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# taz.de -- Haftbedingungen für Daniela Klette: Übereifer in der RAF-Verfolgu…
> In der JVA Vechta wird die Ex-RAF-Terroristin isoliert und dauerhaft
> gefilmt. Niedersachsens Behörden nehmen die RAF-Verfolgung viel zu ernst.
Bild: Das gab es wegen Haftbedingungen schon mal: Solidarität mit der RAF
Geschichte wiederholt sich nicht? Sicher nicht, aber: Seit der Verhaftung
der Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette vor vier Wochen zeigen sich plötzlich
doch wieder einige Verhaltensmuster und Praktiken, die einen an die
Untiefen der 1970er denken lassen. Im Zentrum stehen dabei vor allem die
niedersächsischen Behörden, die die RAF-Verfolgung vorantreiben. Und da
sind es aktuell [1][besonders die JVA Vechta] und das Justizministerium,
die manch alten RAF-Vorwurf gegen den Staat wieder überraschend aktuell
erscheinen lassen.
So hatte in der vergangenen Woche Klettes Anwalt die Haftbedingungen seiner
Mandantin in Vechta als „völlig unangemessen“ kritisiert. Klette werde
nahezu durchgehend videoüberwacht, beklagte der Berliner Strafverteidiger
Lukas Theune. Zudem werde sie in der JVA Vechta von anderen Insassinnen
komplett isoliert, Bücher und Zeitungen würden ihr nicht zugestellt, auch
Kugelschreiber blieben ihr verwehrt.
Das niedersächsische Justizministerium wies die Vorwürfe zurück. Der
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung bestätigte ein Sprecher Einschränkungen,
die die Anstaltsleitung in Vechta angeordnet hätte. Er bezeichnete sie
allerdings als angemessen. Die Maßnahmen würden laufend überprüft, doch
bislang weiter angewendet, bestätigte der Sprecher am Mittwoch auf
Nachfrage. Wie lange das also noch geht? Niemand weiß es.
Isolation? Totale Überwachung? Ab 1972 erhoben die RAF-Häftlinge der
ersten Generation den Vorwurf, ihnen gegenüber werde eine
„Isolationsfolter“ und „Vernichtungshaft“ praktiziert. Die Kritik an ih…
Haftbedingungen war plausibel: „Tatsächlich waren die RAF-Mitglieder im
Rahmen der sogenannten ‚strengen Einzelhaft‘ (…) zeitweise unter sehr
harten Bedingungen inhaftiert“, fasste es die Historikerin Sabine
Bergstermann in ihrem Buch „Stammheim“ zusammen.
## Einen Solidaritätseffekt gab es schon
Dieser harte Umgang des Staates mit seinen RAF-Gefangenen sorgte damals für
einen massiven [2][Solidaritätseffekt.] Besonders Ulrike Meinhofs
Schilderungen über ihre zeitweilige „Isolationsfolter“ in einer leer
stehenden frauenpsychiatrischen Gefängnisabteilung, in der man sie
„akustisch“ wie „optisch“ vom normalen Anstaltsleben separierte, wurde
entsprechend stark in der Öffentlichkeit rezipiert. Die Historikerin
Bergstermann konstatierte: „Im Nachhinein erwies sich die Entscheidung, die
Gefangenen solch harten Haftbedingungen zu unterwerfen, als desaströs für
die Glaubwürdigkeit der Behörden.“
Und heute? Zwar gibt das niedersächsische Justizvollzugsgesetz derlei
besondere Sicherungsmaßnahmen her. Videoüberwachung etwa, wenn Suizidgefahr
besteht; Isolation, um Kontaktversuche mit weiter flüchtigen Ex-RAFlern zu
verhindern. Nur – sind solche harschen Maßnahmen tatsächlich angemessen im
Fall der 65-jährigen RAF-Rentnerin?
Der Eindruck jedenfalls, dass sich die niedersächsischen Behörden gerade
ganz gut in ihrer Sheriff-Rolle gefallen, verstärkte sich zuletzt. Das fing
schon bei der Pressekonferenz nach der Verhaftung Klettes an, als
Innenministerin Behrens (SPD) den Anschein erwecken wollte, [3][eine für
die ganze Gesellschaft hochgradig gefährliche und aktive Terroristin
festgenommen zu haben.] Wie im Rausch sprach Behrens von einem „Meilenstein
in der deutschen Kriminalgeschichte“.
Es folgten mehrere große Razzien auf der Suche nach Klettes Komplizen, die
allesamt erfolglos blieben, die aber sogar seitens der Berliner Polizei zum
Vorwurf führten, ihre niedersächsischen Kolleg:innen benähmen sich „wie
die Russen in Prag“. Dringend sollten sich die Behörden von ihrer
Sheriff-Rolle lösen. Oder haben sie Lust auf einen neuen
Solidaritätseffekt?
27 Mar 2024
## LINKS
[1] /Nach-Soli-Demo-fuer-RAF-Gefangene/!5998701
[2] /Rausschmiss-nach-Soli-Demo-fuer-Klette/!5996386
[3] /Bei-mutmasslicher-RAF-Terroristin-Klette/!5999740
## AUTOREN
André Zuschlag
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