| # taz.de -- Trotz sexueller Übergriffe: Grabbel-Prof darf bleiben | |
| > Die Uni Göttingen wird einen Forstwissenschafts-Professor nicht los. | |
| > Dabei sieht das Gericht als erwiesen an, dass er mehrfach übergriffig | |
| > wurde. | |
| Bild: Führt nicht automatisch zum Verlust der Professur: Hand an der falschen … | |
| Göttingen taz | Unerwünschte Berührungen, sexistische Anmerkungen und | |
| übermäßiger Alkoholkonsum – all diese Vorwürfe wurden einem Professor der | |
| Georg-August-Universität Göttingen gemacht. Mit einer Disziplinarklage vorm | |
| Verwaltungsgericht gegen den Forstwissenschaftler hatte die Uni versucht, | |
| ihn aus diesen Gründen loszuwerden. Doch das Gericht verurteilte den Mann | |
| am Mittwoch lediglich zu einer Kürzung seiner Dienstbezüge um monatlich | |
| 2.000 Euro. | |
| Der Beschuldigte sprach zum Ende des Verfahrens von einer „Initiative | |
| sogenannter Kolleg*innen“ mit der Absicht, ihn in ein „perverses Licht zu | |
| stellen“. Die Anschuldigungen gegen sich bestritt er alle. | |
| Insgesamt sind 44 Vorwürfe mit der Klageschrift im April 2018 beim Gericht | |
| in Göttingen eingegangen und 19 Zeug*innen wurden befragt. Die | |
| verhandelnde Kammer hatte entschieden, sich auf die sexuelle Belästigung zu | |
| konzentrieren, denn der Missbrauch von Alkohol im Dienst sei nicht | |
| maßgeblich. Damit habe es ein „reduziertes Volumen von Vorwürfen“ gegeben. | |
| Von den „Übriggebliebenen“ stuft die Kammer zehn als nachgewiesen ein. Neun | |
| seien als Dienstvergehen zu lesen und in sechs Fällen stellte das Gericht | |
| sexuelle Belästigung fest. | |
| Ein Gegenstand des Verfahrens war eine Besprechung des Wissenschaftlers mit | |
| einer Doktorandin in seinem Büro. Dabei soll er mit seinem Fuß an der | |
| Innenseite ihres Beines hochgewandert sein. Das Gericht stuft den Vorfall | |
| als sexuelle Belästigung ein. Es habe weitere Situationen gegeben, in denen | |
| der Mann Zeug*innen an der Hüfte oder am Oberschenkel berührt habe. | |
| ## Betroffene wollte „keine Szene“ machen | |
| In einem Fall sei die Hand des Professors „relativ weit oben und relativ | |
| weit innen auf dem Bein“ gewesen, in einem anderen soll der heute | |
| 60-Jährige seine Hand auf das Bein einer Zeugin gepresst haben. Im | |
| Zeug*innenstand gab die Betroffene an, sie habe „keine Szene“ machen | |
| wollen und habe sich damit abgefunden. | |
| Es ist nicht das erste Mal, dass die Exzellenz-Uni Schlagzeilen dieser Art | |
| macht. Im vergangenen Jahr hat [1][ein anderer Forstwissenschaftler, der | |
| „Prügel-Prof“], für Aufsehen gesorgt. Die Bezeichnung kommt nicht von | |
| ungefähr: Er soll Frauen geschlagen haben. Eine Doktorandin habe er dazu | |
| gedrängt, sich mit einem Stock auf ihr nacktes Gesäß schlagen zu lassen. | |
| Der NDR berichtete, der Mann habe später eingeräumt, einer Frau auf ihren | |
| Oberschenkel gehauen zu haben, „damit sie mit ihrer Doktorarbeit ‚in die | |
| Strümpfe komme‘“. Letztlich verurteilte das Gericht den Wissenschaftler | |
| wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe. | |
| Das Strafmaß wurde laut Medienberichten damit begründet, dass das Gericht | |
| dem Mann nicht den Verlust seines Beamtenstatus zumuten wolle. Der | |
