in der Ukraine: Russische Angriffe in Nordukraine
> Russland greift die Nordukraine an, die ukrainische Armee kann den
> Vormarsch nur verlangsamen. Ihre Hauptprobleme: Munitions- und
> Personalmangel.
Bild: Nur eine kurze Pause: Ein ukrainischer Soldat raucht am Donnerstag an der…
Extrem schwierig, aber unter Kontrolle – so beschrieb der ukrainische
Präsident Wolodymyr Selenskyj die Lage an der Front, nachdem er am
Donnerstag die umkämpfte Stadt Charkiw besucht hatte. Seit einer Woche
haben russische Truppen die Staatsgrenze im Norden der Ukraine
überschritten und [1][damit einen neuen Frontabschnitt eröffnet]. In dieser
Woche gelang es ihnen, zehn zerstörte Grenzdörfer zu erobern und
[2][Straßenkämpfe in der Kleinstadt Wowtschansk aufzunehmen].
Die russischen Truppen konnten Schwachstellen in der ukrainischen
Verteidigungslinie finden, die es ihnen ermöglichten, bis zu acht Kilometer
tief in ukrainisches Territorium einzudringen. Analysten gehen davon aus,
dass der ursprüngliche Zweck dieses Angriffs darin bestand, die ukrainische
Militärführung zu zwingen, Reserven von den Hauptfrontgebieten in der
Region Donezk in die Region Charkiw zu verlegen.
Mithilfe von Flugzeugen, Artillerie und kleinen Infanteriegruppen gelang es
den russischen Streitkräften, sich in den besetzten Gebieten zu halten.
Nach Angaben des Oberbefehlshabers der ukrainischen Streitkräfte, Oleksandr
Syrskyj, ist es den Russen gelungen, die aktive Kampfzone um 70 Kilometer
zu erweitern, sodass die Gesamtlänge der Frontlinie nun rund 870 Kilometer
beträgt.
Ein weiterer Grund für den schnellen Vormarsch der Besatzungstruppen ist
die schlechte Vorbereitung der Befestigungen durch die ukrainische Seite an
der ersten Verteidigungslinie. Hier wiederholen sich Fehler, die die
ukrainische Führung bei der Verteidigung von Städten wie Sewerodonezk,
Lisitschansk, Bakhmut und Awdijiwka begangen hat, und so droht nun auch der
Verlust von Wowtschansk. Die Stadt, die bereits 2022 unter russischer
Besatzung stand und fünf Kilometer von der russischen Grenze entfernt
liegt, hat keine vorbereiteten Verteidigungsanlagen.
Wolodymyr Selenskyj wechselte am ersten Tag des russischen Angriffs und der
Entdeckung dieses Problems den für die Verteidigung dieses Frontabschnitts
zuständigen Kommandeur. Die ukrainischen Truppen sind nun jedoch gezwungen,
die Befestigungen unter Kampfbedingungen und unter ständigen Luftangriffen
zu errichten.
## „Die Situation ist sehr ernst“
Nichtsdestotrotz stellen Militäranalysten fest, dass es der ukrainischen
Seite durch die Verlegung von Reserven gelungen ist, den Vormarsch der
russischen Truppen in dieser Phase deutlich zu verlangsamen. Jedoch wird
Russland weiter in diese Richtung drängen, um nicht nur eine Pufferzone im
russisch-ukrainischen Grenzgebiet zu schaffen, sondern auch eine Position
für weitere Offensivaktionen tief auf ukrainischem Territorium.
Es ist nicht auszuschließen, dass die russische Seite zur Erreichung dieser
Ziele zusätzliche Reserven einsetzt und unter den Bedingungen der
Überlegenheit bei Ausrüstung, Luftwaffe und Personal versucht, näher an
Charkiw heranzukommen. Eine Einnahme oder Einkesselung der zweitgrößten
Stadt der Ukraine, [3][die täglich mit Raketen und Drohnen angegriffen
wird], droht derzeit nicht.
Militäranalysten bezeichnen jedoch eine Annäherung der russischen
Streitkräfte auf eine Entfernung von 20 Kilometern als kritisch für die
Stadt, da diese dann die Stadt mit Raketenartillerie beschießen könnten.
„Die Situation ist sehr ernst“, sagte Präsident Selenskyj in einem
Interview mit ABC News während eines Besuchs in Charkiw, „wir [4][können es
uns nicht erlauben, Charkiw zu verlieren]. Alles, was wir brauchen, sind
zwei Patriot-Systeme.“
Die USA äußern weiterhin ihre Ablehnung, ukrainische Angriffe auf
militärische Systeme und Ziele in Russland zu unterstützen, von wo aus die
Offensive auf ukrainisches Territorium direkt vorbereitet und unterstützt
wird. Gleichzeitig hat die militärische und politische Führung der Ukraine
wiederholt erklärt, sie beobachte eine Konzentration russischer Truppen in
der Region Sumy, was auf die Absicht hindeuten könnte, auch diesen
Grenzabschnitt anzugreifen und damit einen weiteren Frontabschnitt zu
eröffnen.
