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# taz.de -- Aserbaidschanische Einflussnahme: Eine massive Kampagne
> Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik wollte über das
> Kulturgut von Bergkarabach öffentlich diskutieren. Eine Veranstaltung vor
> Ort wurde abgesagt.
Bild: Eine armenische Kirche in Askeran in Bergkarabach
Einen Tag vor dem Termin haben die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige
Politik (DGAP) und die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) eine
gemeinsame Veranstaltung zu Bergkarabach in Präsenz abgesagt. Der Grund:
„Eine massive Kampagne gegen die Durchführung der Veranstaltung und eine
Gefahr der Eskalation während der Veranstaltung“.
Für den 6. März war im Gebäude der DGAP in Berlin eine Buchpräsentation und
Diskussion zum Thema „Der Schutz des bedrohten Kulturgutes von
Bergkarabach“ angekündigt. Den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan
um das jahrzehntelang umstrittene [1][Bergkarabach] hat Baku im vergangenen
Herbst auf seine Weise gelöst – mit einem blutigen Krieg. Seit September
weht über der historisch armenisch besiedelten Region die Fahne
Aserbaidschans. 120.000 Karabach-Armenier:innen wurden vertrieben, zum 1.
Januar alle Institutionen der international nicht anerkannten [2][Autonomen
Republik Bergkarabach] (im Armenischen: Arzach) aufgelöst. Zurückgelassen
werden mussten auch Kulturdenkmäler, die von der jahrtausendelangen
Kulturgeschichte der Armenier in der Region zeugen. Wie eine Parallele zu
den ethnischen Säuberungen im letzten Herbst zerstört und entweiht die
aserbaidschanische Regierung nun nach und nach das armenische Kulturerbe in
der Region.
Die DGAP und die KAS wurden in einem von aserbaidschanischen
„Nichtregierungsorganisationen“ (NGOs) verfassten offenen Brief
aufgefordert, die Buchpräsentation des Sammelbandes „Das kulturelle Erbe
von Arzach“ abzusagen. Auch die aserbaidschanische Botschaft in Berlin
appellierte an die Geschäftsleitung der DGAP. Stefan Meister und Martin
Bialecki von der DGAP, der ehemalige Direktor Guntram Wolff und die
Presse-Postfächer wurden mit Nachrichten – darunter auch Beschimpfungen –
überflutet. Vorgeworfen wurden der DGAP zudem Islamophobie und Rassismus,
teilt diese der taz mit.
Unter den NGOs ist das German-Azerbaijani Council. Auf X nimmt dieses Bezug
auf einen offenen Brief, veröffentlicht von der aserbaidschanischen
staatlichen Nachrichtenagentur Azertac. Dieser weist unter anderem auf eine
Finanzierung der DGAP durch die Open Society Foundation des jüdischen
Philanthropen George Soros hin. Die DGAP betrachtet dies „als klar
antisemitisch kodiert“.
## Victim Blaming im klassischen Sinne
„Trotz Überlegungen zu verstärkten Sicherheitskontrollen und zusätzlichem
Personal vor Ort überwogen die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der
Teilnehmenden“, so die DGAP gegenüber der taz. Die Veranstaltung fand nur
online statt.
„In einer klassischen Form des Victim Blaming, also der Umkehrung des
Opfer- und Täterverhältnisses, hat Aserbaidschan die Buchpräsentation in
Berlin ins Visier genommen“, sagt die Menschenrechtlerin und Soziologin
Tessa Hofmann, eine der Autor:innen des Sammelbandes. „Aserbaidschan
kennt zwei Formen der Einflussnahme: Bestechung und Bedrohung“, sagte
Hoffmann im Gespräch mit der taz.
Zufällig strahlte die ARD ebenfalls am 6. März den Spielfilm „Am Abgrund“
und danach den gleichnamigen Dokumentarfilm aus. In beiden geht es um die
jahrelang erfolgreiche Beeinflussung europäischer Abgeordneter und
Mitglieder des Europarats, einschließlich deutscher, durch Aserbaidschan.
Als „höchst bedenklich“ bezeichnete Hofmann es, „wenn deutsche
Bildungseinrichtungen ohne Not der Drohkulisse des korrupten und
autoritären Alijew-Regimes nachgeben“.
Die Berliner Polizeibehörden genehmigten eine Protestdemonstration
aserbaidschanischer Interessengruppen vor dem Sitz der DGAP während der
Online-Veranstaltung und erlaubten ihnen damit, ihren geschriebenen
Forderungen auf der Straße Nachdruck zu verleihen. Doch gestern Abend sind
die aserbaidschanischen Demonstranten:innen nicht mehr erschienen.
Dafür aber junge armenische Gegendemonstrant:innen – mit
Lautsprecheranlage, Trommel und der Flagge von Arzach.
7 Mar 2024
## LINKS
[1] /Massenflucht-aus-Bergkarabach/!5961130
[2] /Ursachen-des-Bergkarabachkonflikts/!5960798
## AUTOREN
Tigran Petrosyan
## TAGS
Schwerpunkt Bergkarabach
Armenien
Aserbaidschan
Osteuropa – ein Gedankenaustausch
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Bergkarabach
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