# taz.de -- MyFest in Kreuzberg abgesagt: Dann lieber fliegende Steine | |
> Auch in diesem Jahr hat der grün regierte Bezirk das MyFest abgesagt. | |
> Damit sorgt er dafür, dass der 1. Mai immer unpolitischer wird. | |
Bild: Politische Initiativen kritisieren schon lange die Entpolitisierung des 1… | |
Ohne fliegende Steine und Polizist*innen, die Linke durch | |
reizgasdurchflutete Straßen jagten, war der 1. Mai in Kreuzberg früher kein | |
1. Mai. Dank des MyFests ist er seit Anfang der 2000er vielmehr dann kein | |
1. Mai mehr, wenn die Lastenrad fahrenden Yuppies fehlen, die Aperol Spritz | |
trinken und Seifenblasen in die Luft pusten. | |
Ist das schlecht? Obwohl eigentlich alles daran nach „Ja!“ schreit, ist es | |
das nicht. Das MyFest hat mit Anwohner*innenständen, Konzerten und Bühnen | |
dafür gesorgt, dass der Feiertag in Kreuzberg weniger gewalttätig ablief. | |
Zugleich wurde die politische Dimension durch die Einbindung lokaler | |
Gruppen aufrechterhalten. | |
Obwohl linke Initiativen [1][das MyFest seit Jahren wegen vermeintlicher | |
Entpolitisierung kritisieren], ist anzuerkennen, dass durch das | |
Stadtteilfest eine konstruktivere politische Atmosphäre geschaffen wurde, | |
in der Gespräche statt Gewalt im Vordergrund standen. | |
Diejenigen, die den 1. Mai politischer begehen wollten, hatten außerdem | |
weiterhin die Möglichkeit dazu. Dafür sorgte dann die [2][jährliche | |
Revolutionäre 1. Mai-Demonstration]. | |
## MyFest ist auch für 2024 abgesagt | |
Problematisch ist also weniger, dass es das MyFest gab. Problematisch ist | |
vielmehr, dass es es nicht mehr gibt. Denn nachdem das Straßenfest seit | |
2020 drei Jahre lang coronabedingt ausfiel, wird es auch in diesem Jahr | |
erneut nicht stattfinden. Warum? Das weiß keiner so genau. Der | |
Grünen-geführte Bezirk und der Veranstalter haben sich nicht einigen | |
können. Dieser wirft dem Bezirk vor „kein Interesse“ am MyFest zu haben. | |
Das Thema in der Bezirksverordnetenversammlung zu diskutieren, hält das | |
Bezirksamt anscheinend nicht für nötig. | |
Ohne handfeste Argumente hat der Bezirk, vorneweg Bezirksbürgermeisterin | |
Clara Herrmann (Grüne), das von Anwohner*innen selbst organisierte Fest | |
abmoderiert. Bürokratische Vorwände werden vorgeschoben und den | |
Organisator*innen vorgeworfen, Anträge und ein Sicherheitskonzept | |
nicht rechtzeitig eingereicht zu haben (obwohl bis einschließlich 2020 | |
immer alle Genehmigungen erteilt worden waren). Zudem sei es zu voll, zu | |
eng, zu laut, so Herrmann. Die Kreuzberger*innen wünschten sich ein | |
„kleineres und politischeres Format“. | |
Um die Anwohner*innenbedürfnisse scheint es jedoch beim besten Willen | |
nicht zu gehen. Denn anstatt alternative Formate voranzutreiben, verbringt | |
der Bezirk lieber seine Zeit damit, Menschen, die sich für ein etabliertes | |
Format engagieren, Hürden in den Weg zu legen und damit für ein Ende des | |
beliebten MyFests zu sorgen. | |
Mit der Beerdigung des Fests sorgt der Bezirk dafür, dass der 1. Mai immer | |
weniger mit dem zu tun hat, wofür er ursprünglich stand. Es wird politische | |
Teilhabe minimiert und durch ein bloßes Saufgelage ersetzt. Denn die Massen | |
strömen wie im vergangenen Jahr auch ohne organisiertes MyFest nach | |
Kreuzberg, um sich wegzulöten. | |
Und auch für dieses Jahr steht fest: Ob MyFest oder nicht, die | |
Berliner*innen werden sich ihre Caipis oder Sternis oder auch Aperol | |
Spritz' am 1. Mai nicht nehmen lassen. In diesem Sinne wären die Grünen gut | |
beraten, die Feiernden in ihrem Rausch wenigstens von politischen Reden | |
begleiten zu lassen. | |
5 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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