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# taz.de -- Tödliche Polizeischüsse in Nienburg: Zweifel an rechter Gesinnung
> Bodycam-Aufnahmen zeigen, dass die Schüsse in Nienburg nach dem Einsatz
> eines Diensthundes fielen. Hundeführer postet im Netz extrem rechte
> Inhalte.
Bild: Nach den Todesschüssen in Nienburg: Spurensicherung im Einsatz
Hannover taz | Einer der Polizisten, gegen die wegen des tödlichen
Polizeieinsatzes in Nienburg ermittelt wird, steht rechtsextremen
Positionen nahe. Unter anderem verbreitet der Diensthundeführer im Internet
rechtsextreme Inhalte und Verschwörungstheorien. Nach Auskunft der
Staatsanwaltschaft zeigen Bodycam-Aufnahmen der Polizisten, dass die
[1][tödlichen Schüsse auf den Gambier Lamin Touray] im Zusammenhang mit dem
Hundeeinsatz fielen.
Der 46-jährige Mann war am Karsamstag durch acht Polizeikugeln getötet
worden. Zuvor hatten 14 Polizist*innen mit einem Polizeihund eine
Dreiviertelstunde lang vergeblich versucht, den Mann zu beruhigen. Gegen
die Polizist*innen ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft Verden.
Unter den Beschuldigten ist auch ein Diensthundeführer, der neben
Hundebildern auf seinen beiden Facebook-Profilen allerlei extrem rechte
Inhalte und Verschwörungsideologien verbreitet. Er postet Bilder, die eine
härtere Gangart gegen Geflüchtete fordern, wünscht sich mehr Abschiebungen,
hat Angst vor Clankriminalität und kommentiert eifrig bei
verschwörungsideologischen Blogs.
Außerdem teilt er Inhalte der Gruppe „Polizisten für Aufklärung“, die ru…
um den ehemaligen [2][Coronaleugner-Polizisten und extrem rechten
Verschwörer Michael Fritsch] angesiedelt ist. Einige der Inhalte, die der
langjährige Diensthundeführer verbreitet, dürften verfassungsfeindlich
sein. Kurz nach dem Tod von Lamin Touray postete er etwa ein Video, in dem
es gleich zu Beginn von einem Redner heißt: „Man flutet unser Land mit
kulturfremden Menschen.“
## AfD-Mitgliedschaft dementiert
Auf einer AfD-internen Liste, die der taz vorliegt, taucht der
Diensthundeführer mit der Mitgliedsnummer BU-10619752 und als Spender auf.
In einer E-Mail an die taz schreibt er, er teile viele, aber nicht alle
Positionen der AfD und sei kein Mitglied oder Spender. Zum Einsatz will er
sich nicht äußern. Seine politische Meinung habe aber keinen Einfluss auf
seine Polizeiarbeit, schreibt er weiter.
Die Staatsanwaltschaft sagt derweil, sie werde zur Identität einzelner
eingesetzter Polizeibeamter keine Angaben machen und kommentiert
dementsprechend die Online-Aktivitäten des Diensthundeführers nicht. Unter
seinen Facebook-Freund*innen befinden sich auch andere Polizist*innen
aus Nienburg.
In der Vergangenheit hat die Polizei Nienburg selbst immer wieder Bilder
von dem Polizisten und seinem Hund verbreitet und sich mit deren
sportlichen Leistungen gerühmt. [3][In einem Youtube-Video über die
Hundestaffel ist zu sehen, wie entsprechende Einsätze ablaufen].
Wie es zu der Eskalation am Karsamstag kam, darüber gibt es
unterschiedliche Darstellungen. Zunächst hieß es, Touray habe seine
Freundin mit einem Messer bedroht. Weil Touray einige Tage zuvor in Hamburg
nach einer Kontrolle wegen Fahrens ohne Ticket Polizist*innen verletzt
habe und wegen des Notrufs der Freundin, sei man von einer Bedrohungslage
ausgegangen, teilte die Staatsanwaltschaft Verden mit.
