# taz.de -- Grundwerte der Europäischen Union: Die EU als militärisches Proje… | |
> Bei der Frage nach der „europäischen Idee“ geht es oft um eine geteilte | |
> Wirtschaftszone. Im Mittelpunkt standen allerdings kriegerische | |
> Überlegungen. | |
Bild: Suez Krise 1956 – Franzöische Fallschirmjäger in Port Said | |
Rückblickend erscheint es wie selbstverständlich, dass sich die Europäer | |
zusammenschließen mussten. Am 9. Juni steht die [1][Wahl zum EU-Parlament] | |
an, und allerorten wird die „europäische Idee“ beschworen. Doch tatsächli… | |
hat die heutige EU bescheiden angefangen – und zwar zunächst als Antwort | |
auf ein militärisches Problem. Die Franzosen brauchten neue Bündnispartner. | |
Diese Erkenntnis kam ziemlich plötzlich – durch die [2][Suez-Krise 1956]. | |
Dieser Konflikt ist schon deshalb bemerkenswert, weil eine militärische | |
Auseinandersetzung mit rein ökonomischen Mitteln entschieden und beendet | |
wurde. Die Krise begann im Juli, als der ägyptische Machthaber Gamal Abdel | |
Nasser den Suezkanal verstaatlichte, der bis dahin mehrheitlich britischen | |
und französischen Aktionären gehört hatte. | |
Im Herbst folgte der Gegenschlag, die „Operation Musketeer“. Gemeinsam mit | |
Israel besiegten Briten und Franzosen die Ägypter innerhalb weniger Tage, | |
waren aber dennoch die politischen Verlierer. Die Welt und auch die USA | |
lehnten dieses koloniale Abenteuer ab, und zur Strafe begann die | |
US-Regierung, ihre britischen Anleihen abzustoßen, um das Pfund zu | |
schwächen. Der Kursverfall wirkte sofort: Die Briten zogen lieber ihre | |
Armee aus Ägypten ab, als eine Währungskrise zu riskieren. | |
Frankreich wiederum fühlte sich von den USA und vor allem von den Briten | |
verraten, die die Suez-Zone geräumt hatten, ohne Paris zu informieren. | |
Ihnen wurde deutlich, dass sie sich auf ihre alten Alliierten nicht mehr | |
verlassen konnten und neue Bündnispartner brauchten. Ab 1957 begannen sie | |
daher, zielstrebig über eine [3][„Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ | |
(EWG)] zu verhandeln. CDU-Kanzler Adenauer machte gern mit – ebenfalls aus | |
politischem Kalkül. Er lebte in ständiger Sorge, dass sich die USA und die | |
Sowjetunion auf Kosten Deutschlands einigen könnten. | |
## Der europäische Geist | |
Der „Gemeinsame Markt“ war ein seltsames Konstrukt: Er ist aus politischen | |
Gründen entstanden, verfolgte aber ökonomische Ziele. Diese verwirrte und | |
verwirrende Entstehungsgeschichte erklärt, warum die europäische | |
Integration bis heute als „Friedensprojekt“ durchgeht, obwohl sich das | |
Alltagsgeschäft um endlose Waren-Normierungen und technische Vorschriften | |
dreht. | |
Am 25. März 1957 wurden die Verträge in Rom feierlich unterzeichnet, doch | |
ein europäischer Geist wehte nirgends. Die meisten Bürger interessierten | |
sich nicht für die neue Gemeinschaft. Die Westdeutschen waren noch immer | |
mit dem Wiederaufbau beschäftigt, und die Aufmerksamkeit der Franzosen war | |
vom Unabhängigkeitskrieg in ihrer Kolonie Algerien absorbiert. | |
Trotzdem war der Gemeinsame Markt überaus erfolgreich und übertraf alle | |
Erwartungen, denn der Austausch zwischen den anfänglich sechs | |
EWG-Mitgliedern Frankreich, BRD, Italien, Niederlande, Belgien und | |
Luxemburg explodierte geradezu. 1957 flossen rund 27 Prozent der | |
westdeutschen Exporte in die anderen EWG-Staaten, 1971 waren es schon 40 | |
Prozent. | |
## Massenproduktion | |
Der Gemeinsame Markt bot eben den Vorteil, dass die Binnenzölle sukzessive | |
abgeschafft wurden und es nur noch einen einheitlichen Außenzoll gab. | |
Exporte in die anderen EWG-Länder wurden einfacher, sodass sich die | |
Massenproduktion lohnte. Das Grundprinzip ist schnell erklärt: Für vier | |
Autos rentiert sich kein Fließband, aber bei 10.000 Autos sind die | |
Maschinen nicht nur profitabel, sondern machen jedes einzelne Auto | |
günstiger. | |
Dieser ökonomischen Logik kann sich niemand entziehen – und deswegen ist | |
die EU so stabil. | |
26 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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