# taz.de -- Fraktionsklausur der Grünen in Leipzig: An der Schuldenbremse vorb… | |
> Grüne und SPD jonglieren mit neuen Modellen, um Union und FDP davon zu | |
> überzeugen, die Schuldenbremse zu umgehen. Kann das funktionieren? | |
Bild: Zeigt er Richtung Exit oder Ausweg? Robert Habeck | |
Leipzig und Berlin taz | Die Werkshallen sind voll ausgelastet. In einem | |
Gewerbegebiet im Leipziger Westen ist am Mittwoch eine Gruppe | |
Grünen-Abgeordneter zu Gast, sie machen im Rahmen [1][ihrer Klausurtagung] | |
einen Abstecher zum Straßenbahnhersteller Heiterblick. Zu sehen bekommen | |
sie auf ihrem Ausflug einiges: An neuen Wagen für Dortmund schrauben die | |
Arbeiter*innen in der einen Halle, neue Trambahnen für Würzburg stehen | |
in der anderen. Das Auftragsbuch ist voll. | |
Zumindest noch: Was die Firma in diesem und den nächsten Jahren abarbeitet, | |
wurde alles vor Beginn des [2][Ukrainekriegs] geordert. Seitdem, so der | |
Geschäftsführer, stiegen allein die Materialkosten um über 40 Prozent. | |
Gleichzeitig steht es um die öffentlichen Haushalte bekanntermaßen nicht | |
mehr blendend. Woher in Zukunft das Geld für neue Bahnen und andere | |
Projekte kommt: ungewiss. | |
Auf ihrer Klausur verabschieden die grünen Abgeordneten später am Tag einen | |
konkreten Vorschlag. „Ohne eine Reform [3][der Schuldenbremse] werden wir | |
das Notwendige nicht finanzieren können“, heißt es in ihrem Beschluss. Die | |
Bundestagsfraktion fordert die Errichtung eines Investitionsfonds, für den | |
der Staat nach einer Grundgesetzänderung mehr Kredite aufnehmen dürfte als | |
bisher. | |
Sie modifiziert damit einen Vorschlag, den Vizekanzler Robert Habeck Anfang | |
Februar unterbreitet hatte: Er möchte Milliardenkredite aufnehmen, um | |
Unternehmen mit Steuererleichterungen für Investitionen zu belohnen. In der | |
Variante der Fraktion tauchen ebenfalls Anreize für private Aufwendungen | |
auf, vor allem geht es aber um öffentliche Investitionen in Klimaschutz und | |
Infrastruktur. | |
## Kommt der Sonderfonds fürs Klima? | |
Aus grüner Sicht ist ein Weg vorbei an der Schuldenbremse dringend nötig – | |
ob in dieser oder in anderer Form. Für den Haushalt 2025 fehlen nach | |
jetzigem Stand Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe, für die Folgejahre | |
sieht es nicht besser aus. An der Schuldenbremse schrauben lässt sich aber | |
nur über eine Grundgesetzänderung und dafür müsste neben der FDP auch die | |
Union überzeugt werden. | |
Auf CDU und CSU zielt daher der neue Vorschlag wesentlich ab: Vom | |
Investitionsfonds sollen neben dem Bund auch Kommunen und Länder | |
profitieren. Also: auch Bürgermeister*innen und | |
Ministerpräsident*innen der Union, die zum Teil ebenfalls | |
Reformbedarf sehen, aber CDU-Chef Friedrich Merz bisher nicht überzeugen | |
können. „Wenn es so viele Befürworter gibt, muss es auch einen Weg geben“, | |
sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge in Leipzig mit Blick auf die | |
Konservativen. | |
Ob das Kalkül aufgeht? Ein Fonds mit Schwerpunkt Klimaschutz würde vor | |
allem bei den Grünen und Habeck einzahlen. Große Erfolge gönnen ihnen | |
erfahrungsgemäß aber weder FDP noch Union. Anders sähe das bei weiteren | |
Modellen aus, für die es unter den Grünen Sympathien gibt: das | |
Sondervermögen für die Bundeswehr aufzustocken oder die Ukraine-Hilfen | |
künftig durch Kredite zu finanzieren und so Luft im Kernhaushalt zu | |
schaffen. Beide Verwendungszwecke sind nicht genuin grün, hinter beiden | |
könnte sich die Union sammeln. | |
„Wir müssen die notwendigen haushaltspolitischen Lösungen finden, damit die | |
Ukraine den Krieg gewinnen kann“, sagt etwa die Grünen-Abgeordnete Karoline | |
Otte. „Dafür müssen wir die Schuldenbremse hinterfragen. Eine Aussetzung | |
der Schuldenbremse oder ein Sondervermögen für die Unterstützung der | |
Ukraine sind relevante Optionen.“ Nicht nur für die militärische | |
Unterstützung schwebt ihr das vor, sondern auch, um den ukrainischen Staat | |
am Laufen zu halten und Wiederaufbauprojekte anzugehen. | |
## Viele Vorschläge, wenige realistische Optionen | |
Theoretisch kommt das nicht erst für den Haushalt 2025 in Frage, sondern | |
schon für das laufende Jahr: Prinzipiell haben die Ampelparteien schon Ende | |
des letzten Jahres vereinbart, 2024 die Schuldenbremse wieder auszusetzen, | |
falls sich die Lage der Ukraine verschlechtert. Um die Notstandsklausel zu | |
ziehen, bräuchte es anders als für ein neues kreditfinanziertes | |
Sondervermögen nicht mal eine Verfassungsänderung, also auch keine Stimmen | |
der Union. | |
Einen großen Haken gibt es aber auch dabei: Ob sich die FDP tatsächlich | |
noch an die Vereinbarung gebunden fühlt, ist fraglich. In dem | |
Bundestagsbeschluss, mit dem die Koalition letzte Woche ihre Solidarität | |
mit der Ukraine bekräftigte, tauchte der Punkt nicht mehr auf. | |
Immerhin mit der SPD könnten die Grünen aber noch Allianzen bilden. Kanzler | |
Olaf Scholz wies zwar am Dienstag erneut darauf hin, dass für eine | |
Grundgesetzänderung keine Mehrheit in Sicht sei. Seine Fraktion arbeitet | |
aber auch an Vorschlägen für eine Reform der Schuldenbremse und hat dafür | |
eine Steuerungsgruppe eingesetzt. Geleitet wird sie von Fraktionsvize Achim | |
Post, dabei sind auch die Vizes Verena Hubertz und Matthias Miersch, | |
Haushälter Dennis Rohde und Finanzpolitiker Michael Schrodi. Anfang März | |
will sich die Gruppe zum ersten Mal treffen, bis zum Sommer ein | |
Zwischenergebnis vorlegen. | |
Schon auf ihrem Parteitag im Dezember hatte die SPD etwa ein Sondervermögen | |
für Bildung gefordert. An Vorschlägen für mehr finanziellen Spielraum | |
mangelt es in der Ampel also nicht. Nur an den nötigen Mehrheiten. | |
28 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
Anna Lehmann | |
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