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# taz.de -- Sexuelle Übergriffe im Europaparlament: #MeToo auch bei den Grünen
> Ein Europa-Abgeordneter der Grünen tritt zurück. Er konnte trotz
> Vorwürfen sexueller Belästigung lange Zeit weiterarbeiten. Wie konnte das
> sein?
Bild: Tritt als Europaabgeordneter zurück: Malte Gallée, hier im April 2023 i…
Berlin taz | Auf Malte Gallées Social-Media-Profilen herrscht Ruhe. Auf
Tiktok, Instagram, X, wo er sonst so aktiv war: seit letzter Woche kein
neuer Beitrag. Nur auf seiner Homepage veröffentlichte der 30-Jährige am
Freitag noch eine Erklärung: Er trete als Europaabgeordneter zurück,
schrieb er, weil ihm in Presseanfragen vorgeworfen worden sei, „mich
unangemessen gegenüber Mitarbeitenden verhalten“ zu haben. Das stimme zwar
nicht, aber zur Aufklärung wolle er mit voller Kraft beitragen – da bleibe
keine Zeit mehr für das Parlament.
Ausschlaggebend für den Rücktritt waren Recherchen des Sterns. Das Magazin
[1][berichtete am Freitag konkreter über Belästigungsvorwürfe] gegen den
Grünen, der 2021 als Nachrücker nach Brüssel gekommen war. Eine anonyme
Betroffene behauptet in dem Artikel, Gallée habe sie während einer
Fraktionsklausur „wiederholt angefasst, am Hintern, an Hüfte und Taille“.
Bei anderen Anlässen soll er „Praktikantinnen und Assistentinnen auf Partys
sehr eng angetanzt“ haben, aus seinem Intimleben berichtet und sehr private
Fragen gestellt haben.
Was neben den Vorwürfen an sich ebenfalls brisant ist: Die Betroffenen
beklagen sich laut Stern darüber, dass Spitzengrüne Berichte über solche
Fälle nicht ernst genommen hätten. Fraktionschefin Terry Reintke habe eine
formelle Untersuchung durch externe Experten abgelehnt: Auf bloße Gerüchte
hin könne man nicht tätig werden. Erkennbare Konsequenzen für Gallée gab es
zunächst nicht. Erst als sich im Herbst 2023 sein bayerischer Landesverband
einschaltete, habe er auf eine erneute Kandidatur bei der Europawahl im
Juni verzichtet.
## Glaubwürdigkeit von Terry Reintke gefährdet
Mit dem Rücktritt ist die Angelegenheit daher politisch auch noch nicht
erledigt. Reintke, Spitzenkandidatin der Grünen bei der kommenden Wahl,
brachte die MeToo-Debatte einst nach Brüssel. Sie warb für Maßnahmen des
Parlaments gegen sexuelle Belästigung und wurde dafür neben anderen im Time
Magazine zur „Person of the Year“ gekürt. Der Bericht des Sterns ist jetzt
eine Gefahr für ihre Glaubwürdigkeit.
Dennoch haben sich die Grünen dazu entschieden, öffentlich erst mal den
Kopf einzuziehen. Reintke und andere Grüne in Brüssel wollen sich auf
Anfrage nicht zu der Angelegenheit äußern. „Aus Gründen der Vertraulichkeit
und zum Schutz potenzieller Betroffener“ könne man keine Angaben zu
konkreten Fällen machen, heißt es lediglich in einer Erklärung der
Fraktion. Man dulde allerdings „keinerlei Belästigung“ und bekleide bei dem
Thema im EU-Parlament eine „Führungsrolle“.
Tatsächlich haben die Grünen dort anders als andere Fraktionen [2][ein
eigenes Regelwerk für den Umgang mit sexueller Belästigung], das unter
anderem Präventionskurse und Mediationsverfahren vorsieht. Auch externe
Untersuchungen sind dort als Option aufgeführt, sie kommen für besonders
harte Fälle in Betracht und könnten Sanktionen nach sich ziehen. Solch ein
Verfahren dauert aber Monate und startet nur, wenn eine betroffene Person
namentlich einen Antrag beim Generalsekretär der Person stellt.
## Taugen die grünen Regeln in der Praxis?
Denkbar ist, dass keines der mutmaßlichen Opfer diese Hürde überspringen
wollte. Dann allerdings würde sich die Frage stellen, ob das Regelwerk der
Grünen praxistauglich ist – oder ob nicht zumindest für den Start einer
Untersuchung anonyme Hinweise ausreichen sollten. Auch zu einer Reform der
eigenen Regeln wollte sich bei den Grünen in Brüssel am Montag aber niemand
äußern. Und in Berlin sagte Parteichefin Ricarda Lang auf Nachfrage nur: Es
gebe Strukturen und die „wurden in den letzten Jahren auch deutlich
gestärkt“.
5 Mar 2024
## LINKS
[1] https://www.stern.de/gesellschaft/fall-malte-gall%C3%A9e--ein-gruener-ikaru…
[2] https://www.greens-efa.eu/de/artikel/policypaper/greens-efa-policy-for-the-…
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Grüne
Europaparlament
sexuelle Belästigung
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt #metoo
Universität Göttingen
Sexualisierte Gewalt
Schwerpunkt #metoo
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