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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Ewiges Durchhalten
> Das Studierendenfilmfestival „Sehsüchte“ zeigt Erstlingswerke aller
> Sparten, darunter einen Dokumentarfilm über Rassismus im Justizsystem der
> USA.
Bild: Szene aus Nele Dehnenkamps Doku „For the time being“ (2023)
Auch die größten Meisterregisseure und Meisterregisseurinnen, zumindest die
meisten von ihnen, haben einmal klein angefangen. Sie haben an
Filmhochschulen Kurzfilme gedreht, kleine Fingerübungen, und dann
irgendwann Abschlussfilme, die nicht selten gut genug waren, um auch im
Kino oder wenigstens im Fernsehen zu laufen.
Der Blick auf das Treiben an Filmhochschulen kann sich also lohnen. Und das
ist der Grundgedanke hinter dem [1][internationalen
Studierendenfilmfestival „Sehsüchte“], dessen 53. Ausgabe vom 25. bis zum
28. April in Potsdam über die Bühne geht. Drei Spielstätten, das T-Werk,
das Waschhaus Potsdam und das Filmmuseum Potsdam, zeigen die Festivalfilme.
Studierende der [2][Filmuniversität Konrad Wolf in Babelsberg] haben das
Programm, das vom Kurz- über den Animations-, bis hin zum handelsüblichen
Spielfilm reicht, kuratiert. In sämtlichen Kategorien werden Preise
verliehen.
Dass so ein Abschlussfilm ein Projekt sein kann, in das sehr viel Energie
und Aufwand gesteckt wird und das dann dementsprechend sehenswert ist,
beweist ein Dokumentarfilm wie Nele Dehnenkamps „For the Time Being“
(2023). Als die Regisseurin mit dem Filmprojekt begonnen hatte, war sie
noch Studentin der Sozialwissenschaften in New York. Sie studierte dann
später erst Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg und ihr
Abschlussfilm bringt ihre in den USA begonnene Arbeit zu einem Ende.
Fast eine Dekade lang hat sie sich mit dieser beschäftigt. Herausgekommen
ist ein Dokumentarfilm, der eine intime Beobachtung des US-amerikanischen
Justizsystems bietet. Begleitet wird in diesem Michelle, deren Ehemann
Jermaine wegen Mordes für 22 Jahre in das berüchtigte
Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing gesteckt wurde. Jermaine sagt, er sei
unschuldig und auch Michelle ist davon überzeugt, dass ihr Mann keinen Mord
begangen hat.
Was nun die Wahrheit ist, erfährt man in dem Film nicht. Jermaine wird
seine behauptete Unschuld nicht beweisen können. Aber es tauchen
Ungereimtheiten bei seinem damaligen Gerichtsverfahren auf, die nahe legen,
dass Jermaine auf dubiose Art und Weise verurteilt wurde. Von einem
Rechtssystem, das Michelle nur für rassistisch halten kann, [3][weil es
Schwarze einfach schneller hinter Gitter bringt als Weiße].
Regisseurin Dehnenkamp begleitet Michelle bei ihrem aufopfernden Kampf,
ihren Mann frei zu bekommen. Dabei, wie diese immer wieder mit ihrem Anwalt
kommuniziert und sich aktivistisch engagiert. Und wie sie es schafft, trotz
allem alleine zwei Kinder groß zu ziehen. Immer von der Hoffnung begleitet,
ihren Mann doch noch vorzeitig frei zu bekommen.
Portraitiert wird eine Frau, die einfach nicht aufgeben will. Und die immer
zu ihrem Mann hält. Sie wirkt verliebt, wie am ersten Tag, wenn sie mal
wieder mit diesem kurz telefonieren darf. Und ist aufgeregt, wenn sie ihn
im Gefängnis besuchen und gelegentlich auch dort nächtigen darf. Für sie
ist klar, dass sie immer eher ihrem Ehemann vertraut als einem
Rechtssystem, das Schwarze schlecht behandelt. Deshalb schafft sie es, in
all den Jahren nicht an Jermaine zu zweifeln.
Als Jermaine Archer dann endlich nach 13 Jahren wegen guter Führung
vorzeitig entlassen wird, ist ihre Freude groß. Doch Michelle hat in all
den Jahren als alleinerziehende Mutter auch gelernt, alleine klar zu
kommen. Und nun ist da wieder ein Mann im Haus. Ob es mit dem überhaupt
noch funktioniert nach all der verlorenen Zeit, das ist eine der Fragen,
die sie sich nun stellt.
25 Apr 2024
## LINKS
[1] https://sehsuechte.de/
[2] /Film-Wir-koennten-genauso-gut-tot-sein/!5880425
[3] /Unschuldig-verurteilt-in-USA/!5080649
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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