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# taz.de -- Abgebrochener Palästina-Kongress: Die halbierte Staatsräson
> Der Eifer gegen pro-palästinensische Stimmen geht zu weit. Dieser
> autoritäre Kurs ist auch für andere gefährlich.
Bild: Demo nach Abbruch des Palästina-Kongresses in Berlin
Der Schutz jüdischen Lebens gehört in Deutschland zur Staatsräson. Aber
gilt dieser Schutz auch für Jüdinnen und Juden, die der israelischen
Politik gegenüber kritischer eingestellt sind, als es die Bundesregierung
ist? Daran sind Zweifel angebracht. [1][Die Ausladung der Philosophin Nancy
Fraeser], der Umgang mit Masha Gessen und Judith Butler [2][und die
Auflösung eines „Palästina-Kongresses“], der unter anderem von einer
kleinen jüdischen Gruppe organisiert wurde – all das zeigt, was die
Sonntagsreden über den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland wert sind,
wenn es um den Schulterschluss mit Israel und dessen in Teilen
rechtsextremer Regierung geht: die andere Seite der Staatsräson.
Es gab in Deutschland schon immer ein Ressentiment gegen „liberale
US-Intellektuelle“. Es scheint, als habe dieses Ressentiment ausgerechnet
im Namen des Kampfs gegen den Antisemitismus einen neuen Ausdruck gefunden.
Nur so lässt sich der Eifer verstehen, mit dem zusammen mit dem Vorwurf
einer mangelnden Identifikation mit dem israelischen Staat gleich ganze
Denkschulen abgekanzelt werden.
Aber der deutsche McCarthyismus richtet sich gegen alle, die nicht die
deutsche Staatsräson zu Israel teilen. Da werden nicht nur Anstandsregeln
missachtet und Gesetze verschärft, sondern die Grenzen des Rechtsstaats
berührt, wenn offenbar willkürlich Einreise-, Versammlungs- und
Betätigungsverbote verhängt werden, wie es jetzt beim polizeilich
verhinderten „Palästina-Kongress“ in Berlin geschehen ist. Ausgerechnet der
Antisemitismus-Beauftragte will dem linken Verein „Jüdische Stimme für
einen gerechten Frieden in Nahost“ nun sogar die Gemeinnützigkeit entziehen
lassen, weil er deren Palästina-Solidarität ablehnt.
## Es fehlen Rechtsstaats-Liberale
Dass konservative Medien diesem autoritären Kurs applaudieren, ist nicht
verwunderlich. Aber selbst liberale Medien wie Die Zeit nehmen ihn
schulterzuckend hin. In Politik und Medien fehlen Rechtstaats-Liberale
alten Schlages [3][wie der FDP-Politiker Gerhart Baum], der als
Innenminister sogar nach dem „deutschen Herbst“ von 1977 einen kühlen Kopf
behielt. Zur Erinnerung: Damals erschütterten Anschlagsserien und
Flugzeugentführungen das Land. Heute reichen ein paar pro-palästinensische
Demonstrationen oder fragwürdige Äußerungen über Israel, damit das halbe
Land in moralische Panik verfällt und die Politik überreagiert.
Manche begrüßen das harte Vorgehen, weil sie meinen, es träfe schon die
Richtigen. Andere behaupten, das sei alles ganz normal: Es gibt nichts zu
sehen, gehen Sie weiter! Doch wenn dieser autoritäre Kurs einreißt, wird er
sich bald auch gegen andere Gruppen richten, die der Regierung
widersprechen: Klimaschützer, Flüchtlingshelfer oder andere. Und diese
Regierung wird nicht immer eine Ampel-Regierung sein.
14 Apr 2024
## LINKS
[1] /Ausladung-von-Nancy-Fraser/!6001379
[2] /Palaestina-Kongress-in-Berlin/!6004217
[3] /Liberale-im-Regierungsalltag/!5859200
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Israel
Antisemitismus
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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