| # taz.de -- Internationale Kakao-Konferenz: Kakao ist so teuer wie noch nie | |
| > Nachhaltigkeit und Menschenrechte sind nicht umsonst. Die wichtigste | |
| > internationale Konferenz im Kakaogeschäft berät über faire Preise für | |
| > Schokolade. | |
| Bild: Eine Handvoll Unternehmen profitiert vom Geschäft mit der Schokolade | |
| Berlin taz | Die Kakaopreise an der Börse gehen durch die Decke. Sie sind | |
| so hoch wie noch nie. Zum Vergleich: In den letzten 20 Jahren lagen sie | |
| zwischen 1.500 und 4.000 US-Dollar pro Tonne. Heute wurde die gleiche Menge | |
| für 10.500 US-Dollar gehandelt. Bei einem Großteil der Bauern allerdings | |
| kommt davon nichts an. Die meisten von ihnen leben in Armut. | |
| Trotzdem konnten sich die wichtigsten Akteure entlang der Lieferkette zum | |
| Abschluss einer dreitägigen Kakao-Konferenz am Mittwoch in Brüssel nur auf | |
| eine unverbindliche Absichtserklärung einigen. Darin bekannten sie sich zum | |
| „klaren Ziel“ existenzsichernder Einkommen für Kakaobäuer*innen. | |
| Die Kakao-Konferenz ist das wichtigste Forum für Regierungsvertreter*innen, | |
| Unternehmen, Händler*innen, Vertreter von Bäuer*innen und | |
| Zivilgesellschaft. Dieses Jahr stand sie unter dem Motto „Mehr für | |
| nachhaltigen Kakao zahlen“. Doch wer am Ende mehr zahlt, ist noch offen. | |
| „Wir machen immer Verluste, weil die Kosten für den Anbau hoch sind und der | |
| Preis, den wir für den Kakao bekommen, niedrig ist“, sagte die Kakaobäuerin | |
| Leticia Yankey der taz. Yankey hat in Ghana eine Kooperative gegründet, der | |
| heute 600 Frauen angehören. In dem hochverschuldeten Land regelt die | |
| staatliche Behörde Cocobod den Export: Sie nimmt Kredite auf, um die Bauern | |
| und Bäuerinnen im voraus für die Ernten zu bezahlen, macht Verträge mit den | |
| Händlern. Die Regierung will damit die Preise stabilisieren, hat dann aber | |
| nichts von dem Höhenflug an der Börse. | |
| ## Klimawandel hat zu Ernteausfällen beigetragen | |
| Die Hauptursache des Preisanstiegs sind die starken Produktionsausfälle in | |
| den beiden größten Anbauländern Côte d’Ivoire und Ghana, die zusammen zwei | |
| Drittel aller Bohnen weltweit liefern. Dürrephasen und längere | |
| Regenperioden haben die Ernten zerstört und eine Pilzkrankheit begünstigt. | |
| Schuld daran ist auch der Klimawandel, der die Wetterereignisse verstärkt. | |
| Zugleich seien die Ernteverluste aber auch auf die Armut der Bauern | |
| zurückzuführen, sagt Evelyn Bahn, Referentin für nachhaltigen Kakao bei der | |
| NGO Inkota. Die Bauern hatten in den letzten drei Jahrzehnten kein Geld, | |
| in nachhaltigen Anbau zu investieren. „Die Böden sind von dem immer weiter | |
| wachsenden Einsatz von Pestiziden ausgelaugt“, sagt Bahn. „El Niño hat die | |
| Wetterkapriolen verstärkt, aber die Auswirkungen sind auch so stark, weil | |
| das Mikroklima so zerstört ist.“ | |
| Für den Kakaoanbau wurden auch [1][große Teile des Waldes in Westafrika | |
| gerodet]. Um nachhaltiger zu wirtschaften, brauche es Ressourcen, sagt | |
| Yankey. „Wir müssen die Felder rehabilitieren, wir müssen neue Setzlinge | |
| kaufen. Wir müssen Schattenbäume pflanzen, um unsere Kakaobäume vor der | |
| Hitze zu schützen.“ | |
| Von einer Tafel Schokolade, die hierzulande beispielsweise einen Euro | |
| kostet, [2][gehen etwa 6 Cent an die Bauern]. Um diesem Ungleichgewicht | |
| entgegenzusteuern, führten Ghana und Côte d’Ivoire 2019 einen Referenzpreis | |
| ein, den Living Income Differential (LID): Das ist eine Prämie von 400 | |
| US-Dollar für jede Tonne Kakao, die die niedrigen Weltmarktpreise | |
| ausgleichen sollte. Viele Firmen fanden jedoch Wege, wie sie die Preise an | |
| anderer Stelle drücken konnten – sie zahlen beispielsweise andere Prämien | |
| für Qualität nicht mehr. | |
