# taz.de -- Wissenschaftler entwickeln neue Hardware: Energiewende in der KI | |
> Künstliche Intelligenz braucht viel Energie. Kieler Wissenschaftler | |
> stellen Hardware vor, die so sparsam arbeiten soll wie das menschliche | |
> Gehirn. | |
Bild: Energieintensiver Ort, zumal bei KI-Anwendungen: Serverraum, hier in Fran… | |
HAMBURG taz | Was unser Gehirn besonders macht, ist nicht unbedingt seine | |
Rechenleistung. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal ist sein | |
Energieverbrauch. Das chinesische Brettspiel Go ist ein gutes Beispiel. | |
Ähnlich wie Schach ist es hochkomplex und bedarf Jahre der Übung. 2015 | |
gelang es dem von Google entwickelten KI-Programm „AlphaGo“ erstmals, einen | |
Menschen zu besiegen. Doch während des menschliche Gehirn etwa 25 Watt für | |
solche Denkaufgaben benötigt, verbraucht ein gleichstarkes Computerprogramm | |
rund drei- bis viermal so viel Energie. | |
Dass [1][künstliche Intelligenz] so viel Energie verbraucht, hat mit der | |
Hardware zu tun, auf der sie läuft: große Mengen enorm leistungsstarker | |
Siliziumchips. Die sind zwar für Rechenaufgaben gut geeignet, brauchen aber | |
für Mustererkennung oder Textgenerierung [2][viel Energie]. Unser Gehirn | |
hingegen arbeitet nach Millionen Jahren Evolution hocheffizient. Von 86 | |
Milliarden Neuronen im Gehirn sind nie alle gleichzeitig aktiv, sondern nur | |
diejenigen, die für Informationsverarbeitung zentral und unverzichtbar | |
sind. | |
„Unser Gehirn vereint Speicher und CPU und ist flüssigkeitsdurchströmt. Das | |
hat zwei Vorteile: die Kühlung und die Energieversorgung“, sagt Rainer | |
Adelung, Professor für Funktionale Nanomaterialien an der Uni Kiel. „Alle | |
Neuronen sind direkt mit Energie versorgt und können Spannungen durch ein | |
fluides Medium weitergeben. Im Grunde müssten wir Speicherchips und CPUs | |
pürieren und in die Batterie stopfen, dann hätten wir auch kein | |
Temperaturproblem im PC mehr.“ | |
Wissenschaftler der [3][Universität Kiel] haben nun ein Paper vorgelegt, in | |
dem sie erstmals Hardware-Komponenten vorstellen, die sich am menschlichen | |
Gehirn orientieren. Sogenannte „Memristoren“ – gebildet aus „Memory“ … | |
„Resistor“ – sind Speicher und elektrischer Widerstand in einem. Sie soll… | |
ähnlich effizient arbeiten wie das menschliche Gehirn. Die Hardware ist | |
eine Art künstliche Synapse. | |
Doch um das [4][Gehirn] nachzubauen, muss man erst verstehen, wie es | |
arbeitet. Das Forscherteam hat sieben Dimensionen ausgemacht, die das | |
menschliche Gehirn beschreiben. Zunächst werden Informationen in einem | |
dreidimensionalen Netzwerk aus Neuronen verarbeitet. Diese Neuronen | |
verknüpfen sich untereinander selbstständig und fortlaufend. Diese | |
sogenannte Plastizität, also das Formen und Auflösen von synaptischen | |
Verbindungen dort, wo sie nötig sind, ist zentrale Voraussetzung für | |
Erinnern. | |
Im Optimalzustand arbeitet das Gehirn an der Schwelle zwischen chaotischer | |
Unordnung und rigider Starre. An diesem Übergang, der „Kritikalität“, hat | |
es genug Stabilität und Gestaltungsraum zugleich, um synaptische | |
Verbindungen zu bauen. Weiterhin synchronisieren sich Neuronenimpulse, bei | |
Sinneswahrnehmung aus der Umgebung. | |
Zuletzt ist das Nervensystem hierarchisch und modular aufgebaut, viele | |
kleine Netzwerke ergeben also ein großes. Diese Bauart macht es relativ | |
unempfindlich gegenüber Verletzungen. „Das sind Gegenpole“, sagt Hermann | |
Kohlstedt, „man will etwas Robustes haben, dass gleichzeitig auf die | |
Umgebung reagieren kann. Das können biologische Systeme extrem gut.“ | |
Kohlstedt ist Professor für Nanoelektronik und Sprecher des | |
Forschungsprojektes. | |
Wie übersetzt man diese Prinzipien in Hardware? Die Kieler Forscher wählten | |
mehrere Experimente, um möglichst viele der sieben Hirnfunktionen | |
abzudecken. In einem Test maßen sie die Leitfähigkeit von | |
Silber-Gold-Nanopartikeln in einer Flüssigkeit: Als die Forscher ein | |
elektrisches Signal anlegten, ordneten sich die Partikel selbstständig, um | |
es weiterzuleiten. Ähnlich wie die Synapsen im Gehirn fanden die Partikel | |
einen Weg, Informationswege zu legen – und ähnlich wie das Gehirn taten sie | |
dies nahe der Kritikalität. | |
In weiteren Experimenten wurden Zinkoxid-Nanopartikel und elektrochemisch | |
gebildete Metallfilamente untersucht: Erstere erwiesen sich als besonders | |
robust, letztere synchronisierten ihre elektrischen Signale und waren | |
modular aufgebaut. „Es gibt noch kein System, das alles kann. Jetzt ist die | |
Aufgabe, eines zu bauen, das so viele Kriterien wie möglich erfüllt“, sagt | |
Maik-Ivo Terasa. Er promoviert in dem Projekt und ist Hauptautor der | |
Studie. „Es geht darum, etwas Neues zu schaffen, dass die siliziumbasierten | |
Architekturen ergänzen kann und Dinge tun kann, die Siliziumrechner nicht | |
gut können.“ | |
Die neuen Hardware-Teile könnten in KI-Systemen im Auto verbaut werden oder | |
den Weg zu humanoiden Robotern ebnen. „Als Nächstes könnten wir bei | |
Chatbots mit Armen und Beinen ankommen“, sagt Adelung. „Die Menschheit hat | |
es fast geschafft, körperliche Arbeit auszulagern. Dann können wir über | |
philosophische Fragen, nach dem Lebenssinn nachdenken. Das ist ein bisschen | |
wie bei ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘: Wir haben die Antwort, jetzt | |
können wir über die Frage nachdenken.“ | |
25 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Leopold Pelizaeus | |
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