Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Protestbewegung in Iran: „Sie wollten die Familie brechen“
> In Iran wurde vor einem Jahr der 30-jährige Majid Kazemi hingerichtet.
> Sein Cousin in Deutschland erzählt, was danach passierte.
Bild: Cousin des Hingerichteten: Amir Kazemi
In Iran sind mindestens neun Personen im Zusammenhang mit der
[1][Protestbewegung] hingerichtet worden, die 2022 ihren Anfang nahm. Einer
war der 30-jährige [2][Majid Kazemi], der im Mai vor einem Jahr erhängt
wurde. Sein Cousin Amir Kazemi hatte sich damals von Deutschland aus für
seine Freilassung eingesetzt.
taz: Herr Kazemi, Ihr Cousin wurde vor einem Jahr im Zuge der sogenannten
„Frau, Leben Freiheit“-Bewegung hingerichtet. Wie ist es Ihnen seither
ergangen?
Amir Kazemi: Am Anfang war ich sehr depressiv, konnte nicht mehr am Leben
teilhaben, nicht mal mehr rausgehen. Ich hatte meinen Cousin verloren, für
den ich so sehr gekämpft hatte. Aber dann habe ich mir Stück für Stück eine
gewissen Lebensroutine zurückerobert.
Wie haben Sie damals von der Hinrichtung erfahren?
Es war frühmorgens um sieben, als mein anderer Cousin mich weinend anrief
und sagte: „Es ist geschehen, was nicht geschehen sollte.“ Ich war
schockiert, wir konnten es nicht glauben. Wir hatten doch so gekämpft, so
viele Menschen hatten sich eingesetzt. Ich bin immer noch so voller Wut,
dass ich auch jetzt noch weiterkämpfe.
Wie ging es danach für Ihre Familie in Iran weiter?
Majids Familie stand fürchterlich unter Druck. Die Islamische Republik
hatte ihr Kind ermordet. Majids Bruder bekam dann einen Anruf, er solle die
Leiche abholen kommen. Während der Beerdigung kamen [3][Basidschis (Miliz
der Revolutionsgarden im Inland; Anm. d. Red.)]. Sie lachten die Familie
aus, zertraten sogar die Blumen. Was sind das für Menschen? Sie töten
unseren Angehörigen und selbst dann kennen sie keine Gnade. Auch Majids
Brüder, Hossein und Mehdi, wurden zwischenzeitlich verhaftet. Beide kamen
später auf Kaution frei, aber das Regime drohte, sie wieder zu verhaften.
Sie wollten die Familie brechen. Meinem Vater haben sie gesagt: „Denk
nicht, dass wir nicht an deinen Sohn kommen, nur weil er im Ausland ist.“
Es gibt immer noch viel Druck auf die Familie, aber ich habe in Deutschland
weitergemacht, war im Bundestag, auf Demos.
Was motiviert Sie?
Ich denke immer nur: Wenn ich schweige, wenn alle schweigen, wann wird Iran
dann frei werden? Ich bin im Ausland, aber meine Freunde und Familie sind
in Iran. Ich kann doch nicht nicht für sie kämpfen! Freiheit ist das
Grundrecht eines jeden Menschen.
In sozialen Netzwerken berichteten Sie von Schwierigkeiten, einen Grabstein
für Ihren Cousin aufzustellen.
Darum kämpfen wir seit einem Jahr. Sie erlauben nicht, dass wir den
Grabstein als ein Andenken an Majid gestalten. Sie sagen, das Grab muss
komplett schlicht sein. Es darf weder ein Foto von Majid drauf sein, noch
sein genaues Geburts- und Todesdatum, nur Monat und Jahr. Wir dürfen nicht
einmal einen Vers oder eine Sure darauf schreiben. Doch diese Bedingungen
akzeptieren wir nicht. Ihr habt unser Kind getötet, dann lasst uns doch
wenigstens den Grabstein frei gestalten!
Was bezwecken die Behörden mit diesen Auflagen?
