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# taz.de -- Reform des Abtreibungsrechts: Anfang vom Ende des Gebärzwangs
> Eine Expertinnenkommission empfiehlt die Legalisierung von Abtreibungen
> in den ersten drei Monaten. Der Gebärzwang könnte nun endlich ein Ende
> haben.
Bild: Der Kampf gegen den § 218 ist noch nicht zu Ende
Für bundesdeutsche Verhältnisse ist die Empfehlung geradezu revolutionär.
Die von der Bundesregierung eingesetzte und rein weiblich besetzte
Expertinnenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung fordert, dass der
Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mindestens innerhalb der ersten
drei Monate einer Schwangerschaft legalisiert. Damit wäre der Gebärzwang,
der hierzulande seit Gründung des Deutschen Reichs 1871 faktisch, und nur
mit kurzer Unterbrechung in der DDR, herrscht, Geschichte.
Der Spielraum allerdings, den die Kommission dem Gesetzgeber jenseits
dessen lässt, ist breit. Ob der Paragraf 218 tatsächlich aus dem
Strafgesetzbuch gestrichen werden soll, bleibt dahingestellt. Möglich wäre,
so die Kommission, dass die Ampel die Ausnahmen vom Abtreibungsverbot in
den ersten drei Monaten derart weit fasst, dass zwar der Paragraf bestehen
bleibt, Abbrüche aber anders als bisher rechtmäßig und straffrei wären.
Die weit progressivere Option, die die Kommission ebenfalls formuliert: den
Paragrafen 218, mit dem unendlich viel Leid und Tod verbunden ist, endlich
abzuschaffen.
Zentral wäre das deshalb, weil nur dann ein Wandel in den Köpfen möglich
wäre, wenn Abbrüche im deutschen Rechtssystem ihren Platz nicht mehr kurz
hinter Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch hätten. [1][Das Stigma] könnte
abgebaut werden, Abbrüche würden aus der Schmuddelecke geholt. Sie könnten
als das betrachtet werden, was sie sind: eine Gesundheitsleistung, die
Frauen in die Lage versetzt, ihr Leben selbstbestimmt zu leben – und die im
Zweifel eben auch Leben rettet.
## Es braucht Druck auf die Ampel
Möglich nun, dass der Gesetzgeber den Spielraum ausnutzt und entsprechend
den Kommissionsempfehlungen zu einer Lösung kommt, die [2][Paragraf 218]
abschafft und die Grundrechte von Frauen umfänglich achtet. Möglich aber
auch, dass sich die Situation für ungewollt Schwangere hierzulande zwar
verbessert – ein Paradigmenwechsel aber ausbleibt.
Damit die Ampel allerdings überhaupt aktiv wird, braucht es politischen
Druck. Denn nach viel Eifer sieht es dort derzeit nicht aus. Der
Gesundheitsminister zeigt kein Interesse, die Frauenministerin hält sich
gerade so über Wasser und wird zur eigenen Rettung kaum auf ein Thema
setzen, das so [3][kontrovers ist wie dieses]. Und die FDP will den
Paragrafen 218 sowieso nicht abschaffen.
Nichtsdestotrotz: Zum ersten Mal liegt nun schwarz auf weiß vor, dass es
verfassungsrechtlich nicht nur möglich, sondern sogar geboten ist, eine
ungewollte Schwangerschaft auch aus der Perspektive der Frau zu denken.
Dass reproduktive Rechte existieren. Und dass sie in einem Rechtsstaat als
Menschenrechte geachtet werden müssen.
10 Apr 2024
## LINKS
[1] /Frauenaerztinnen-streiten-um-Abtreibung/!5998958
[2] /Schwangerschaftsabbruch-in-Deutschland/!5693137
[3] /Grundsatz-Erklaerung-von-Franziskus/!6002904
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Feminismus
Schwerpunkt Abtreibung
Selbstbestimmung
GNS
Schwangerschaft
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Abtreibung
Schwerpunkt Abtreibung
Paragraf 218
Papst Franziskus
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Paragraf 219a
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