| # taz.de -- Freispruch gefordert für Seenotretter: Staatsanwälte gegen Regier… | |
| > Die Staatsanwaltschaft fordert Freispruch für die Crew der Iuventa, die | |
| > 14.000 Menschen gerettet hat. Im rechten Italien keine | |
| > Selbstverständlichkeit. | |
| Bild: Geflüchtete sitzen bei einem Einsatz an Bord des Schiffes „Iuventa“ … | |
| Sieben Jahre voller Ungewissheit, erschwerter Zukunftsplanung und Angst vor | |
| Jahrzehnten im Knast. Dazu unzählige Stunden der Prozessvorbereitung, der | |
| Reisen, des Geldsammelns für Anwält:innen – das hat die | |
| Seenotretter:innen der Iuventa das Verfahren der italienischen Justiz | |
| gegen sie schon heute gekostet. | |
| Angeblich hatten sie „in krimineller Absicht (…) Ausländer zum Zweck der | |
| illegalen Einreise transportiert“. Schon früh war klar, dass die Vorwürfe | |
| konstruiert waren und vor allem dazu dienten, einzuschüchtern und anderen | |
| die Lust zu nehmen, sich für die NGO-Schiffe als Freiwillige zu melden. | |
| Dass in den Ermittlungsakten über 100 Mal ein Ex-Polizist als einer der | |
| Hauptzeugen genannt wird, dessen Security-Firma Kontakte zum Anführer der | |
| Identitären Bewegung Italiens hatte und der die Rettungs-NGOs als eine Art | |
| Privatspion für den Lega-Chef Matteo Salvini ausforschte, ist da nur eine | |
| Facette der Geschichte. | |
| Nun ist also auch die Staatsanwaltschaft der Meinung, dass die Zeugen | |
| „unglaubwürdig“ seien und dass „kein Verbrechen“ begangen wurde. Sie | |
| beantragte am Mittwoch [1][überraschend einen Freispruch.] | |
| Dass sie angesichts der Faktenlage nicht länger auf einer Bestrafung | |
| beharrt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Das ist es aber nicht. | |
| Denn im Kampf gegen die irreguläre Migration ist das Recht in Europa | |
| zuletzt sehr dehnbar geworden. Die Justiz verfolgt Flüchtende und | |
| Helfer:innen in mehreren Ländern teils mit konstruierten Vorwürfen oder | |
| völlig überzogenen Strafanträgen. [2][Die Kriminalisierung von Migration | |
| und Solidarität] ist ein Element der Abschottungspolitik geworden. | |
| In Italien hatten Richter:innen, die nicht bereit waren, dabei mitzumachen, | |
| mit Anfeindungen zu kämpfen. In Großbritannien denkt die konservative | |
| Regierungspartei laut darüber nach, Urteile zu ignorieren, die [3][ihren | |
| Ruanda-Deal] durchkreuzen. In Polen hatte die Regierung geradezu stolz | |
| verkündet, sich nicht an Urteile des Gerichts der Europäischen Union zu | |
| ihrem Umgang mit [4][Geflüchteten an der Grenze zu Belarus] zu halten. | |
| Der Strafantrag gegen die Iuventa-Crew hätte früher fallen gelassen werden | |
| müssen. Die Lebenszeit, die die Angeklagten das Ganze gekostet hat, kriegen | |
| sie nicht zurück, und ob der Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft | |
| folgt, ist nicht gewiss. | |
| Aber die Bereitschaft der Staatsanwaltschaft, in diesem bisher größten | |
| Verfahren gegen Flüchtlingshelfer:innen in Europa unter einer offen | |
| rechtsextremen Regierung nicht aus politischen Gründen eine Strafe zu | |
| fordern, wo kein Verbrechen begangen wurde, ist ein ermutigendes Zeichen. | |
| Es zeigt, dass es sich auch unter so schwierigen Bedingungen lohnt, sich | |
| nicht einschüchtern zu lassen. | |
| 1 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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