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# taz.de -- „Baller League“-Projekt auf Twitch: Ball ist rund, Klicks sind …
> In der Baller League führen Promis Amateurfußballer durch ein absurdes
> Hallenturnier. Die angekündigte Revolution des Fußballs ist das aber
> nicht.
Bild: Trainierte Arme vom Kampfsport, jetzt auch Fußballtrainer: Rapper Kontra…
Anpfiff. [1][Gönrgy Allstars] gegen Käfigtiger. Sechs Spieler pro Team
betreten das Feld, rotes Licht flackert durch die zur Fußballarena
umgebaute Motorworld in Köln, Hip-Hop-Sounds dröhnen aus den Lautsprechern.
„Zu den bekannten Beats gehts aufs Feld“, beschreibt der Kommentator die
Szene. Dem Publikum, ein paar Hundert Leuten hier in der Halle und über
900.000 weitere auf den Streaming-Plattformen Twitch und Joyn, wird eine
Show geboten. Ein Spiel pro Abend läuft zusätzlich auch im Free-TV bei
ProSieben MAXX.
Es ist Montagabend, 12. Februar, der 4. Spieltag der neuen [2][Baller
League]. Bis Anfang April kicken in dieser Liga jeden Montag 12 Teams,
bestehend aus Amateurfußballern, im Kleinfeldfußball-Modus gegeneinander.
Unter den besten vier Teams wird dann der erste Sieger der Baller League
erspielt. [3][Sie wurde von Mats Hummels und Lukas Podolski], den
Fußball-Weltmeistern von 2014, gegründet. „Unvorhersehbarer, echter und
technischer Fußball – ohne Politik. Ohne Taktik“, das wird auf der Website
der Baller League versprochen. Bolzplatz-Feeling also – „für alle
Fußballfans, aber auch für alle, die es noch nicht waren.“.
Das Spiel der Gönrgy Allstars gegen die Käfigtiger beginnt aber zäh.
Bereits nach sieben Sekunden versammeln sich sechs Spieler zu einem
Massenzweikampf. Ein Akteur der Allstars kommt mit dem Ball davon, verliert
diesen jedoch schnell an die Auslinie. Ähnlich gestalten sich die nächsten
Minuten: viele Zweikämpfe, viele Ballverluste, wenig fußballerische Klasse.
Der erste Torschuss der Käfigtiger kommt vom eigenen Torhüter, der von der
Mittellinie abzieht. Beim Schussversuch rutscht er aus, der Ball kullert
einen guten Meter am Tor vorbei. Guten Fußball bekommen die Fans bei der
Baller League also nur bedingt geboten.
## Kein hohes Niveau
Es handelt es sich beim Großteil der Spieler um Amateure. Das soll nicht
heißen, dass es schlechte Fußballer sind. Trotzdem, die Champions League
sieht anders aus. Zudem trainieren die Teams der Baller League nicht
gemeinsam. So kann zumindest das Versprechen von Fußball „ohne Taktik“
eingehalten werden. Dem Spielfluss kommt das aber nicht zugute.
Überschaubares fußballerisches Niveau und unbekannte Amateurfußballer also.
Die Vermutung liegt nahe, dass das nicht die Hauptgründe für die hohen
Einschaltquoten sind. Die wahren Zuschauermagneten sind wohl die
Teammanager: Der Coach von Gönrgy Allstars ist zum Beispiel der Streamer
MontanaBlack, der auf Twitch über fünf Millionen Abonnenten zählt.
Das erklärt auch den Namen seines Teams, MontanaBlack produziert einen
gleichnamigen Energydrink. Weitere prominente Manager der
Baller-League-Teams sind Weltmeister Christoph Kramer und
Vize-Europameisterin Jule Brand, die Fußballerin Alisha Lehmann oder die
ehemaligen Profis Max Kruse und Kevin Prince Boateng. Auch Lukas Podolski
ist Teil eines Trainerteams.
Außerdem ist eine ganze Reihe an Internetstars, Youtubern, Influencern,
Comedians und Musikern am Start: Felix Lobrecht, Sascha Hellinger, Knossi,
Gamerbrother, Kontra K. Auf Social Media haben sie alle eine riesige
Reichweite.
## Fußball nicht nur für Fußballfans
Zum Publikum dieser Personen gehören nicht nur Fußballfans. Und damit
dieses Publikum dranbleibt, muss der Fußball besonders kurzweilig sein. In
der Baller League wird daher nur 15 Minuten pro Halbzeit gespielt, in den
letzten 3 Minuten jeder Halbzeit wird zufällig eine Sonderregel, genannt
Gamechanger, eingeführt, um für extra Spannung zu sorgen.