## Intransparenter Mobilisierungsmechanismus
Um die russische Offensive abzuwehren, muss die Ukraine zwei zentrale
Probleme lösen: Munitionsmangel und Personalmangel. Obwohl die Vereinigten
Staaten nach sechsmonatiger Verzögerung [5][nun ein militärisches
Hilfspaket für die Ukraine bereitgestellt haben], erfolgen die
tatsächlichen Lieferungen oft mit erheblicher Verspätung.
Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA und der mögliche
Führungswechsel bei ihrem wichtigsten Verbündeten bereiten den
Ukrainer*innen außerdem große Sorgen, da sie nicht sicher sind, ob sie
weiterhin von den USA unterstützt werden. Obwohl die Ukraine versucht, eine
eigene Waffenproduktion aufzubauen, wird diese noch nicht die Mengen
erreichen, die für den Kampf gegen Russland benötigt werden.
Das Inkrafttreten eines neuen ukrainischen Gesetzes über die Mobilmachung
am 18. Mai dürfte den Rekrutierungsprozess für die Verteidigungskräfte
erheblich erleichtern und den Personalmangel in der ukrainischen Armee
verringern.
Darüber hinaus besteht in der vom Krieg erschöpften ukrainischen
Gesellschaft ein großes Bedürfnis nach Gerechtigkeit: die Verantwortung für
die Verteidigung des Landes solle gleichmäßig auf die verschiedenen Teile
der Bevölkerung verteilt werden. Und die Armeeangehörigen, die seit mehr
als zwei Jahren an der Front sind, sollten die Möglichkeit haben, zu
rotieren.
Die Intransparenz des bisherigen Mobilisierungsmechanismus, vereinzelte,
aber weithin bekannte Fälle von Zwangsmobilisierungen und das Fehlen einer
angemessenen Kommunikation seitens des Staates haben dazu geführt, dass die
Motivation der ukrainischen Männer, ihr Land zu verteidigen, nach mehr als
zwei Jahren existenziellen Kampfes nachgelassen hat.
## Stromausfälle können den ganzen Sommer über andauern
Vor diesem Hintergrund üben auch die russischen Angriffe auf die
Energieinfrastruktur der Ukraine erheblichen Druck auf die ukrainische
Gesellschaft aus. Mitte Mai führte Russland einen massiven Raketen- und
Drohnenangriff auf Energieanlagen in sechs Regionen der Ukraine durch.
Dadurch kam es zu erheblichen Engpässen in der Stromversorgung, [6][die zu
Notstromausfällen für Unternehmen und private Verbraucher*innen
führten].
Der staatliche Stromnetzbetreiber Ukrenerho erklärte, dass solche
Zwangsmaßnahmen mit dem Tempo der Reparatur der zerstörten Infrastruktur
zusammenhängen. „Wir reparieren, aber die Russen zerstören wieder. Unsere
Partner liefern Luftabwehrsysteme, die die Effektivität der Angriffe
verringern und uns Zeit geben, mehr zu reparieren. Das ist der Wettbewerb,
in dem wir leben“, sagt Oleksandr Kharchenko, Direktor des
Energieforschungszentrums.
Experten gehen davon aus, dass solche Stromausfälle in der Ukraine den
ganzen Sommer über andauern können und die Ukrainer*innen mindestens für
die nächsten Jahre mit Defiziten im Stromnetz leben müssen.
Trotz all dieser Herausforderungen ist die große Mehrheit der
Ukrainer*innen nach wie vor davon überzeugt, dass keine Verhandlungen
mit dem Kreml das Ende des Krieges und den Abzug der russischen Truppen aus
der Ukraine näherbringen werden. Die russischen Angriffe vom Boden, vom
Wasser und aus der Luft bestätigen diese Überzeugung. Die Wiederaufnahme
von Verbrechen durch russische Truppen wird bereits von den Menschen
bestätigt, [7][denen die Flucht aus den wiederbesetzten Gebieten im Norden
der Region Charkiw gelungen ist].
17 May 2024
## LINKS
[1] /Kaempfe-in-der-Region-Charkiw/!6007317
[2] /Russischer-Vormarsch-auf-Wowtschansk/!6009860
[3] /Neue-Kriegsfuehrung-in-der-Ukraine/!6007853
[4] /Neue-russische-Offensive-in-der-Ukraine/!6007307
[5] /Aussenminister-Blinken-in-der-Ukraine/!6007649
[6] /Russen-greifen-ukrainische-Kraftwerke-an/!6006986
[7] /Russischer-Vormarsch-auf-Region-Charkiw/!6007318
## AUTOREN
Anastasia Magasowa
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