# taz.de -- Bogensee-Areal in Brandenburg: Nazis, FDJ – und nun Bundespolizei? | |
> Nichts als Kosten: Berlin will das Gelände am Bogensee loswerden. Nach | |
> großer Aufregung um Abrisspläne gibt es jetzt neue Ideen für eine | |
> Nutzung. | |
Bild: Abriss oder Nachnutzung: Die Gebäude am Bogensee verfallen seit dem Jahr… | |
BERLIN taz | Es tut sich was in der Diskussion um die vor sich hin | |
verfallenden Gebäude am Bogensee: Das Land Berlin, dem das historische | |
Gelände im brandenburgischen Landkreis Barnim gehört, will sich einer | |
weiteren Entwicklung des Areals nicht mehr verschließen. | |
Im Gespräch ist offenbar die vorübergehende Nutzung als Übungsgelände durch | |
die Bundespolizei. Außerdem soll sich die Gemeinde Wandlitz, auf deren | |
Gebiet der Bogensee liegt, für eine darüber hinausgehende Entwicklung des | |
Areals um Gelder des Bundes aus dem Förderprogramm „Nationale Projekte des | |
Städtebaus“ bewerben können. | |
Der Bogensee nördlich von Berlin ist sicher einer der verwunschensten Seen | |
Brandenburgs. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg kamen See und Waldgebiete in | |
Besitz der Berliner Forsten. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels | |
[1][baute später hier seinen luxuriösen Landsitz]. | |
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Gelände zunächst an die Rote Armee, | |
dann an die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die am Bogensee eine | |
Jugendhochschule errichtete. Der Potsdamer Historiker Jürgen Danyel nannte | |
die daraufhin massiv ausgebaute Anlage einmal „die zweite Stalinallee | |
mitten im Brandenburger Wald“. In den 1990er Jahren wurden die Gebäude erst | |
noch für Bildungsprojekte genutzt, [2][seit dem Jahr 2000 stehen sie indes | |
leer und gammeln vor sich hin]. | |
## Vergleichsweise günstigste Option: Abriss | |
Unterhalten wird die Berliner Exklave in Brandenburg von der landeseigenen | |
Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Und für die BIM besteht Bogensee | |
vor allem aus Problemen – und Zahlen: 250.000 Euro kostet die jährliche | |
Bewirtschaftung. Alle paar Jahre prüft der Brandenburger Denkmalschutz die | |
Anlagen und fordert Sicherungsarbeiten an der historischen Bausubstanz, was | |
in Summe auch schon mit vier bis fünf Millionen Euro zu Buche geschlagen | |
ist. | |
350 Millionen würde eine Instandsetzung der vielen Gebäude kosten, | |
inklusive der Wiederherstellung von Elektroanschlüssen. Mit 45 Millionen | |
Euro vergleichsweise günstig käme das Land weg bei einem Abriss des | |
kompletten Ensembles. | |
Genau das hat Berlin dann auch zuletzt favorisiert: Komplettabriss mit | |
anschließender Aufforstung. Das Land hatte in den vergangenen Jahren immer | |
wieder Konzepte von Unternehmen abgelehnt, die das Areal entwickeln | |
wollten, etwa als Bildungs- oder Gesundheitsstandort. Nichts davon schien | |
wirtschaftlich tragfähig. | |
Gleichzeitig war klar, dass das Areal nicht an private Investoren verkauft | |
werden sollte, um zu verhindern, dass die einstige Goebbels-Villa nebst den | |
anderen Gebäuden zu einem Wallfahrtsort für Neonazis wird. | |
## Gemeinde Wandlitz bekommt letzte Chance | |
Nun heißt es von der BIM, der Aufsichtsrat habe am vergangenen Freitag | |
beschlossen, der Gemeinde Wandlitz eine letzte Chance zur Entwicklung des | |
Areals einzuräumen. Denn nicht zuletzt hier waren die Berliner Abrisspläne | |
auf heftigen Widerstand gestoßen. | |
Die Gemeinde und der Landkreis Barnim, aber auch die Deutsche Stiftung | |
Denkmalschutz hatten [3][ein Abrissmoratorium und letztlich die Erhaltung | |
der „unbedingt schützenswerten“ Gebäude als Lern- und Begegnungsort | |
gefordert]. Gerade in einer Zeit zunehmender Bedrohung der Demokratie | |
müssten die Häuser am Bogensee als „wichtige Zeitzeugen deutscher | |
Geschichte“ erfahrbar bleiben, so die Stiftung. | |
Doch Abriss und Aufforstung sind mit der Entscheidung des Aufsichtsrats von | |
Freitag keineswegs endgültig vom Tisch, betont eine Sprecherin der BIM | |
gegenüber der taz: „Sollte keine wirtschaftlich tragfähige Perspektive für | |
das Areal gefunden werden, wurde gleichzeitig beschlossen, dass die BIM | |
mögliche Schritte zur Umwandlung des Areals Bogensee in eine | |
Aufforstungsfläche prüfen und vorbereiten soll.“ In diesem Kontext werde | |
die BIM für den Berliner Doppelhaushalt 2026/2027 dann „Mittel für den | |
Rückbau und für die Renaturierung anmelden“. | |
Der Aufsichtsrat will allerdings auch auf den Bund zugehen, um Bogensee | |
einer Bundeseinrichtung als Zwischennutzung anzubieten – eben der | |
Bundespolizei, wie es heißt. Die könnte drei Jahre lang vor Ort Übungen | |
abhalten und dafür die Hunderttausenden Euro an laufenden Kosten | |
übernehmen. | |
Einem Bericht des Tagesspiegels zufolge soll sich die Bundespolizei auch | |
vorstellen können, das Areal dauerhaft für ihre Trainings zu nutzen. Das | |
könne aber den Zustand der Gebäude weiter verschlechtern. | |
23 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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