# taz.de -- Empfehlungen zu § 218-Reform: „Erwarte, dass sie diese umsetzen�… | |
> Die Juristin Liane Wörner gehörte zur Expert_innengruppe für die Reform | |
> des Abtreibungsrechts. Im Gespräch weist sie die Kritik an der Kommission | |
> ab. | |
Bild: Flashmob des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung unter dem Motto: … | |
taz: Frau Wörner, die MinisterInnen wollen [1][die Ergebnisse Ihrer | |
Kommission] prüfen. Zur konkreten Umsetzung der Empfehlungen haben sie sich | |
nicht geäußert. Wie finden Sie das? | |
Liane Wörner: Das war genau so erwartbar. Den MinisterInnen wurde erst | |
heute offiziell der Bericht überreicht. Sie müssen jetzt sorgfältig | |
gemeinsam prüfen. Dafür haben sie sich erklärt. Was ich sehr positiv finde, | |
ist, dass sie die Dringlichkeit des Themas sehen, dass sie beschleunigt | |
prüfen wollen und dass sie sich des Themas wegen seiner gesellschaftlichen | |
Bedeutung annehmen wollen. | |
Erwarten Sie nun, dass die Gesetzeslage zum Schwangerschaftsabbruch in | |
Deutschland reformiert wird? | |
Wenn sich drei Ministerien zur Aufgabe machen, die reproduktive | |
Selbstbestimmung zu reformieren und eine entsprechende Kommission aus | |
renommierten Wissenschaftler_innen einsetzen, gehe ich doch stark davon | |
aus, dass sie unsere Empfehlungen dafür als relevant betrachten. Ich | |
erwarte, dass sie diese dann auch umsetzen. | |
Die Debatte über Ihre Studie ist schon hochgekocht, bevor Sie Ihre | |
Ergebnisse überhaupt offiziell vorgestellt hatten. Haben Sie das erwartet? | |
Die Ergebnisse unserer Studie wurden vergangene Woche durch ein Leak | |
bekannt. Wie es dazu kam, wissen wir nicht. Problematisch daran ist, dass | |
dadurch Wissenschaftler_innen die Möglichkeit genommen wird, | |
Arbeitsergebnisse öffentlich zu interpretieren. Das ist für eine | |
qualitative Medienberichterstattung, die wir uns wünschen, bedauerlich. | |
[2][ Unionsfraktionsvize Dorothee Bär hat die Unabhängigkeit der Kommission | |
in Frage gestellt und gesagt, Sie hätten geliefert, was „bestellt“ worden | |
sei. ] | |
Wenn Frau Bär meint, dass wir diesen Auftrag erledigt haben, bedanke ich | |
mich für das Lob. Wir haben unabhängig untersucht, ob und wie man den | |
Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafrechts regeln kann. Das haben | |
wir unter Beteiligung der Fraktionen des Parlaments sowie unter | |
Hinzuziehung von 39 uns vorgelegten Stellungnahmen von Interessenverbänden | |
und unter Berücksichtigung sämtlicher weiterer uns zugesandter einzelner | |
Schriften getan. Wer den Bericht liest, liest auch, dass wir uns mit dem | |
Schutz des Fötus intensiv befassen – ebenso intensiv wie mit dem Schutz der | |
Schwangeren. Unser Gesamtkonzept berücksichtigt alle Belange. | |
Für die ersten drei Monaten empfehlen Sie eine Legalisierung. Je weiter die | |
Schwangerschaft fortschreitet, desto stärker rückt der Embryo ins | |
Blickfeld. Konkrete Empfehlungen für eine Regelung geben Sie dann nicht | |
mehr. Drücken Sie sich davor? | |
Auf keinen Fall. Aber wir können und dürfen dem Gesetzgeber keine Gesetze | |
vorschreiben. Ob er sich dazu entschließt, Schwangerschaftsabbrüche | |
grundsätzlich für rechtmäßig zu halten, ist seine Sache. Wir haben ein | |
konsequentes Konzept erarbeitet, um das Recht zum Schwangerschaftsabbruch | |
vom Kopf auf die Füße zu stellen. | |
Was meinen Sie damit? | |
Derzeit werden zu Beginn von Schwangerschaften rechtswidrige, aber | |
straffreie Abbrüche durchgeführt. Das betrifft die meisten der in | |
Deutschland durchgeführten Abbrüche. Rechtmäßigkeit ist die Ausnahme und | |
bedarf der Feststellung einer Indikation, also zum Beispiel der | |
medizinischen oder kriminologischen. Wir empfehlen: Am Anfang der | |
Schwangerschaft grundsätzliche Rechtmäßigkeit, gegen Ende grundsätzliche | |
Rechtswidrigkeit mit Ausnahmen. Doch auch dann müssen Regelung und | |
Ausnahmen nicht zwingend im Strafgesetzbuch geregelt sein. | |
Angenommen, es kommt zu einer Gesetzesänderung – ist dann wieder [3][das | |
Bundesverfassungsgericht dran]? Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten | |
Frei hat eine dortige Klage bereits angekündigt. | |
Die Möglichkeit besteht, ja. | |
Haben Sie die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts im Prinzip schon | |
vorweggenommen? | |
Das Gericht würde eine andere Situation vor Augen haben als wir jetzt. | |
Jetzt gelten die Paragrafen 218 und 218a. Wenn das Gericht dran ist, würden | |
die nicht mehr in dieser Form gelten. Bestenfalls greift das Gericht dann | |
auf unsere Argumentationen zurück. | |
Könnte das Gericht ein neues Gesetz wieder für verfassungswidrig erklären – | |
wie schon 1975 und 1993? | |
Das wäre ein Worst-Case-Scenario. Aber wir haben nicht mehr 1993, sondern | |
dann hoffentlich 2025. Alles Weitere wäre Spekulation. | |
Ihre Arbeitsgruppe bestand nur aus Frauen. Führt das zu einer einseitigen | |
Perspektive? | |
Die Besetzung der Kommission liegt außerhalb unseres Entscheidungsbereichs. | |
Die Ministerien haben die Wissenschaftler_innen der Fachgebiete gemeinsam | |
ausgewählt. Unsere Perspektiven in der Kommission auf das Thema sind sehr | |
verschieden. Das war erforderlich und hilfreich, um die weite Dimension des | |
Themas zu verstehen. Eine Kommission mit diesen Expertisen und diesen | |
Auffassungen kommt zu diesem Ergebnis – männlich oder weiblich oder divers, | |
das spielt keine Rolle. Früher wurde übrigens nie gefragt, warum | |
Kommissionen nur männlich besetzt waren. | |
Was erwarten Sie für die kommenden Monate? | |
Ich hoffe, dass viele Personen aus allen Perspektiven heraus kritisch | |
unsere Ergebnisse diskutieren werden. Bei allem Respekt für den Schutz des | |
ungeborenen Lebens muss die Einsicht entstehen, dass für Frauen | |
Menschenrechte gelten. Eine Frau hat reproduktive Rechte. Diese müssen | |
geschützt werden. | |
15 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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