| # taz.de -- ARD-Zweiteiler „Lost in Fuseta“: Kein schnöder Donnerstagskrimi | |
| > Ein komplexer Stoff, der in die Kolonialzeit weist. Und dann macht es | |
| > auch noch Spaß, Kommissar Leander Lost bei den Ermittlungen zuzusehen. | |
| Bild: Leander Lost (Jan Krauter) greift zur besseren Verständigung auf das „… | |
| Wie lässt sich das Innenleben eines Menschen visualisieren, der mit dem | |
| [1][Asperger-Symdrom, einer Autismusvariante,] lebt? Zum Beispiel so: | |
| Leander Lost ist ein deutscher Europol-Kommissar, den es nach Fuseta, ein | |
| Städtchen an der Küste der Algarve im Süden Portugals, verschlagen hat. Im | |
| nahegelegene Faro ist er Teil eines kleines Kommissariats. Lost besitzt ein | |
| fotografisches Gedächtnis und verfügt über eine blitzschnelle | |
| Kombinationsgabe. Das nutzt er bei erkennungsdienstlichen Arbeiten, aber | |
| auch für private Zwecke: Zwischentöne menschlicher Kommunikation muss Lost | |
| halt genauso so „lesen“ lernen wie Ironie, Empathie und die Liebe. Denn | |
| Lost will Vater werden – allein die Szenen rund um dieses Problem lohnen | |
| den Film. | |
| Auf seine Fähigkeiten greift Lost zurück, wenn er einem Gegenüber mit einer | |
| Floskel antworten will. Zu sehen ist dann, wie er kurz innehält und im | |
| Geiste rasend schnell Seite um Seite eines Buches scannt, das er einmal | |
| gelesen, nicht mehr vergessen kann. Die Seiten rattern nur so durchs Bild, | |
| bis Lost eine Zeile mit einem Spruch herauszoomt, der immer irgendwie fehl | |
| am Platze scheint: „Sie haben sich aber gar nicht verändert!“ Das ist | |
| visuell gut gemacht und auch amüsant. | |
| Leander Lost ist Hauptheld von „Lost in Fuseta“, einer Reihe von | |
| Kriminalromanen, die von Holger Karsten Schmidt unter dem Pseudonym Gil | |
| Ribeiro bereits seit 2017 veröffentlicht werden. Im September 2022 wurde | |
| ein erster Zweiteiler mit Jan Krauter in der Titelrolle des Kommissars mit | |
| Asperger in der ARD gesendet. Und nun kommt ein neuer Zweiteiler daher. Wer | |
| die Bücher kennt, wie der Autor dieser Kolumne, wird in [2][Jan Krauter] | |
| eine kongeniale Besetzung erkennen. Es macht Spaß, ihm zuzusehen, eben weil | |
| er anders als seine – neurotypischen – Kolleg:innen ist. Genau das wird | |
| öfter thematisiert. Etwa dann, wenn Lost darauf beharrt, ein Mensch mit | |
| Mängeln zu sein und ein Kollege erwidert, dass Lost eine Bereicherung | |
| darstellt. | |
| Zum Plot: Zuerst verschwindet Teresa, eine Kollegin von Lost. Zur selben | |
| Zeit reist ein Mann namens Ricardo Torres ins Land; ein junger, auffallend | |
| nervöser Mann. Die beiden kommen aus Angola – das war mal portugiesische | |
| Kolonie. Torres gerät schnell ins Visier der Ermittler, er hält sich in der | |
| Wohnung von Teresas Nachbarn Pedro Lino auf – und der benimmt sich seltsam. | |
| Was die Kommissare da noch nicht wissen: Frau und Tochter von Pedro sind | |
| entführt worden. Puh, man muss echt aufpassen, das hier ist kein schnöder | |
| Donnerstagskrimi. Denn ein weiterer Handlungsstrang kommt hinzu, als eine | |
| Journalistin aus Angola eintrifft. Sie plant bei einer Rede im | |
| portugiesischen Parlament einen Skandal aufzudecken. Ein Attentat soll sie | |
| aus dem Weg räumen. Es beginnt ein wahres Katz-und-Maus-Spiel – mit echt | |
| spannendem Finale. | |
| [3][Das alles ist professionell in Szene gesetzt,] die Charaktere sind gut | |
| gezeichnet (nicht nur Lost). Dem komplexen Stoff kommt es zupass, dass drei | |
| Stunden zur Verfügung stehen. Und geradezu innovativ ist der Erzählstrang, | |
| der in die unrühmliche Kolonialzeit weist und auf einen Geheimbund – | |
| „Schatten“ genannt –, der dafür sorgt, dass sich ehemalige portugiesische | |
| Eliten aus der Kolonialzeit weiter an Angola (etwa an Geldern aus der | |
| Entwicklungshilfe) bereichern können. Man stelle sich so eine Geschichte | |
| auf die deutsche Kolonialzeit gemünzt beim „Tatort“ vor. | |
| 6 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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