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# taz.de -- Baumkunst im Treptower Park: Bürokratie sägt Kunst ab
> Seit über einem Jahrzehnt schnitzt Baumkünstler Oliver Jaffrot im
> Treptower Park Skulpturen aus Totholz. Damit ist jetzt Schluss, sagt das
> Bezirksamt.
Bild: Meißeln verboten: Olivier Jaffrot bei der Arbeit
Berlin taz | Der Künstler Olivier Jaffrot, der im Treptower Park seit rund
elf Jahren Skulpturen aus Baumstümpfen oder abgesägten Baumstämmen schafft,
muss mit seiner Arbeit aufhören. So die Entscheidung der Bezirksstadträtin
für Stadtentwicklung, Straßen, Grünflächen und Umwelt, Claudia Leistner
(Grüne). Die sich in Arbeit befindende Skulptur am Ufer des Karpfenteichs
wurde abgesperrt, eine andere Skulptur eingezäunt.
„Ich bin am Boden zerstört“, schreibt Olivier Jaffrot der taz. Die
Naturkunst ist seine Lebensaufgabe: Sechs Tage die Woche hat der Künstler
damit verbracht, das tote Holz mit dem Beitel zu bearbeiten. Dabei folgen
seine Schnitzbewegungen den dem Holz eigenen Linien, auf harmonische Weise
kommen Mensch und Natur zu einer gemeinsamen Form. Parkbesucher:innen
sind begeistert. Staunend bleiben sie stehen, machen Fotos und befühlen die
glatten Oberflächen der Holzobjekte, von denen Jaffrot bisher fünf
geschaffen hat – rund zwei Jahre braucht er für eine Skulptur.
Ein Gewinn für den Bezirk Treptow-Köpenick, möchte man meinen. Von
Amtsseite wird dies jedoch anders bewertet. Nach den Gründen für das Verbot
befragt, erklärt Claudia Leistner, dass Jaffrot nicht nur die brütenden
Wasservögel störe, sondern auch das Leben der im Totholz heimischen
Insekten und Pilze bedrohe.
Auch sorge man sich um die Erdkröten, die sich im Frühjahr auf die
Wanderung machten, um im Karpfenteich zu laichen. Zudem sehe man in den
spitzkantigen Formen einer bereits vollendeten Skulptur die Gefahr, dass
sich kletternde Kinder daran verletzen könnten. Jaffrot habe auch neue Wege
geschaffen, indem er die Erde um den Baumstumpf herum abgegraben habe, und
die gehörten da nicht hin. Deswegen müsse diese Skulptur nun ganz entfernt
werden.
## Die Menschen sind ein Problem, nicht die Tiere
Dabei werkelte Jaffrot bis zum 11. Januar – ab da hat das Bezirksamt ihm
untersagt weiterzuarbeiten – unauffällig vor sich hin. Der meist in Schwarz
gekleidete Künstler arbeitete allein, sein Werkzeug machte kaum Geräusche,
die Welt nahm von ihm so wenig Notiz wie er von ihr – meist trug er
Kopfhörer, um sich gegen sie abzuschotten.
Wie er der taz erklärte, seien die Menschen ein Problem für ihn, nicht die
Tiere, mit denen arrangiere er sich sehr gut. Auch der Naturschutzaktivist
Kay-Uwe Reschke, der [1][mit seiner Kinderwaldgruppe] gerne vor Jaffrots
Werken Stopp macht, glaubt nicht, dass Jaffrot die Wasservögel verjagt.
„Die stören sich an ganz anderen Sachen, unter anderem an den vielen
Hunden“. Schwäne hatten letztes Frühjahr nur wenige Meter neben Jaffrots
Arbeitsstätte gebrütet.
„Sicher werden durch seine Arbeit Insekten und Pilze aus dem Holz
verschwinden“, sagt Reschke. „Aber das ist ja nur für eine bestimmte Zeit.…
Tatsächlich lässt sich an den vollendeten Skulpturen bestens beobachten,
wie sich die Natur das Holz zurückerobert, Jaffrots erstes Objekt ist
komplett verschwunden. Kay-Uwe Reschke: „Bei den paar Skulpturen sehe ich
da wirklich kein Problem.“
Auch die mangelnde „Verkehrssicherheit“ der „spitzkantigen“ Skulptur wi…
an den Haaren herbeigezogen. Oder warum hat der Bezirk es für mehr als zwei
Jahre nicht nötig gehalten, hier tätig zu werden? Jaffrots Schild „Bitte
nicht klettern“ hat zudem dazu geführt, dass selbst akrobatische
Parkbesucher:innen andächtig vor seinem Kunstwerk stehen blieben.
## Stadträtin verteidigt Kompromiss
Eine Menge Argumente also gegen die Entscheidung – die jedoch vergeblich
scheinen, zumal sich der Bezirk auf den Denkmalschutz beruft – der Park
wird seit einigen Jahren in seinen Ursprungszustand zurückverwandelt, und
in [2][Gustav Meyers Entwurf von 1864] waren Jaffrots Skulpturen natürlich
nicht vorgesehen.
Nein, die amtliche Strenge verwundert nicht, vielmehr fragt man sich, warum
die Berliner Bürokrat:innen erst jetzt, nach über einem Jahrzehnt, zur
Tat geschritten sind. Und wie kam es zu dem Sinneswandel der Stadträtin,
die noch im Dezember 2022, nach einem ersten Verbot durch das
Grünflächenamt, [3][der taz gegenüber versicherte], eine Lösung für den
Baumkünstler finden zu wollen? Das damals angekündigte Treffen fand über
ein Jahr später statt, in dieser Zeit war dem Künstler die Arbeit erlaubt.
„Es stimmt schon, wir sind etwas langsam gewesen, um zu einer Entscheidung
zu kommen“, räumt Leistner im Gespräch mit der taz ein. Dass Jaffrot die
Arbeit an der Skulptur nicht mehr vollenden könne, tue ihr leid, weshalb
sie sich nun für einen Kompromiss eingesetzt habe. Dieser sehe vor, dass
Jaffrot bis zum Oktober pausiere, um Flora und Fauna in Ruhe zu lassen. Im
Herbst und Winter habe Jaffrot dann die Möglichkeit sein Werk zu beenden.
Claudia Leistner: „Aber dann ist definitiv Schluss.“
Olivier Jaffrot wird sich mit diesem Kompromiss wohl einverstanden
erklären: „Mir bleibt ja nichts anderes übrig.“ Vorausgesetzt, er wird si…
mit der Leiterin des Umwelt- und Naturschutzamtes einig, wie er die
angefangene Holzarbeit behandelt und abdeckt. Olivier Jaffrot: „Wenn das
hier ein halbes Jahr ungeschützt im Regen steht, macht das keinen Sinn
mehr.“
Es ist bezeichnend, dass in der Vereinbarung, die Jaffrot nun unterzeichnen
soll, von dem Künstler „als Schaffender“ und von den Kunstwerken als
„Ansichtsobjekten“ die Rede ist. Dass hier Kunst und Kultur im Spiel sind,
die es zu fördern und zu erhalten gilt, wird von den Beamten wohl
absichtlich außen vor gelassen. Auf Olivier Jaffrots Frage, ob der Bezirk
das zu entfernende, weil „spitzkantige“ Kunstwerk kaufen will, soll Claudia
Leistner nur gelacht haben. Jedoch hat sie versprochen, sich privat nach
einer Lösung umzutun. Hoffentlich ist sie diesmal erfolgreicher.
11 Feb 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Karlotta Ehrenberg
## TAGS
Treptow-Köpenick
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Bäume
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Natur
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