| # taz.de -- Präsidentschaftswahl in Russland: Die 87-Prozent-Inszenierung | |
| > Putin nutzt das Ergebnis von 87 Prozent Zustimmung für die Mär vom | |
| > „einigen Russland“. Den toten Oppositionellen Nawalny nennt er erstmals | |
| > beim Namen. | |
| Bild: So sieht einer aus, der sich politisch unangreifbar fühlt: Russlands Pr�… | |
| Moskau taz | So sieht einer aus, der sich politisch unangreifbar fühlt. | |
| Wladimir Putin tritt am Sonntag kurz vor Mitternacht, nachdem die | |
| Wahllokale quer durch Russland seit Stunden geschlossen sind, ans | |
| Rednerpult im Moskauer Gostiny Dwor und spricht plötzlich den Namen aus, | |
| den er Jahre bewusst nicht in den Mund genommen hatte, den Namen seines | |
| größten politischen Widersachers: [1][Alexei Nawalny. Nun, da dieser tot | |
| ist], erlaubt sich Putin einen Kommentar. Es sei „immer ein trauriges | |
| Ereignis“, wenn einer aus dem Leben gehe. Mit gewohntem Zynismus fährt der | |
| 71-Jährige fort: „Wir hatten auch andere Fälle, bei denen Menschen in | |
| Gefängnissen aus dem Leben schieden. Hat es das etwa in den USA nicht | |
| gegeben?“ | |
| Kurz nachdem klar geworden ist, dass Putin bei seiner inszenierten | |
| Präsidentenwahl mehr als 87 Prozent bekommen hat, ein „historisches“ | |
| Wahlergebnis, wie die Wahlkommissionsleiterin Ella Pamfilowa es am | |
| Montagmorgen nennt, arbeitet sich der Kreml-Herrscher weiter an den USA ab. | |
| Denn genau darum geht es Putin: seinen geradezu zu einem Epos stilisierten | |
| Kampf gegen den Westen. Russland sei sich einig darin, das zeigen für Putin | |
| die Wahlergebnisse, dass es zusammenstehe, um seine Einzigartigkeit und | |
| Einmaligkeit zu bewahren. | |
| Die [2][Wahl, so manipuliert, unfrei und unfair] sie auch abgelaufen sein | |
| mag, gibt dem alten und zugleich neuen Präsidenten noch mindestens sechs | |
| weitere Jahre, sich als Oberkrieger zu fühlen, im Kampf in erster Linie | |
| gegen die Ukraine, vor allem aber gegen den Westen, den der Kriegsherrscher | |
| als dekadent betrachtet. Die 87 Prozent erlauben ihm eine weitere | |
| Radikalisierung, nach außen so auch nach innen. | |
| Der Kreml verkauft erfolgreich die Mär von einer „konsolidierten | |
| Gesellschaft“ und lässt es bewusst beiseite, wie gespalten diese | |
| Gesellschaft ist. Die Rechte seiner Untertanen sind für das Regime Putin | |
| reine Verfügungsmasse. Will jemand zum politischen Subjekt werden, wird er | |
| ausgelöscht, manchmal ist das – Beispiel Nawalny – wörtlich gemeint. | |
| ## „Wir sind da, wir sind unzufrieden“ | |
| Am Sonntag stellten sich in vielen russischen Städten Tausende von Menschen | |
| in Schlangen vor Wahllokalen, um den Mächtigen zu zeigen: „Wir sind da, und | |
| wir sind unzufrieden.“ Für den Kreml sind diese Menschen lediglich | |
| „Verräter*innen“ und „Extremist*innen“. Die Aktion habe „keinen wirk… | |
| Effekt“ gezeigt, lässt Putin im Gostiny Dwor mitteilen. | |
| Für diese Unzufriedenen dürfte es in den kommenden Jahren noch unangenehmer | |
| werden, denn der Staat fordert ganz klar „die Einheit des Volkes“ ein: ein | |
| Land, ein Präsident, eine Meinung. Es gibt kaum kritische Medien im Land, | |
| es gibt keine organisierte Opposition. Bereits an den drei Wahltagen gab es | |
| mehr als 70 Festnahmen wegen „Störung des Wahlverfahrens“. | |
| Es dürften mehr dazukommen: Russland hat eine ausgefeilte Gesichtserkennung | |
| im öffentlichen Raum. Selbst auf dem Friedhof, wo Menschen täglich Blumen | |
| für Nawalny ablegen, hängen mehrere Kameras. „Ich war so beschwingt | |
| gestern, als ich vor meinem Wahllokal so viele Menschen sah, die meine | |
| Werte teilen, ich fühlte mich endlich nicht mehr allein. Heute aber bin ich | |
| wieder trostlos, denke doch wieder ans Auswandern. Was für eine Zukunft | |
| blüht hier meiner kleinen Tochter? Wir haben nun erst recht keine Zukunft | |
| mehr“, sagt eine, die „unglaublich zittert vor der Repressionsmaschine | |
| unseres Landes“, wie sie beschreibt. | |
| 18 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Inna Hartwich | |
| Eric Bonse | |
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