| Staatsanwaltschaft war das nicht genug: Sie gab den Fall an die | |
| Bundesanwaltschaft weiter, die dann vor den BGH zog. Der befand das Urteil | |
| auch nicht für ausreichend. Indem der Professor seiner Doktorandin gedroht | |
| habe, ihre Promotion scheitern zu lassen, habe er sie unter Druck gesetzt. | |
| Der Tatverdacht der Nötigung müsse somit in die Gerichtsentscheidung | |
| einfließen. Das ursprüngliche Urteil wurde aufgehoben und an eine andere | |
| Kammer des Landgerichts zur Neuverhandlung gegeben. | |
| Auch im aktuellen Fall entschied das Gericht, den Professor nicht aus dem | |
| Beamtenverhältnis zu entfernen. Der Wissenschaftler, der 2011 als Professor | |
| auf Lebenszeit berufen worden war, bleibt es weiterhin. Allerdings fällt er | |
| in der Besoldung um zwei Stufen und damit auf die eines Juniorprofessors | |
| herab. Das bedeutet 2.000 Euro weniger im Monat. Der Professorenstatus ist | |
| nicht mehr in Gefahr. „Wir nehmen das Urteil mit großer Überraschung zur | |
| Kenntnis“, heißt es von der Pressestelle der Uni. Es seien schließlich | |
| gravierende Verstöße gegen Dienstpflichten belegt. | |
| ## Erste Hinweise vor elf Jahren | |
| Schon ein Jahr nach seiner Verbeamtung soll die Gleichstellungsbeauftragte | |
| über unerwünschtes Verhalten des Professors informiert worden sein. In | |
| Gesprächen habe der Wissenschaftler die Anschuldigungen abgestritten. | |
| Hinweise auf grenzüberschreitendes Verhalten rissen aber nicht ab. 2017 | |
| erteilte die Universität dem Professor ein Hausverbot und untersagte ihm, | |
| Dienstgeschäfte zu führen. Das Gericht spricht davon, dass die Uni die | |
| Entscheidung revidieren solle. | |
| Auf der Website der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie ist | |
| [2][in orangener Signalfarbe zu lesen]: „Stoppt sexualisierte Belästigung | |
| und Gewalt!“ Die Uni gibt an, sie ziehe ernsthafte Konsequenzen. Betroffene | |
| und Personen, die Fehlverhalten beobachten, werden ermutigt, „sich umgehend | |
| an entsprechenden Beratungsstellen und Ansprechpersonen zu wenden“. Es | |
| finden zudem Workshops zur Sensibilisierung und Prävention statt. | |
| Es hat auch Zeug*innen gegeben, die angeben, sich an kein übergriffiges | |
| Verhalten des Professors zu erinnern. Im Zeug*innenstand wurde die | |
| Annahme formuliert, es handele sich um Intrigen und um eine Verschwörung | |
| gegen den Professor. Das Gericht hielt es indes für „natürlich“, dass | |
| Betroffene sich austauschen und fragen, ob auch weitere Personen ähnliche | |
| Erfahrungen gemacht hätten und zu einer Aussage bereit seien. | |
| Die Kammer ist der Auffassung, dass der Beschuldigte Macht- und | |
| Hierarchieverhältnisse genutzt und sich uneinsichtig gezeigt habe. Die Uni | |
| kündigte an, voraussichtlich Berufung gegen das Urteil einzulegen. Man | |
| dulde keine sexualisierte Belästigung und wolle „sämtliche rechtlichen und | |
| disziplinarischen Maßnahmen ausschöpfen“, um die Wiederholung solcher Taten | |
| zu verhindern. | |
| 11 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Sexismus-an-der-Universitaet-Goettingen/!5826013 | |
| [2] https://uni-goettingen.de/de/19852.html | |
| ## AUTOREN | |
| Katja Spigiel | |
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