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# taz.de -- Imageproblem bei Fahrrädern: Reich und sexy ohne Lenkrad
> Fahren auf zwei Rädern ist zwar der Sonnenaufgang der Mobilität, aber
> Pick-up-Fahrer müssen das noch lernen. Alles nur ein Imageproblem.
Bild: Echte Cowboys reiten auf Drahteseln!
Letzte Woche habe ich einen Cowboy gesehen. Er saß in einem riesigen
Pick-up, sein Ellbogen lehnte lässig im Rahmen der heruntergelassenen
Scheibe. Rings um ihn herum tobten wilde Büffel, ein Lagerfeuer brannte und
aus einiger Entfernung hörte ich Kojoten heulen. Also fast.
Eigentlich tobte rings um den Pick-up Berliner Stadtverkehr. Wir trafen uns
nämlich in einer [1][Fahrradstraße]. Der Pick-up nahm den gesamten
entgegenkommenden Fahrstreifen ein plus drei Viertel des Weges in meiner
Richtung. Ich passte knapp zwischen Cowboy-Koloss und parkenden Pkws
hindurch und fühlte mich an eine alte Werbung erinnert.
Da war ein Kleinwagen an felsigen Berganstiegen gescheitert und hatte sich
in Dünen festgefahren. Der Slogan: So gut im Gelände wie ein Geländewagen
in der Stadt. Der Cowboy-Darsteller indes machte sich die Stadt zum
Gelände: Mit ausdruckslosem Gesicht hinter großer Sonnenbrille formulierte
er sein Gesetz der Masse: Fahrradstraße hin oder her. Wo ich bin, können
keine zwanzig Fahrräder sein. Punkt.
Zum Glück war ich gerade tiefenentspannt. Teil meines Jobs ist Rad fahren:
Jede Woche bekomme ich ein neues Rad, fahre damit herum und mache schöne
Fotos. Beim Cowboytreffen saß ich gerade auf einem sehr gemütlichen
E-Trekking-Bike mit Tiefeinstieg. E-Biken ist die gemütliche Oma des
Radfahrens. Und auf Rädern mit Tiefeinstieg fühlt man sich überhaupt wie
Queen Mom bei der Parade.
## All diese bislang nicht erzählten Radwerbeclips
Eine Stunde später machte ich mich auf den Rückweg – per Rennrad. Die
Pole-Position an jeder Ampel war meine, die Füße berührten nie den Boden,
und die nächste Lücke zum Überholen konnte ich schon riechen, bevor sie
sich auftat. Ich war schon acht Minuten schneller als mit dem E-Bike und
duschreif, als ich wieder in obige Fahrradstraße einfuhr. Und plötzlich
sah, was dem Rad an sich fehlt: Image!
Ein Paar bog direkt vor mir ein. Er mit am Oberarm leicht spannendem Shirt
und einem Gesicht wie ein gutes Gespräch. Sie mit lang flirrendem Haar und
sich im Wind bauschenden Rock. Sie hielten sich bei der Hand und radelten
dem blutroten Sonnenuntergang entgegen.
Vielleicht radelten sie auch der 4. Etage im 2. Hinterhaus ohne Fahrstuhl
entgegen, aber egal: Plötzlich sah ich all diese bislang nicht erzählten
Radwerbeclips: Eine Bürotür wird per Hacken zugestoßen, draußen wartet das
glänzende Bike, ein markantes Kinn spiegelt den Entschluss zur Lebensfreude
wider. Oder: Die mondän-kühle Frau in der Cocktailbar, der schöne Mann
gegenüber, sie schreitet hinaus zu ihrem Bike, ihrer Freiheit, ihrer
Selbstbestimmung.
Der Versuch, [2][sichere Wege für Radfahrer] einzuführen, nur weil
Radfahren gesund, umweltfreundlich und gesellschaftsverträglich ist, hat
nicht geklappt. Also ist Zeit für Neues à la: Rad fahren ist der
Sonnenaufgang der Mobilität. Rad fahren ist reich und vor allem sexy. Echte
Cowboys brauchen kein Lenkrad. Echte Cowboys haben Sättel unterm
trainierten Gluteus maximus. Und wer keine Lust auf Cowboy hat, der kann
auch Queen Mum spielen. Fahrrad: Freiheit!
17 May 2024
## LINKS
[1] /Fahrradpolitik-im-neuen-Jahr/!5986539
[2] /Verantwortung-im-Strassenverkehr/!5973509
## AUTOREN
Kerstin Finkelstein
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