Zum Beispiel zählen dann Tore doppelt oder nur noch Tore per Volley. Und
nach dem 2. Spieltag wurden kurzerhand Eckbälle abgeschafft, da die zu
wenige Torchancen ergaben. Seitdem heißt es: Drei Ecken ergeben einen
Elfmeter. Die sind übrigens auch keine klassischen Elfmeter, denn die
wurden als zu langweilig befunden. Stattdessen wird ein Penalty wie beim
Eishockey ausgeführt: Ein Spieler darf von der Mittellinie aus ungestört
auf das gegnerische Tor zulaufen und muss den Torhüter im Eins-gegen-eins
bezwingen.
Bei Gönrgy gegen Käfigtiger steht es zur 12. Minute 1:0 für das Team von
MontanaBlack, als der Gamechanger „3Play“ zum Zug kommt – statt sechs geg…
sechs wird plötzlich nur noch drei gegen drei gespielt. Den zusätzlichen
Platz wissen die Teams prompt zu nutzen, nach fast jedem Angriff ertönt die
fetzige Tormusik. Schlussendlich steht es zur Pause 3:2. Für Action sorgen
die Gamechanger also allemal.
Die zweite Halbzeit hat zunächst etwas mehr Spannung zu bieten, fällt dann
aber wieder in Trance. Kurz vor Schluss kommt aber der entscheidende
Siegtreffer von Gönrgy. Endstand: 5:4.
Das Spiel hat nicht alle überzeugt – trotz aller Sonderregeln. Ein User auf
Twitch schlägt eine Namensänderung der Käfigtiger zu Käfigkätzchen vor.
Zumindest Fans von ausschweifenden Jubelszenen kamen aber auf ihre Kosten,
als MontanaBlack nach Abpfiff aufs Spielfeld stürmte, um den ersten Sieg
seiner Gönrgy Allstars zu feiern.
## Alles wird gefilmt
Kein Promi-Moment darf hier verpasst werden. Während der Youtuber seine
Spieler innig umarmt und in einer Jubeltraube umherspringt, stehen fünf
Leute mit Kamera und Smartphone bereit, um jede Emotion einzufangen. Das
Vorbild der Baller League kommt aus Spanien. Die 2022 von dem ehemaligen
Barcelona-Star Gerard Pique gegründete Kings League funktioniert ähnlich
wie die Baller League und generiert ebenfalls hohe Klickzahlen. Die
Finalrunde der ersten Saison lockte im März vergangenen Jahres 92.522
BesucherInnen in Barcelonas Camp-Nou-Stadion.
Doch das Vorbild der deutschen Baller League kann schnell zur Konkurrenz
werden, die Kings League will expandieren. In Zukunft soll es acht bis zehn
nationale Wettbewerbe geben, dabei ist der deutsche Markt auch ein Thema.
Und dann gibt es da auch noch die Icon League. Die wurde von Weltmeister
Toni Kroos und dem Livestreamer Elias Nerlich ins Leben gerufen, soll noch
dieses Jahr in Deutschland an den Start gehen und basiert auf demselben
Konzept: Kleinfeldfußball mit Promi-Teammanagern. Derzeit sind unter
anderem David Alaba und Rapper Luciano als Coaches bestätigt.
Unterdessen sorgt die Baller League für erste Kontroversen. Der FV
Bonn-Endenich 1908 trennte sich von fünf Spielern, nachdem diese lieber bei
der Baller League spielten, anstatt dem Verein im Abstiegskampf zu helfen.
Der Fünftligist steht in der Mittelrhein-Liga derzeit auf Platz 14, einen
Punkt entfernt vom letzten Nichtabstiegsplatz.
Sportdirektor Markus Köppe äußerte seinen Unmut darüber in einem
Facebook-Video: „Der Fokus auf den Abstiegskampf hat sich völlig
verschoben, es ging nur noch um die Baller League. Wie ein Virus hat sich
das Ding bei uns durch die Kabine gezogen. Auch der Ligakonkurrent
Siegburger SV strich zwei Spieler aufgrund eines Engagements bei der Baller
League aus dem Kader. Pro Spiel verdienen die Spieler in der Baller League
derzeit 250 Euro, in Zukunft soll es noch mehr werden. Damit können die
Amateurvereine finanziell nicht mithalten.
Auch wenn die Baller League das behauptet: Eine Rückkehr zu den Wurzeln des
Fußballs ist sie mit ihren Promis und Streamern jedenfalls nicht. Die
findet man dann doch eher beim FV Bonn-Endenich 1908 oder den vielen
anderen Amateurvereinen des Landes.
28 Feb 2024
## LINKS
[1] /SZ-Podcast-ueber-Sportwetten/!5907951
[2] /Jule-Brand-und-die-Baller-League/!5987122
[3] /Alternative-Fussballliga/!5970962
## AUTOREN
Livio Koppe
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