| Viele Unternehmen verfolgen die Strategie, existenzsichernde Einkommen | |
| durch eine Steigerung der Produktion zu ermöglichen. Das macht für die | |
| Unternehmen auch Sinn, weil die Nachfrage steigt, der Konsum in Indien und | |
| China zunimmt. [3][Aus dem Monitoringbericht des Forums Nachhaltiger | |
| Kakao], das die Bundesregierung ins Leben gerufen hat, geht hervor, dass | |
| fast 80 Prozent der Mitglieder Projekte auflegten, die Bauern und | |
| Bäuerinnen halfen, ihre Produktivität zu steigern, während nur etwa die | |
| Hälfte Prämien zahlten. | |
| Unklarheit besteht aber auch darin, was genau ein existenzsicherndes | |
| Einkommen ist. Nimmt man [4][die Berechnungen von Fair Trade] dazu, wurde | |
| von den Mitgliedern des Forum Nachhaltiger Kakao rund 17,600 Tonnen nach | |
| Deutschland importierter Kakao aus Côte d’Ivoire fair bezahlt. Das | |
| entspräche laut Bericht etwa 7,8 Prozent des Importvolumen aus Côte | |
| d’Ivoire nach Deutschland. | |
| ## Anforderungen an Erzeuger*innen werden höher | |
| Das neue EU-Entwaldungsgesetz etwa, erklärt Yankey, erfordere die | |
| Kartierung des Landes und die Sammlung von Daten. Dazu habe man aber „weder | |
| die Ressourcen noch die Technologie“. | |
| Auch Zwangsarbeit und illegale Kinderarbeit rücken mit der neuen | |
| EU-Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in den Lieferketten noch stärker in den | |
| Fokus. Die wurde heute vom Europäischen Parlament beschlossen. Schon lange | |
| ist klar, dass diese Menschenrechtsverletzungen im Sektor direkt mit den | |
| niedrigen Preisen für Kakao zusammenhängen. | |
| Die meisten der 5,5 Millionen Kakaobäuerinnen leben in prekären | |
| Verhältnissen, haben Mühe, die Bildung oder Mahlzeiten ihrer Kinder zu | |
| finanzieren – oder auch sich selbst weiterzubilden, zur Ärztin zu gehen. | |
| Das meiste Geld an der Tafel Schokolade verdienen die Hersteller und | |
| Supermärkte. Insgesamt fast 80 prozent des Kaufpreises rechnet Inkota. Ein | |
| [5][Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam vom Montag] zeigt, dass | |
| sowohl Händler, Schokoladenhersteller und Supermarkte stark konzentriert | |
| sind, die größten Akteuere kann man jeweils an zwei Händen abzählen. Sie | |
| machen Milliardengewinne. | |
| Bleibt noch die Börse. Ein [6][Artikel der Financial Times] von Anfang | |
| Februar weist darauf hin, dass es in der aktuellen Situation auch um | |
| Spekulation geht. Vor allem seien Agrarfonds stark angestiegen. „Diese | |
| Fonds gab es bereits beim Rohstoffboom von 2003 bis 2008. Jetzt sind sie | |
| wieder aktuell geworden – durch die Wetterverhältnisse“, sagt der | |
| Wissenschaftler Bernhard Tröster, der zum Börsenhandel von Kakao und dem | |
| Preisstabilisierungssystem in Westafrika forscht. Die Ursache des | |
| Preisanstiegs liege bei den Ernteausfälle, wodurch es deutlich weniger | |
| Kakao am Markt gibt. | |
| „Allerdings ist die Frage, wie hoch dann Preise steigen müssten, um Angebot | |
| und Nachfrage abzubilden“. Die hohen Preise ziehen aber wiederum | |
| Spekulanten an, welche die Preistendenzen verstärken. „Profitiert haben | |
| ganz klar diejenigen, die Anfang des Jahres auf steigende Kurse gesetzt | |
| haben“, sagt Tröster. | |
| 24 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Abholzung-in-Ghana/!5985427 | |
| [2] https://www.bmz.de/de/themen/laendliche-entwicklung/landwirtschaftliche-wer… | |
| [3] https://www.kakaoforum.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Interne_geschuetzte… | |
| [4] https://files.fairtrade.net/Fairtrade-Living-Income-Reference-Price-for-Coc… | |
| [5] https://www.oxfamnovib.nl/Files/Downloads/OXFAM-Rapport%20CACAO%202024.pdf | |
| [6] https://www.ft.com/content/563227fe-edfb-40bd-bea9-dc2822ba4f27 | |
| ## AUTOREN | |
| Leila van Rinsum | |
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