# taz.de -- Parlamentswahlen in Pakistan: Überraschungserfolg der Opposition | |
> Bei den Wahlen holen Kandidat:innen, die dem inhaftierten Ex-Premier Khan | |
> nahestehen, die meisten Stimmen. Regieren werden sie wohl aber nicht. | |
Bild: Ein Unterstützer der Partei PTI von Imran Khan | |
MUMBAI taz | Nach einer umstrittenen Parlamentswahl am Donnerstag | |
verspricht das Wahlergebnis vorerst keine Beruhigung der angespannten Lage | |
in Pakistan. Die meisten Sitze in der Nationalversammlung holten | |
Kandidat:innen, die der Partei des inhaftierten Ex-Premier Imran Khan (PTI) | |
nahestehen. | |
Die Partei war – wie Khan – von der Wahl eigentlich ausgeschlossen worden. | |
Laut Wahlkommission holten unabhängige Kandidaten allerdings 101 von 266 | |
Mandate. Von ihnen stehen 97 der PTI nahe. Der als Favorit gehandelte Nawaz | |
Sharif von der Muslimliga PML-N, ebenfalls ehemaliger Premierminister, | |
holte 76 Sitze. Die Pakistanische Volkspartei PPP liegt mit 54 Sitzen an | |
dritter Stelle. | |
Pakistan sei ein sehr junges Land, und so kämen bei jeder Wahl viele junge | |
Wähler hinzu. Sie hätten die PTI – beziehungsweise die unabhängigen | |
Kandidat:innen – auf ein Niveau gehoben, das viele überrascht habe, | |
sagt Farhan Zaheer vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg der | |
taz. „Viele Menschen in und außerhalb Pakistans dachten, dass die PML-N in | |
der Position wäre, eine Regierung zu bilden“, doch das sei nicht der Fall, | |
erklärt er. Damit steht die Atommacht Pakistan [1][vor einer schwierigen | |
Phase der Regierungsbildung]. | |
Imran Khan meldete sich unterdessen in den sozialen Medien mit einer | |
Siegesrede zu Wort – generiert mithilfe künstlicher Intelligenz. Weil der | |
ehemalige Cricket-Star im Gefängnis sitzt, wurden bereits im [2][Wahlkampf | |
Videos von Ansprachen Khans] erzeugt, in denen er gar nicht selbst spricht, | |
sondern ein Computerprogramm auf Basis vorangegangener Reden neue, | |
ultrarealistische Videos generiert. In der Siegesansprache heißt es: „Meine | |
geliebten Landsleute! Indem ihr so zahlreich zur Wahl gegangen seid und von | |
eurem demokratischen Wahlrecht Gebrauch gemacht habt, habt ihr den | |
Grundstein für die Wiederherstellung der Freiheit der Bürgerrechte gelegt“, | |
so der 71-Jährige. Seine Anhänger wurden dazu aufgerufen, den | |
„Erdrutschsieg“, den sie trotz des „harten Vorgehens“ gegen die PTI | |
erringen konnte, zu feiern. | |
## Nawaz Sharif reklamiert Wahlsieg für sich | |
Wohl noch nie konnte ein Politiker in Pakistan einen solchen Wahlerfolg | |
ohne die Unterstützung der Generäle verzeichnen. Dennoch reklamiert neben | |
Khan auch Hauptkonkurrent Nawaz Sharif den Wahlsieg für sich. Der | |
74-Jährige ist ein Vertreter der alten Eliten und hat bereits angekündigt, | |
eine Koalitionsregierung bilden zu wollen. | |
Naheliegend wäre eine Koalition mit der Volkspartei PPP. Dessen | |
Vorsitzender Bilawal Bhutto Zardari – Teil der einflussreichen | |
Bhutto-Familie – zeigte sich vor den Wahlen daran weniger interessiert. | |
Experte Zaheer erkennt darin eine Abneigung, Sharif als Premierminister zu | |
unterstützen. Der war erst kurz vor den Wahlen wieder nach Pakistan | |
zurückgekehrt. Möglich wäre nun auch, so Zahmer, dass Shehbaz Sharif, der | |
jüngere Bruder Nawaz Sharifs, und ebenfalls Ex-Premierminister, das Amt | |
erneut übernimmt. Er amtierte bereits von April 2022 bis August 2023. | |
„Beide Parteien hätten die Unterstützung des Militärs, wenn sie eine | |
Koalition eingehen würden“, sagt Zaheer. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, | |
dass sich die erforderliche Zahl von unabhängigen Kandidat:innen und | |
Lokalparteien dem Bündnis anschließt, um so die Regierung zu bilden. | |
Medienberichten zufolge sollen sich mehrere Unabhängige bereits der | |
Muslimliga angeschlossen haben. | |
Die Sharifs werden nun versuchen, eine Mehrheit in der Nationalversammlung | |
zu erhalten. Am Sonntag fanden bereits erste Gespräche mit der lokalen | |
Partei MQM-P statt. Die von der PTI unterstützten Kandidat:innen müssen | |
als offiziell Unabhängige bei der Besetzung wichtiger Ämter nicht | |
parteigebunden abstimmen. Parteiwechsel sind ihnen weiterhin möglich. | |
## Khan wird sich nicht kampflos geschlagen geben | |
Zudem hat die PTI keinen Anspruch auf einen Anteil an den 70 „reservierten | |
Sitzen“ für Frauen und Minderheiten in der Nationalversammlung, die | |
entsprechend der Stimmenzahl der Parteien bei den allgemeinen Wahlen | |
verteilt werden. Die PTI-Führung sondiere derzeit ebenfalls, wie sie die | |
Regierung stellen könne, so ein hochrangiger Berater gegenüber Medien. | |
Khan, [3][dem derzeit über 30 Jahre Haft drohen], wird sich jedoch nicht | |
kampflos geschlagen geben. | |
Die Wahlen in Pakistan rufen international Besorgnis hervor: Sie waren von | |
Beginn an von Kommunikationssperren, Todesfällen durch Terroranschläge und | |
Manipulationsvorwürfen überschattet. Die EU kritisierte, dass es keine | |
Chancengleichheit gegeben habe, da einige politische Akteure ausgeschlossen | |
wurden. Das US-Außenministerium beklagte, dass die Abstimmung unter | |
unzulässigen Einschränkungen der Meinungs-, Vereinigungs- und | |
Versammlungsfreiheit stattgefunden habe. | |
„Von fairen und freien Wahlen kann angesichts der Situation in Pakistan | |
nicht die Rede sein“, sagte auch die Grünen-Politikerin Schahina Gambir. | |
Das pakistanische Außenministerium erklärte hingegen selbstbewusst, die | |
Abstimmung sei friedlich und erfolgreich verlaufen. | |
11 Feb 2024 | |
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[1] /Parlamentswahl-in-Pakistan/!5991409 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=NslTUEw9ngw | |
[3] /Opposition-in-Pakistan/!5952456 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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