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# taz.de -- Freistellung für Partner*in nach Geburt: Vater klagt Familienstart…
> Ein Vater zieht gegen die Bundesregierung vor Gericht, weil sie ihr
> Koalitionsversprechen nicht umsetzt: Freistellung der Partner*in nach
> der Geburt.
Bild: Papa, wann geht's los?
Berlin taz | Unter der Überschrift „Zeit für Familie“ hatte die Ampel im
Koalitionsvertrag die sogenannte Familienstartzeit angekündigt: „Wir werden
eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner
nach der Geburt eines Kindes einführen“, heißt es auf Seite 79 des
Vertrags. Im April 2023 hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne)
dann auch einen Gesetzentwurf vorgelegt. [1][Doch seitdem kommt nichts
voran].
Nun hat ein Vater die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz
verklagt. „Ich sehe meine Rechte verletzt und bin der Meinung, dass die
Politik nicht schnell genug handelt“, sagt Peter Berghoff*. Für sein
zweites Kind wollte sich der 38-Jährige zwei Wochen bezahlt frei nehmen.
[2][Doch seine Vorgesetzte lehnte ab.] Um nach der Geburt bei seiner
Familie sein zu können, musste Berghoff Erholungsurlaub beantragen.
Hintergrund der Klage ist eine Vereinbarkeitsrichtlinie der Europäischen
Union. Nach der wäre Deutschland bis August 2022 verpflichtet gewesen, die
bezahlte Freistellung der Partner*in nach der Geburt umzusetzen. Bereits
im September 2022 leitete die EU-Kommission deshalb ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Berghoff, der als
Banker arbeitet, nahm also Kontakt zur Anwältin Sandra Runge auf. Die
betrachtet die Untätigkeit der Bundesregierung ebenso wie die Kommission
als Verstoß gegen EU-Recht. Sie reichte Klage vor dem Landgericht Berlin
ein.
## Familienstartzeit ein Rechtsanspruch
„Viele Väter wünschen sich nach der Geburt ihres Kindes einen bezahlten
Schutz- und Schonraum, auf den ein automatischer gesetzlicher Anspruch
besteht“, sagt Runge. Aufgrund der EU-Richtlinie sei die Familienstartzeit
keineswegs ein „freiwilliger Akt, sondern ein Rechtsanspruch.“ Runge
prophezeit: Wenn die Regierung sich nicht einig werde, wer die Freistellung
zu bezahlen hat, werde dies eben zulasten des gesamten Bundeshaushalts
gehen.
Am Streit um die Finanzierung nämlich liegt es, dass das Vorhaben der Ampel
auf Eis liegt. Geht es nach Lisa Paus, sollen die Kosten für die
zweiwöchige Freistellung nicht primär vom Arbeitgeber getragen werden. Sie
schlägt ein umlagefinanziertes Modell vor, für das das gleiche Verfahren
zum Einsatz kommen soll, das bisher schon bei Mutterschutzleistungen
angewendet wird: Der Arbeitgeber zahlt die Umlage und bekommt die Bezüge
von der Krankenkasse erstattet. Die FDP hingegen will Steuermittel
einsetzen, um die Arbeitgeber umfassender zu entlasten.
Argumentiert wird in der Klage damit, dass Berghoff ein finanzieller
Schaden durch die Untätigkeit der Bundesregierung entstanden sei. Laut der
EU-Richtlinie müsse die Zeit der Freistellung der Partner*in mit vollem
Lohn vergütet werden. Deshalb, so Berghoff, habe er auch nicht einfach
Elternzeit nehmen können: Zum einen müssen die sechs Wochen vorab
angemeldet werden, was bei Geburten nicht möglich sei. Zweitens gehe es bei
der Elternzeit um Zeiträume ab vier Wochen, nicht um zwei. Und drittens
falle das Elterngeld eben deutlich geringer aus, als es bei der
Familienstartzeit planmäßig sein müsste.
Berghoff leuchtet nicht ein, dass die Ampelregierung das Vorhaben
verschleppt. Wer es mit Gleichstellung ernst meine, müsse an Stellschrauben
wie dieser drehen. „Ich wollte als Vater von Anfang an in die Care-Arbeit
einbezogen sein“, sagt Berghoff. „Das bringt doch der Familie als Ganzes
etwas.“ Sollte seine Klage Erfolg haben, habe er persönlich zwar nur noch
monetären Nutzen davon. „Aber es wäre ein schönes Gefühl, wenn ich wüsst…
dass andere Väter künftig davon profitieren könnten.“
## Berghoffs Klage könnte Präzedenzfall werden
Ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums sagt, Berghoffs Klage sei dem
Haus zwar bekannt. Kommentieren aber werde man das Gerichtsverfahren nicht.
Paus’ Gesetzentwurf befinde sich weiter in der Ressortabstimmung. Wann sich
da etwas bewege, sei unklar.
Anwältin Runge ist derweil optimistisch, was die Klage betrifft. Zwar liegt
eine Erwiderung der Gegenseite noch nicht vor. Verfahren vor dem
Landgericht dauern im Schnitt zwischen neun und zwölf Monaten, manchmal
auch länger. Aber „wir schätzen unsere Chancen als sehr gut ein. Und wir
hoffen, dass das Urteil Signalwirkung hat“, sagt sie.
Denn sollte Berghoff zum Präzedenzfall werden, komme für viele Väter, deren
Kinder nach August 2022 geboren wurden, ein Schadensersatzsanspruch in
Betracht. „Mit jeder Geburt, zu der die Familienstartzeit nicht umgesetzt
ist“, sagt Runge, „werden das mehr.“
Peter Berghoffs zweites Kind ist nun auf der Welt. Sein Arbeitgeber
gewährte ihm für die Zeit nach der Geburt spontan den Erholungsurlaub. „Die
beiden Wochen waren sehr anstrengend und sehr schön“, sagt er. Demnächst
steht nun noch die Elternzeit an.
*Name geändert
16 May 2024
## LINKS
[1] /Ungerechtigkeit-in-der-Elternschaft/!6006168
[2] /Diskriminierung-im-oeffentlichen-Dienst/!6003575
## AUTOREN
Patricia Hecht
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