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# taz.de -- Feministische Weinprinzessin: Weg vom hübschen Maskottchen
> Unser Kolumnist fand die Tradition der weiblichen Wein-Repräsentation bis
> vor Kurzem fragwürdig. Doch jetzt hat sich etwas verändert.
Bild: Eva Brockmann, 75. Deutsche Weinkönigin aus Franken
Wie sich die Perspektive ändert, wenn man mal zwei Jahre aus der Stadt raus
ist. Zum Beispiel Frauen mit Krönchen. Lebt man in Berlin, begegnet man
ihnen am ehesten bei der Grünen Woche. Die Messe ist seit der
Jahrtausendwende zum Stelldichein Dutzender Gurken-, Spargel-, Wurst- und
Wasweißichnoch-Königinnen geworden. Ich habe diese [1][Krönungen in der
deutschen Lebensmittelwirtschaft] lange belächelt und als überholtes
Überbleibsel aus den patriarchalischen Zeiten des Wirtschaftswunders
angesehen. Bis ich von einem etwas anderen Prinzessinnenprojekt erfuhr.
Weinprinzessinnen sind das lokale Äquivalent der Weinköniginnen. Die einen
repräsentieren ganze Regionen ([2][Franken], die Ahr, die Mosel), die
anderen sind Botschafterinnen ihrer Orte. Wo viel Wein angebaut wird,
treten deshalb bei offiziellen Feierlichkeiten Prinzessinnen meist im Pulk
auf. In Zeiten schwindender Rebflächen ist es immer eine kleine Sensation,
wenn sich ein Weinort entscheidet, neue Hoheiten zu ernennen.
Rayka Grötsch heißt die erste Weinprinzessin von Mainbernheim. Aus dem Ort
südlich von Kitzingen war der Anbau fast verschwunden, vor vier Jahren dann
hat das junge Weingut Schalk & Rausch eine historische Lage neu bepflanzt.
Eine Weinprinzessin, das war die Idee der Winzerin Ute Rauschenbach, und
sie fragte dafür eine Frau, von der man vermuten könnte, dass sie so ein
Amt eher ablehnt: Rayka Grötsch ist 30, beruflich fest verankert,
promoviert in Lebensmittelwissenschaften, frisch verheiratet. Damit ist sie
unter den zahlreichen anderen, deutlich jüngeren Weinprinzessinnen hier in
der Gegend eine Exotin.
## Feministisches Projekt statt hübsches Maskottchen
Für Grötsch habe das Projekt auch einen feministischen Hintergrund. Sie
wolle die Chance nutzen, das Amt so zu prägen, dass man als Weinprinzessin
„nicht mehr auf das Äußere reduziert wird“, erzählt sie bei einem
Telefonat. Kürzlich habe sie mit 40 anderen Hoheiten eine Schulung besucht,
einen zweitägigen Crashkurs über Weingeschichte und -herstellung,
Sommelierkunde und Workshops für Rhetorik und Moderation.
Eine gute Vorbereitung auf das, worauf auch sie sich konzentrieren will:
den Ort und seinen Wein zu präsentieren. Die Termine dafür suche sie sich
ganz genau aus.
Bloß weg vom hübschen Maskottchen. Von den deutschen Weinköniginnen der
vergangenen zehn Jahre macht die überwiegende Anzahl weiterhin etwas mit
Wein – viele als eigenständige Winzerinnen. Frauen, die es nicht mehr als
ihre Aufgabe sehen, Männern das Trinken zu verschönern, sondern als
Qualitätsbotschafterinnen auftreten – dem kann ich was abgewinnen.
31 Mar 2024
## LINKS
[1] /Phaenomen-in-der-Agrarwirtschaft/!5910486
[2] /Kult-um-fraenkische-Weinmarke/!5832340
## AUTOREN
Jörn Kabisch
## TAGS
Kolumne Der Wirt
Wein
Grüne Woche
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