Sie wollen nicht, dass es eine Gedenkstätte gibt. Majid ist als
Widerstandskämpfer getötet worden. Die Islamische Republik möchte nicht,
dass ihrer gedacht wird. Ich bekomme immer noch Nachrichten von Menschen,
die das Grab besucht haben und berichten, dass noch immer Sicherheitskräfte
dort sind, der Friedhof jetzt per Kamera überwacht wird. Im ersten Monat
waren dort sogar täglich Sicherheitskräfte stationiert, die jedes Auto
anhielten und Personalien notierten. Majid ist eine Berühmtheit geworden.
19 May 2024
## LINKS
[1] /Proteste-in-Iran/!t5884344
[2] /Folter-gegen-Gefangene-in-Iran/!5971437
[3] /Irans-Repressionsapparat/!5898561
## AUTOREN
Daniela Sepehri
## TAGS
Schwerpunkt Iran
Proteste in Iran
Todesstrafe
GNS
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Iran
Proteste in Iran
Proteste in Iran
Proteste in Iran
Proteste in Iran
Schwerpunkt Iran
Proteste in Iran
Proteste in Iran
Proteste in Iran
## ARTIKEL ZUM THEMA
Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd: Hinrichtung sorgt für diplomatische Belastung
Jamshid Sharmahd saß seit 2020 in iranischer Haft und wurde trotz Warnungen
der Bundesregierung hingerichtet. Nun hat Deutschland den iranischen
Geschäftsträger einbestellt.
Erneute Hinrichtung in Iran: Im toten Winkel der Ablenkung
Das iranische Regime nutzt die außenpolitische Lage, um innenpolitisch hart
durchzugreifen. Wir sollten die Eingesperrten nicht vergessen.
Menschenrechtsverstöße im Iran: „Wahlen legitimieren Unterdrückung“
Seit 2022 ist der Aktivist Ahmadreza Haeri in Iran inhaftiert. Nun kämpft
er mit der Kampagne „Schwarze Dienstage“ gegen Hinrichtungen.
Nach Tod von Präsident Raisi: Trauerfeierlichkeiten beginnen
Nach dem Tod des iranischen Präsidenten Raisi sind Trauerfeierlichkeiten
angesetzt. Die Ermittlungen zu dem Hubschrauberunglück halten an.
Konfliktforscher Tareq Sydiq über Iran: „Ein Stresstest für das Regime“
Die iranischen Machthaber müssen nicht nur einen neuen Präsidenten finden,
erklärt der Konfliktforscher und Iran-Kenner Tareq Sydiq. Es geht um mehr.
Tod von Irans Präsident Raisi: Staatstrauer und Feuerwerk
Nach dem Tod des iranischen Präsidenten Raisi wird erneut die große
Spannung in dem islamischen Gottesstaat deutlich.
Iran im Nachrichtenüberblick: Kein Kurswechsel erwartet
Nach einem Hubschrauberabsturz wurde der iranische Präsident Raisi tot
aufgefunden. Aus großen Teilen der arabischen Welt folgen
Beileidsbekundungen.
Iranischer Präsident Ebrahim Raisi: Staatssender meldet Helikopterunfall
Im Nordwestiran soll ein Hubschrauber„hart gelandet“ sein, in dem sich
Raisi befunden haben soll. 40 Rettungsteams suchen nun bei starkem Nebel
nach der Besatzung.
Repression in Iran: Mit Glasflaschen vergewaltigt
Tausende Regimegegner sind 2023 in iranischen Gefängnissen gelandet. Die
Zustände dort sind fatal – und Vergewaltigungen ein Folterinstrument.
Folter gegen Gefangene in Iran: Gezielter Angriff auf die Psyche
In Iran sind Scheinhinrichtungen eine gängige Folter-Methode. Auch der
kurdische Rap-Musiker Saman Yasin musste diese Qualen erdulden.
Politische Gefangene im Iran: Bitte werdet zu unserer Stimme
Die Gefangene Sepideh Qolian appelliert an Abgeordnete aus Land, Bund und
EU. Sie sollen als "kollektive Stimme" für die politischen Gefangenen
sprechen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.