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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Nur keine Ordnung
> Zusammenhalt statt großer Coup: In seinem Film „Am Tag, als der Regen
> kam“ von 1959 zeigt Gerd Oswald eine Gruppe Kleinganoven in ganz anderem
> Licht.
Bild: Christian Wolff und Horst Naumann in „Am Tag, als der Regen kam“ (195…
So richtig regnen tut es gar nicht in dem Film „Am Tag, als der Regen kam“
(1959), der nun als [1][„Rarität des Monats“] von Berlin-Film-Katalog im
Cosima Filmtheater gezeigt wird. Dennoch ist das Berlin, das der Regisseur
Gerd Oswald in dem von Artur Brauner produzierten Film zeichnet, düster und
grau und voller Schattenspiele wie in einem Film noir.
Ende der Fünfziger, das ist eigentlich die Zeit des Wirtschaftswunders in
Deutschland. Aber bei den Jugendlichen, den sogenannten Halbstarken, die
hier Berlin unsicher machen, ist dieses nicht wirklich angekommen. Die
Bande, die Werner anführt, der von [2][Mario Adorf] gespielt wird, will mit
den Spießern, die von morgens bis abends arbeiten und danach ihr Glück im
Schrebergarten finden, auch gar nichts zu tun haben.
„Sicherheit, Ordnung“, sagt Werner zu seinem Vater, der von Gerd Fröbe
gespielt wird, nein, das strebe er überhaupt nicht an. Wobei sein Vater
nicht einmal angekommen ist im sicheren, ordentlichen, bürgerlichen Leben.
Er ist ein Arzt mit einem gewaltigen Alkoholproblem und öfter betrunken als
nüchtern.
Werner und seine Bande sind Kleinganoven, die Autos klauen und auf ihren
Motorrädern die Straßen unsicher machen. Abends geht es dann in Tanzbars,
in denen ihre Freundinnen warten. Irgendwann soll ein richtiger Coup
kommen, ein echter Überfall. Aber Robert, ein Mitglied der Bande, will
nicht mitmachen, er will sogar ganz aussteigen und ein neues, anderes Leben
beginnen, zusammen mit seiner Freundin.
Doch für so etwas hat Werner kein Verständnis und macht Robert klar, dass
es einen Ausstieg für diesen nicht geben kann. Letzterer verpfeift
daraufhin die Bande bei der Polizei, was diese prompt herausfindet.
Robert muss sich nun gegenüber seinen Kameraden verantworten. Die Frage
lautet: Wie geht man um mit einem Verräter? Aber zu dem Zeitpunkt merkt die
Bande bereits, dass sie keine sinnvolle Antwort finden wird. Sie hat ihr
Schicksal gar nicht mehr in der eigenen Hand.
Der Film von Gerd Oswald ist ein echter Krimi, der über weite Strecken
hinweg nicht besonders temporeich erzählt wird, um am Ende doch noch
richtig spannend und sogar überraschend zu sein. Die Sympathie des
Regisseurs gehört durchaus den Jugendlichen, den Verdammten einer
[3][Gesellschaft in der Nachkriegszeit], die sich bereits in der
bedrückenden Atmosphäre des Kalten Kriegs befindet.
Als Robert auf einer Polizeiwache für ein Verhör landet, zeigt sich, wie
sich Autoritäten in diesem Deutschland auch Jahre nach dem Untergang des
Nazi-Terroregimes immer noch aufführen und was genau das für eine
Gegenreaktion bei den Jugendlichen hervorruft, die sich von den Alten nicht
mehr alles sagen lassen wollen. Robert solle gefälligst nur dann reden,
wenn er gefragt werde, wird ihm von einem der Beamten beschieden. Der
lächelt dazu nur süffisant und sein Gesichtsausdruck verrät, was er von
solchen Ansagen hält.
Die Gangster in dem Film sind keine knallharten Hunde, die über Leichen
gehen. Sondern sie tun eher so, als wären sie welche. Es wirkt so, als
wolle Gerd Oswald damit ausdrücken: Eigentlich sind das gute Jungs, die
eine echte Chance verdient haben. Auch wenn er genau diese ihnen am Ende
verwehrt.
Werner und seine Jungs wollten sich auflehnen gegen die bestehende Ordnung.
Aber sie haben sich verzockt. In dem Moment, in dem das Bandengefüge
erodiert, das von Werner geschmiedet wurde, sind sie verloren.
28 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.berlinfilmkatalog.de/Raritaet-des-Monats/
[2] /Stolperstein-fuer-Bruno-Luedke/!5793059
[3] /Archiv-Suche/!5343147&s=Gerd+Oswald&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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