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# taz.de -- Ärztin über Abtreibungsparagrafen: „Müssen jetzt viel Druck ma…
> Die Empfehlungen der Kommission zu Abtreibungen seien historisch, sagt
> Alicia Baier von den Doctors for Choice. Die Ampel müsse die Chance nun
> nutzen.
Bild: Wie lange noch? Demonstration am 2.6.1973 in Bonn gegen den Abtreibungspa…
taz: Frau Baier, die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur
reproduktiven Selbstbestimmung empfiehlt, Schwangerschaftsabbrüche
mindestens in den ersten drei Monaten zu legalisieren. Wie finden Sie das?
Alicia Baier: Das ist ein historischer Moment. Die Empfehlungen der
Kommission geben der Politik die einmalige Chance, eine neue Regelung zu
finden, die ungewollt Schwangere endlich gut medizinisch versorgt – statt
ihnen wie bisher zu schaden. Die Kommission sagt ganz klar, dass die
aktuelle Rechtslage in Deutschland verfassungs- und menschenrechtlich nicht
haltbar ist.
Haben Sie auch Kritik?
Bei vielen wichtigen Themen wird die Kommission weniger konkret. Da zeigt
sie vor allem Handlungsspielräume auf; etwa bei der Pflichtberatung oder
bei Abbrüchen nach den ersten drei Monaten. Natürlich hätten wir uns da
entschiedenere Positionen gewünscht. Aber die Kommission diskutiert die
Themen durch – und zeigt die Nachteile etwa der Beratungspflicht deutlich
auf. Es liegt nun an der Politik, eine gute Regelung im Einklang mit den
Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zu finden.
Was würde eine umfassende Umsetzung der Empfehlungen bedeuten?
Es würde bedeuten, dass wir Menschen- und Frauenrechte in Deutschland
endlich achten. [1][Nicht umsonst wurde die Bundesrepublik für ihre
restriktive Rechtslage von der UN-Frauenrechtskonvention gerügt]. Eine
weitreichende Umsetzung würde Abbrüche endlich als das anerkennen, was sie
sind: als wichtige medizinische Leistung statt als Straftat. Und es würde
eine gute und gerechte Versorgung möglich, nicht zuletzt, indem der
Eingriff Kassenleistung wird.
[2][Das Thema ist enorm umstritten.] Befürchten Sie eine gesellschaftliche
Kontroverse?
Die wird es sicher geben. Aber die Zeit dafür ist gekommen: Die
gesellschaftliche Haltung zum Schwangerschaftsabbruch hat sich in den
vergangenen Jahren geändert. Die Mehrheit befürwortet eine Legalisierung,
wie Umfragen gezeigt haben. Eine Legalisierung würde zwar nicht von heute
auf morgen die Stigmatisierung von Abbrüchen beenden – aber sie wäre eine
notwendige Bedingung dafür.
Die Union pocht darauf, dass eine Legalisierung gegen die Urteile des
Bundesverfassungsgericht verstoßen würde – [3][und droht schon jetzt mit
einer Klage].
Die aktuelle Regelung ist hochproblematisch. Deshalb wurde diese Kommission
beauftragt. Sie war interdisziplinär zusammengesetzt, darunter mehrere
Juristinnen. Die sagen jetzt nicht nur, dass eine Legalisierung möglich
ist. Sie sagen, diese ist dringend geboten. Selbst viele liberale Kräfte
haben sich lange Jahre aus Sorge vor dem Bundesverfassungsgericht nicht an
den sogenannten Kompromiss zum Schwangerschaftsabbruch getraut. Jetzt sehen
wir es schwarz auf weiß: Es gibt keinen Grund, Abtreibungen weiter zu
kriminalisieren.
SPD und Grüne hatten die Streichung des Abtreibungsverbots in ihren
Wahlprogrammen. Was erwarten Sie von der Ampel?
Ich erwarte, dass die Ampel sich dieser Empfehlungen ohne Verzögerung
annimmt und die Chance ergreift, die aufgezeigten Spielräume umfassend
auszunutzen.
Sind Sie zuversichtlich?
Ich habe Sorge, dass das Thema mit Blick auf den beginnenden Wahlkampf
verschleppt wird. Das wäre fatal: Gerade jetzt haben wir eine liberale
Regierung, die einer Legalisierung in der Mehrheit positiv gegenübersteht.
Das kann in der nächsten Legislatur ganz anders aussehen. Aber die
Empfehlungen der Kommission sind nicht bindend. Genau deswegen müssen wir
jetzt öffentlich viel Druck machen. Dieser Zeitpunkt muss unbedingt genutzt
werden.
10 Apr 2024
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## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
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