# taz.de -- Die Wahrheit: „Nie wieder Pjöngjang!“ | |
> Das Wahrheit-Interview: Erstmals nach seiner Entlassung als | |
> südkoreanischer Nationaltrainer äußert sich Jürgen Klinsmann öffentlich. | |
Bild: Weiß manchmal gar nicht, wo er ist: Jürgen Klinsmann | |
taz: Herr Klinsmann, Sie sind letzte Woche als Trainer der | |
Nationalmannschaft von Südkorea entlassen worden. Sie wurden unter anderem | |
dafür kritisiert, zu viel Zeit zu Hause in Kalifornien verbracht zu haben | |
und zu wenig in Südkorea. | |
Jürgen Klinsmann: Wo? | |
Südkorea, wo Sie Nationaltrainer waren. Wieso waren Sie denn so selten | |
dort? | |
Ich bin mittlerweile einfach sehr amerikanisch geprägt: Als moderner | |
Arbeitnehmer arbeitet man heutzutage im Homeoffice. Präsenzzeit ist nicht | |
mehr so wichtig wie früher. | |
Aber als Fußballtrainer muss man doch vor Ort sein. Thomas Tuchel coacht | |
doch auch nicht von den Malediven aus. | |
Sollte er vielleicht, beim FC Bayern läuft’s ja auch nur so mittel! Aber | |
der Tuchel hat leicht reden, der trainiert ja in München, da kann man’s | |
aushalten. Wissen Sie, wie’s in Südkorea so zugeht?! Gut, ich auch nicht, | |
aber ich kann’s mir schon denken. | |
Trotzdem: Es muss doch noch einen anderen Grund gegeben haben, dass Sie | |
sich da unten kaum haben blicken lassen. | |
Also gut. Ich sag’s Ihnen. Es lag an der schlechten Verbindung: Es ist ja | |
nicht so, dass ich nie dort war, aber es gibt einfach extrem wenig Flüge | |
von Los Angeles nach Pjöngjang. | |
Pjöngjang ist in Nordkorea. | |
Ja. Und? | |
Sie waren Trainer von Südkorea. Die Koreanische Halbinsel ist geteilt in | |
zwei Länder. | |
Oh. Na ja, aber als Deutscher kenne ich mich mit geteilten Ländern ja aus, | |
daran allein kann es nicht gelegen haben. Wahrscheinlich macht es | |
mentalitätsmäßig einfach einen Unterschied, ob man in West und Ost oder | |
Nord und Süd geteilt ist. | |
Soll das heißen, Sie waren in den letzten Monaten auch mal in Pjöngjang, in | |
der Hauptstadt von Nordkorea? | |
Ja. Jetzt verstehe ich auch, warum sich Kim Jong Un so sehr für das Treiben | |
in Südkorea interessiert hat. Ich dachte bei unseren Gesprächen die ganze | |
Zeit nur: Wenn dich der Süden so sehr interessiert, fahr doch einfach | |
selbst mal runter, ist doch nicht so weit! | |
Sie haben mit Kim Jong Un gesprochen? | |
Na ja, ich dachte, als Nationaltrainer kann es nicht schaden, einen guten | |
Draht zur Regierung zu haben. Angela Merkel war 2006 bei der WM ja auch mal | |
bei uns in der Kabine. Das hatte ich Kim auch angeboten, aber jetzt | |
verstehe ich, warum daraus nichts geworden ist. Aber ich muss da ja jetzt | |
nie wieder hin. | |
Kommen wir zurück zum Sportlichen. Ihre ehemalige Mannschaft war ja … | |
Welche meinen Sie da jetzt genau? | |
Südkorea. | |
Ach ja! | |
… war ja im Halbfinale des Asien-Cups haushoher Favorit gegen Jordanien, | |
hat aber 0:2 verloren, ohne ein einziges Mal aufs Tor geschossen zu haben. | |
Trotzdem haben Sie dem Spiegel gesagt, Ihre sportliche Bilanz sei „top“, | |
denn Sie hätten eine „Never-give-up-Mentalität“ ins Team reingebracht. | |
Und darauf bin ich sehr stolz. Meine Spieler haben bis zum Schluss nicht | |
aufgegeben. Dass der Schiedsrichter dann nach 90 Minuten einfach | |
abgepfiffen hat, ist nicht der Fehler meiner Mannschaft. | |
Haben Sie schon eine Idee, welcher Mannschaft Sie als Nächstes Ihre | |
„Never-give-up-Mentalität“ einimpfen möchten? | |
Wir haben ja gerade schon über den FC Bayern gesprochen. | |
Gibt man Ihnen da noch eine Chance? Der letzte Trainer, der in München | |
einen noch schlechteren Punkte-pro-Spiel-Schnitt hatte als Thomas Tuchel, | |
waren Sie. | |
Aber ich habe der Mannschaft damals ein Believe-in-yourself-Mindset | |
verpasst! Wie Ted Lasso! | |
Sie sind dort auch in unguter Erinnerung geblieben, weil während Ihrer | |
Amtszeit im Leistungszentrum des FC Bayern plötzlich Buddha-Statuen | |
standen. | |
Ich verstehe bis heute das Problem nicht. Bei meiner letzten Station hat | |
das niemanden gestört hier in … äh, Dings … | |
Südkorea. | |
Danke. | |
In Südkorea ist der Buddhismus ja auch die am weitesten verbreitete | |
Religion. | |
Echt? Interessant. | |
Herr Klinsmann, wir danken für das interessante Gespräch und freuen uns | |
schon darauf, Sie bald wieder auf der Trainerbank sehen zu dürfen. | |
20 Feb 2024 | |
## AUTOREN | |
Cornelius Oettle | |
## TAGS | |
Jürgen Klinsmann | |
Fußball | |
Südkorea | |
Bier | |
Kolumne Press-Schlag | |
TikTok | |
Slowenien | |
Bahnfahren | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: „Ich bin der Mario Barth der Musik“ | |
Das große Wahrheit-Interview mit dem erfolgreichsten KI-Musiker | |
Deutschlands Franz Krauder, der mit seinem Hit in der Party-Szene aneckt. | |
Traumberuf Trainer: Samstage ohne Stadion | |
Begriffsstutzige Spieler, Beleidigungen und am Ende die Entlassung – muss | |
das sein? Bekenntnisse eines Trainers, der keiner mehr ist. | |
Die Wahrheit: Hirnloser Bullshit im Hochformat | |
Intrusive Gedanken: Ein neues extrem krudes Phänomen geistert durch | |
sämtliche Medien, vor allem aber durch das bei Gedankenlosen beliebte | |
Tiktok. | |
Die Wahrheit: Bärenschwere Slowenen | |
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Zur „Slowenischen Woche“ darf | |
man sich an einem Poem über hungrige Buchmessengäste erfreuen. | |
Die Wahrheit: Brechend volle Bananenbahn | |
Eine Zugfahrt, die ist nicht lustig – zumindest wenn es mit dem „Západní | |
expres“ von München nach Prag geht und der Gott der Eisenbahn abwesend ist. |