| # taz.de -- Falsche Kritik an Aktivismus: Ich bin kein Protestdienstleister | |
| > Wer kritisiert, wie Menschen protestieren, will oft nicht über die | |
| > eigentlichen Themen reden und sich vor ihren politischen Forderungen | |
| > drücken. | |
| Bild: Mit bunten Schildern bei Wind und Wetter | |
| Wer politisch erfolgreich sein will, muss möglichst viele Menschen für | |
| seine Ideen gewinnen. So weit, so klar. Doch wer ist dafür eigentlich | |
| zuständig? Von Parteien erwarten wir nicht nur Inhalte, sondern auch | |
| Überzeugungsarbeit: Sie sollen nicht nur Inhalte liefern, sondern auch um | |
| unsere Stimmen werben. [1][Aber gilt dieser Anspruch auch für die | |
| Zivilgesellschaft?] | |
| Tatsächlich wurde mir mal wieder der Hinweis gegeben, ich solle darauf | |
| achten, wie ich mit meinem politischen Engagement mehr Menschen erreichen | |
| könne. Ich würde doch Leute überzeugen wollen mit meinem Aktivismus. | |
| Ehrlich gesagt, sehe ich das gar nicht als meine Aufgabe. Ich trete zwar | |
| für meine Werte ein, aber ich bin keine Missionarin. [2][Im | |
| Antirassismusbereich] kläre ich auch gerne mal auf: Ich teile Wissen und | |
| Einschätzungen. Ich freue mich, wenn jemand etwas davon mitnimmt. Aber | |
| Politik ist nicht mein Job. | |
| Wer anspricht, wie [3][Menschen protestieren] oder für Sichtbarkeit sorgen, | |
| bringt Einwände meist vor, um nicht über die eigentlichen Themen reden oder | |
| gar auf politische Forderungen eingehen zu müssen. Da heißt es schnell: | |
| Queers sollen nicht so „schrill“ sein, PoC nicht so viel skandalisieren, | |
| behinderte Menschen geduldiger sein, die Antifa nicht so radikal und die | |
| Feminist*innen könne man erst ernst nehmen, falls sie auf Anglizismen | |
| und Sonderzeichen verzichten. Die Letzte Generation, heißt es, könne mehr | |
| Leute überzeugen, wenn sie diese pünktlich zur Arbeit kommen ließe. | |
| ## Was wären denn sexy Aktionsformen? | |
| Aber warum muss überhaupt jemand erst durch Protest davon überzeugt werden, | |
| dass dieser Planet erhaltenswert ist? Und falls es Personen gibt, die das | |
| Anliegen teilen, aber von der Protestform abgeschreckt sind: Warum haben | |
| die keine sexy Aktionsformen entwickelt, die die breiten Massen für den | |
| Klimaschutz begeistern? | |
| Soziale Bewegungen müssen anschlussfähig und zugänglich sein. Ich bin für | |
| offene Räume, einfache Sprache, den Abbau von Szenedünkel und Barrieren. | |
| Ich bin für bunten und vielfältigen Protest. Aber ich bin doch kein | |
| Demokratiedienstleister – und all diejenigen, die sich am Wochenende | |
| entscheiden, auf die Demo zu gehen statt ins Freibad, sind das doch auch | |
| nicht! | |
| Der Umstand, dass so viele Menschen ihre Energie und Freizeit in | |
| zivilgesellschaftliches Engagement, in Vereinsarbeit und Initiativen | |
| stecken, beeindruckt mich immer wieder und wir haben diesen Menschen so | |
| viele positive Entwicklungen zu verdanken. Wieso wird von denen, die | |
| Missstände aufzeigen und an Veränderung arbeiten, verlangt, dass sie diese | |
| Arbeit auf andere zuschneiden? | |
| Zumal diese Forderung oft von Leuten kommt, die sich mehr in der Rolle als | |
| Beobachtende sehen oder als Außenstehende, die auf ein interessantes | |
| Angebot warten. Als wären sie nicht selbst Teil dieser Gesellschaft und des | |
| politischen Gefüges und könnten sich nicht jetzt, in diesem Moment, in dem | |
| sie sich „nicht abgeholt“ fühlen, dranmachen und ihren eigenen Weg | |
| einschlagen. | |
| Ich persönlich bin nicht gut im Abholen. Ich kümmere mich lieber um die, | |
| die schon da sind und dabei bleiben. Trotz allen Ärgers, politischer | |
| Rückschläge und Gefahr durch den Rechtsruck. Ich will mit meinen Beiträgen | |
| dafür sorgen, dass diejenigen, die klatschnass und durchgefroren von der | |
| Demo kommen, neuen Mut und keinen Schnupfen bekommen – damit sie nächstes | |
| Mal wieder rauskönnen. Und dafür, dass sie auch einfach mal Spaß haben. | |
| 5 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Dede Ayivi | |
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