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# taz.de -- EU-Gipfel in Brüssel: Neuer Streit statt Lösungen
> Die EU-Regierungschefs streiten über Wege aus Europas Wirtschaftsmisere.
> Vom Aufbauprogramm bis zur Reform der Finanzmärkte reichen ihre
> Vorschläge.
Bild: Der EU-Sonderbeauftragte Enrico Letta mit dem Präsidenten des Europäisc…
Brüssel taz | Es ist eine bittere Einsicht: Europa fällt wirtschaftlich
immer weiter hinter die USA [1][und China zurück], viele Firmen etwa aus
der Wind- und Solarbranche sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Bei einem
Sondergipfel in Brüssel haben die 27 EU-Staats- und Regierungschefs am
Donnerstag nach möglichen Antworten gesucht. Doch statt Lösungen gab es
Streit.
Den ersten Aufschlag machte der frühere italienische Ministerpräsident
Enrico Letta. „Wir laufen Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Es gilt,
keine Zeit zu verlieren“, warnte Letta, der einen Bericht zur Krise des
europäischen Binnenmarkts angefertigt hatte. Demnach wuchs die
Wirtschaftsleistung in den USA zwischen 1993 und 2022 um fast 60 Prozent,
in der EU lag der Wert nur bei unter 30 Prozent.
Die schwache Leistung liege daran, dass die EU einem veralteten
Wirtschaftsmodell folge, erklärte ein weiterer italienischer Experte, der
frühere Zentralbank-Chef Mario Draghi. Europa trete auf der Stelle, „weil
unsere Organisation, Entscheidungsfindung und Finanzierung für die ‚Welt
von gestern‘ designed sind“, so Draghi.
Hart ging Draghi mit der Politik während der Eurokrise vor zehn Jahren ins
Gericht. „Wir haben bewusst versucht, die Lohnkosten im Vergleich
zueinander zu senken – und in Kombination mit einer prozyklischen
Fiskalpolitik hat das unter dem Strich nur dazu geführt, dass unsere eigene
Binnennachfrage geschwächt und unser Sozialmodell untergraben wurde“.
## Draghi empfiehlt sich für neue Ämter
Für diese Politik, die der EU jahrelang schwaches Wachstum bescherte, war
Draghi allerdings selbst mit verantwortlich. Dass er sie nun infrage
stellt, werten viele Beobachter in Brüssel als Versuch, sich nicht nur rein
zu waschen, sondern auch für neue Ämter zu empfehlen. Im Herbst wird ein
neuer ständiger Ratsvorsitzender gebraucht – Draghis Namen wurde am Rande
des EU-Gipfels immer wieder genannt.
Im Mittelpunkt der Beratungen stand aber die Frage, wie die EU künftig im
Wettbewerb mit den USA [2][und China bestehen könne]. Draghi fordert ein
neues schuldenfinanziertes Aufbauprogramm – doch das stößt vor allem in
Deutschland auf Ablehnung. Letta sprach sich für eine Stärkung des
europäischen Kapitalmarkts aus.
Das Ziel wäre eine „Kapitalmarktunion“, die ähnlich wie in den USA Geld f…
Start-Ups und andere innovative Firmen einsammeln soll. Außerdem soll der
Finanzmarkt reformiert werden, so Letta. Bislang gelten in den 27
EU-Ländern unterschiedliche Regeln für die Besteuerung und das
Insolvenzrecht von Unternehmen. Grenzüberschreitende Investitionen werden
dadurch unnötig erschwert.
Allerdings fürchten kleinere EU-Staaten wie Irland oder Luxemburg, [3][die
mit Niedrigsteuern erfolgreich viel Kapital anziehen], Nachteile durch eine
solche Reform. Umstritten ist auch, Europas Finanzmärkte zentral von der
europäischen Aufsichtsbehörde ESMA mit Sitz in Paris überwachen zu lassen,
wie Frankreich es vorschlägt.
Beim Gipfel in Brüssel wurde daher noch keine Lösung erwartet. Die EU sei
„entschlossen, ihre strategische Souveränität zu stärken und entschlossen
zu handeln, um ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit, ihren Wohlstand und
ihre Führungsrolle auf der Weltbühne zu sichern“, hieß es vage im Entwurf
für die Abschlusserklärung.
18 Apr 2024
## LINKS
[1] /Milliardensubventionen-aus-China/!6000652
[2] /Dumping-bedroht-Solar-Branche/!5999279
[3] /Marktmacht-der-Internetkonzerne/!5997686
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
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