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# taz.de -- Konfliktforscher Tareq Sydiq über Iran: „Ein Stresstest für das…
> Die iranischen Machthaber müssen nicht nur einen neuen Präsidenten
> finden, erklärt der Konfliktforscher und Iran-Kenner Tareq Sydiq. Es geht
> um mehr.
Bild: Welcher Kopf kommt dazu? Teheraner Wandgemälde mit Oberstem Führer Kham…
taz: Herr Sydiq, was für eine Stellung hatte der verstorbene Präsident
Raisi in der Islamischen Republik?
Tareq Sydiq: Als Präsident war er die zweitmächtigste Person im Land,
zumindest auf dem Papier. Er war ein sehr wichtiger Akteur im politischen
Tagesgeschäft. Allerdings wurde das Präsidentenamt in den letzten Jahren
immer weiter ausgehöhlt, dem Präsidenten wurden Kompetenzen genommen. Raisi
selbst war in erster Linie als Loyalist gegenüber Ali Khamenei in dieses
Amt gehievt worden, als enger Vertrauter des Obersten Revolutionsführers.
Vor allem wegen seiner Nähe zu Khamenei war er eine relevante Figur.
Er war als Präsident also kein Gegenpol zu Khamenei, der zweifelsohne
mächtigsten Figur im Staat?
Auf keinen Fall. Schon 2017 war Raisi der Wunschkandidat. Damals
kandidierte er zum ersten Mal, verlor aber gegen den Reformer Hassan
Rohani. In der Wahl 2021 wurden dann signifikante Gegenkandidaten nicht
zugelassen. Raisi sollte die Position des Obersten Religionsführers
unterstützen und stärken.
Raisi war auch als möglicher Nachfolger des 85-jährigen Khamenei gehandelt
worden. Die Frage, wer ihm als Oberster Revolutionsführer und
Staatsoberhaupt folgt, wird immer dringlicher.
Raisi war eine von mehreren Personen, deren Namen im Gespräch waren. Für
mich stellt sich aber weniger die Frage, ob er selbst als Kandidat infrage
gekommen wäre. Wichtiger wäre Raisis Rolle gewesen, die er in der
Übergangsordnung gespielt hätte. Er wurde in das Präsidentenamt gehievt und
hätte im Falle von Khameneis Tod eine zentrale Rolle im sogenannten
Expertenrat eingenommen. Somit hätte er den Übergabeprozess mit angeleitet.
Dass Raisi jetzt fehlt, ist eine Herausforderung für das Regime. Man
braucht jetzt eine Figur, die eine ähnliche integrative Rolle einnehmen
kann und länger leben wird als Khamenei.
Ist es wirklich so schwierig, Ersatz zu finden?
Im Iran hat man die letzten Jahre immer mehr darauf gesetzt, mit weniger
Personal innerhalb der Eliten zu operieren, man hat weniger Personen
aufsteigen lassen. Denn je weniger Personen im inneren Kreis, desto
geringer ist das Risiko, dass es zu Konflikten innerhalb des inneren
Zirkels kommt. Raisis Tod zeigt, was für Risiken mit dieser Strategie
verbunden sind.
Steht hinter der Verengung des Personenkreises der Versuch der
Herrschaftssicherung in unruhigen Zeiten?
Genau, es ist eine Strategie, mit der auf die Übergangsphase im Falle von
Khameneis Tod hingearbeitet wird. Die Macht ist konsolidiert worden,
einige wenige Schlüsselpersonen wurden aufgebaut. Raisis Tod stellt diese
Strategie zwar nicht infrage, aber dass jetzt Teile dieses bereits
reduzierten Zirkels ausfallen, ist ein Stresstest für das Regime.
Voraussichtlich wird nun innerhalb von 50 Tagen – in unfreien Wahlen – ein
neuer Präsident bestimmt. Was heißt das, dass nach der [1][Parlamentswahl
im März] nun schon wieder abgestimmt wird?
Ich kann mir kaum vorstellen, wie innerhalb so kurzer Zeit Wahlen
organisiert werden sollen. Bei der Parlamentswahl war die Wahlbeteiligung
bereits extrem niedrig. Diesmal wird es kaum Zeit geben für einen
Wahlkampf, der sie erhöhen könnte. Es gibt im Iran einen langen Prozess der
Nominierung und der Auswahl von Kandidaten durch den Wächterrat. Die
Kandidaten müssen erst mal zugelassen werden. Das alles in 50 Tagen
unterzubringen, erscheint mir schwierig. Ich rechne daher mit einer
abgespeckten Wahl. Wahrscheinlich wird der Nominierungsprozess
beschleunigt, sodass von vornherein nur sehr wenige Kandidaten zugelassen
werden. Schon in den letzten Jahren wurden immer weniger Kandidaten
zugelassen, wurde immer weniger Wahlkampf betrieben. Das wird ein eher
formaler Akt.
Was etwas untergeht, ist, dass auch Außenminister Hossein Amirabdollahian
ums Leben gekommen ist. Wer war das?
Amirabdollahian war ein sehr konservativer Außenminister, der viel
Erfahrung hatte. Außerdem war er extrem loyal gegenüber Khamenei und den
Revolutionsgarden und hat eine sehr offensive Außenpolitik gegenüber dem
Westen verfolgt. Auch in seinem Fall wird es nicht leicht, einen Ersatz zu
finden, der beides in sich vereint.
Im April hat das iranische Regime erstmals in der Geschichte Israel
angegriffen. [2][Israel reagierte auf den Raketen- und Drohnengroßangriff
sehr zurückhaltend], mit einem begrenzten Gegenschlag. Halten Sie es für
ausgeschlossen, dass der Helikopterabsturz eine Vergeltungsaktion war?
Israelische Sabotageakte im Iran hat es ja durchaus schon gegeben.
Die bisherige Kommunikation aus dem Iran lässt darauf schließen, dass es
ein Unfall war. Wenn es Hinweise auf Sabotage gäbe, wäre das vonseiten
Irans vermutlich kommuniziert worden. Das würde ja in das klassische
Narrativ passen, dass man von außen angegriffen wird. Zudem hat es ja
Vertreter der zivilen Administration getroffen. Raisis und Amirabdollahians
Tod wird die iranische Politik nicht verändern. Die
militärisch-strategische Außenpolitik wird im Wesentlichen von den
[3][Revolutionsgarden] gestaltet. Um das Regime signifikant zu schwächen
oder Einfluss zu nehmen auf die Sicherheits- und Außenpolitik, wäre das
kein naheliegendes Ziel.
20 May 2024
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-im-Iran/!5995704
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[3] /Kontakte-deutscher-Unis-mit-Iran/!5968364
## AUTOREN
Jannis Hagmann
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