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# taz.de -- Urteil gegen Göttinger Professor: Nötigung, kein „Patscher“
> Erneut musste sich ein Göttinger Professor wegen Übergriffen auf
> Studentinnen verantworten. Das vorherige Urteil wurde noch einmal
> verschärft.
Bild: Gruselige Vorstellung: Ein Göttinger Professor schlug Mitarbeiterinnen i…
Göttingen taz | Mit der flachen Hand [1][oder auch mal mit einem
Bambusstock] hat ein Professor aus Göttingen auf Brust, Waden und Po von
Mitarbeiterinnen geschlagen. Eine Doktorandin forderte er dazu auf, ihre
Hose und Unterhose bis zu den Knöcheln herunterzuziehen. Es sind Tatsachen,
die sowohl das Landgericht Göttingen als auch der Bundesgerichtshof (BGH)
längst festgestellt haben.
Doch in einem ersten Verfahren 2022 wurde dafür lediglich eine elfmonatige
Bewährungsstrafe verkündet. Staatsanwaltschaft und Nebenklage empfanden das
als zu mild und legten Revision ein. Der BGH befand, dass teilweise
ungenügend geprüft wurde, ob nicht auch eine Nötigung vorliegt. Der Ball
wurde zurück nach Göttingen gespielt. In einer zweiten Entscheidung
verschärfte das Gericht den Schuldspruch am Donnerstag auf eine
Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren.
Das Landgericht musste neu bewerten, ob Betroffene dazu genötigt wurden,
sich von ihrem Doktorvater schlagen zu lassen. Ihm wurde vorgeworfen,
Frauen wiederholt zu sich ins Büro bestellt und die Tür abgeschlossen zu
haben. Den Schlüssel soll er von der Tür abgezogen und in die Hosentasche
gesteckt haben, um „Züchtigungen“ zu vollziehen.
Das Gericht wertete die Ereignisse schon im ersten Prozess als
möglicherweise sexuell motiviert. Der 60-Jährige ließ das abstreiten. Es
habe sich zudem um „einvernehmliche Schläge“ gehandelt.
## Vorsitzende Richter: „Das ist so entwürdigend“
Einvernehmlichkeit hat es nach Auffassung der Kammer keinesfalls gegeben.
Der Wissenschaftler habe einer seiner Doktorandinnen zu verstehen gegeben,
dass sie in ihrer Promotion nicht weiterkommen werde, wenn sie nicht
mitmache. Nach den Schlägen soll der Mann seine Arme um die Frau gelegt und
sie dazu aufgefordert haben, sich zu bedanken. Nach einem „Thank you“
schloss er die Tür wieder auf. Das Ritual wiederholte sich – auch nachdem
die Doktorandin in Tränen ausgebrochen war und die Danksagung verweigerte.
Dem Angeklagten müsse bewusst gewesen sein, dass er gegen ihren Willen
handelte. Richter David Küttler gab zu Bedenken, dass sich eine erwachsene
Person entblößt vor ihrem Vorgesetzten beugen musste. „Das ist so
entwürdigend.“
Die neu zu bewertenden Fälle hatten sich 2015 ereignet. Die Verteidigerin
des Angeklagten erklärte, dass es eine Art „Punishment-Agreement“ mit einer
Doktorandin gegeben haben soll, um eine „Leistungssteigerung zu pushen“.
Die Anwältin bezeichnete die Übergriffe zudem als „Patscher“, die „die …
heute als Schläge bezeichnet“. Sie referierte darüber, dass
„Punishment-Angelegenheiten keine Seltenheit in Vietnam“ – im Geburtsland
der Nebenklägerin – seien.
Deren anwaltlicher Vertreter kritisierte diese Ausführungen zuletzt heftig,
berichtete das Göttinger Tageblatt. Die Zeugin sei als unterwürfige Asiatin
dargestellt worden, die es in Ordnung gefunden haben soll, geschlagen zu
werden. Das sei sowohl sexistisch als auch rassistisch. Die Verteidigerin
erklärte, dass es nur ihr Job sei, auf Widersprüche aufmerksam zu machen.
## Beamtenstatus kann aufgehoben werden
Der Angeklagte wich von seiner Blickrichtung zum Richter am Donnerstag
selten ab. Während der Urteilsbegründung schüttelte er den Kopf, mehr
emotionale Reaktion ließ er nicht erkennen. Auch nicht, als Küttler
erklärte, dass die Entscheidung auch [2][„nichts mit Me Too zu tun“ habe.]
„Es sind eben Dinge, die schon vor 15 bis 20 Jahren nicht gegangen wären.
Man kann einen Menschen nicht dazu bringen, sich Hose und Unterhose
herunterzuziehen, das ist ein No-Go.“
Nachdem die Universität Göttingen von den Anschuldigungen Wind bekommen
hatte, untersagte sie dem Wissenschaftler die Führung jeglicher
Dienstgeschäfte [3][und erhob eine Disziplinarklage. Das Ziel: den Beamten
loswerden.] Wenn das jetzige Urteil rechtskräftig wird, ist das gelungen.
Denn in Fällen, in denen eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr
vorliegt, erlischt der Beamt*innenstatus automatisch. Die jetzige
Entscheidung begrüßt die Uni laut eigener Aussage sehr, teilte sie nach der
Urteilsverkündung mit.
Im ersten Urteil erklärte das Gericht noch die milde Strafe damit, dass man
dem Angeklagten nicht den Verlust seines Status zumuten wollte. Jetzt hieß
es, dass der Verlust des Beamtenstatus ein Reflex dessen sei, wie
schwerwiegend die Taten seien.
22 Feb 2024
## LINKS
[1] /Sexismus-an-der-Universitaet-Goettingen/!5826013
[2] /Uebergriffe-von-Professor-in-Erfurt/!5921746
[3] /Trotz-sexueller-Uebergriffe/!5962543
## AUTOREN
Katja Spigiel
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Universität Göttingen
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