[4][Tourays Freundin schilderte der taz einen anderen Ablauf der
Ereignisse]. Die Stimmung sei erst gekippt, als die Polizei eintraf, sagt
sie und ein weiterer Augenzeuge. Sie habe lediglich medizinische Hilfe
wegen des [5][psychischen Ausnahmezustands] ihres Freundes holen wollen,
sagte die Freundin der taz.
Vor Ort habe sie angeboten, Touray zur Aufgabe zu überreden. Das habe man
ihr aber nicht gestattet und gesagt, man werde stattdessen einen Hund
einsetzen. Kurz darauf sei die Lage eskaliert. „Statt zu helfen, haben sie
ihn wie ein Tier im Wald erschossen“, sagt Tourays Freundin.
Ein kurzes Video einer Nachbarin, das die letzten Momente in Tourays Leben
zeigt, wurde im Internet vielfach geklickt. In diesem scheint es, als sei
der letzte Schuss gefallen, nachdem Touray bereits zu Boden gegangen war.
Die genaue Folge der Schussabgaben ist bis jetzt in Klärung.
[6][Laut Staatsanwaltschaft zeigen inzwischen gesichtete
Bodycam-Aufnahmen], dass Touray sich auf die Polizist*innen zubewegt
und mit einem Messer auf einen Polizeihund und in Richtung von
Polizist*innen gestochen habe. der Hund sei verletzt, der Angriff auf
die Polizist*innen sei mit einem Schild abgewehrt worden. In der Folge
seien die tödlichen Schüsse gefallen
## Hinterbliebene demonstrieren
Online läuft seit den Ereignissen eine rechte Hasskampagne. Hunderte freuen
sich auf X über den Tod Tourays. Einige wünschen sich mehr erschossene
Migrant*innen. Die Lokalzeitung Die Harke, die früh kritische Stimmen der
Nachbar*innen abbildete und Fragen stellte, wird mit Leserbriefen
überflutet. Die CDU-Bürgermeisterin der nahen Gemeinde Schweringen,
Elisabeth Kurowski, kommentierte bei der Lokalzeitung als Reaktion auf
Protest der Angehörigen: „Wenn hier alles so blöd ist, kann man ja wieder
nach Gambia zurückkehren.“
Die Hinterbliebenen Tourays wollen, dass der Polizeieinsatz vollständig
aufgeklärt wird und lassen sich anwaltlich vertreten. Der Flüchtlingsrat
Niedersachsen unterstützt diese Forderung. Auch die gambische Regierung hat
sich eingeschaltet und fordert Aufklärung. Tourays Mutter und dessen
Schwester führten eine Demonstration am vergangenen Samstag in Nienburg an.
In einer Rede sagte die Schwester unter Tränen: „Ich mache die Polizei
verantwortlich, denn die sollte ausgebildet sein, einen mit einem Messer
bewaffneten zu entwaffnen, ohne ihn zu töten.“ Tourays Mutter fühlte sich
nicht in der Lage zu sprechen – zu tief sitze der Schock. Ein weiterer
gambischer Mann sagte: „Wir dürfen in diesem Fall nicht aufhören, Fragen zu
stellen, denn niemand weiß, wer der Nächste ist. Es könnte du, ich oder
unsere Kinder sein.“ Weitere Proteste etwa in Stuttgart und Berlin sind
geplant.
Transparenzhinweis: In einer vorherigen Version des Textes war davon die
Rede, dass in den Bodycam-Aufnahmen laut Staatsanwaltschaft zu sehen war,
dass Tourays Messerstiche zuerst mit einem Schild abgewehrt worden waren
und er danach mit dem Hund gekämpft habe. Die Reihenfolge war aber, laut
Staatsanwaltschaft andersherum. Das haben wir nun korrigiert.
18 Apr 2024
## LINKS
[1] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Nienburg/!5999138
[2] /Reichsbuerger-wollten-Bundestag-stuermen/!5951873
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Ze-UUFzqgC4
[4] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Nienburg/!5999138
[5] /Kriminologe-ueber-Polizeischuesse/!6000538
[6] https://www.staatsanwaltschaft-verden.niedersachsen.de/startseite/aktuelles…
## AUTOREN
Michael Trammer
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Tödliche Polizeischüsse
Polizeigewalt
Polizei Niedersachsen
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