| # taz.de -- Außenstrategie der Islamischen Republik: „Iran gewinnt immer meh… | |
| > Im Mittleren Osten gibt es mehr als zwei Seiten. Politikwissenschaftler | |
| > Renad Mansour über die Motive des Regimes und seiner Verbündeten. | |
| Bild: Amerikafeindliches Graffiti an der ehemaligen US-Botschaft in Teheran, an… | |
| wochentaz: Herr Mansour, seit Monaten wird eine [1][Ausweitung des | |
| Gaza-Kriegs] befürchtet, vor allem eine Eskalation zwischen den USA und | |
| Iran mit seinen Verbündeten. Es gab gegenseitige Luftangriffe, aber die | |
| volle Eskalation bleibt aus. Wie schätzen Sie die Lage ein? | |
| Renad Mansour: An einem richtigen Krieg mit den USA und Israel sind Iran | |
| und seine Verbündeten in der Region nicht interessiert. Sie könnten ihn | |
| nicht gewinnen. Es wäre nicht die Art von Kampf, die sie bevorzugen. Iran | |
| spielt ein längeres Spiel, bei dem es seine Muskeln spielen lassen kann. | |
| Durch seine verschiedenen Netzwerke, bewaffnete und politische, gewinnt | |
| Iran immer mehr Einfluss in der gesamten Region. Der Einfluss der USA | |
| dagegen schwindet und sie kämpfen darum, ihren Einfluss zu erhalten. | |
| Deshalb wird eine direkte militärische Konfrontation von beiden Seiten | |
| nicht bevorzugt. Gleichzeitig werden sie in die Konfrontation | |
| hineingedrängt. Denn jede Seite will das letzte Wort haben und nicht | |
| schwach erscheinen. Es ist ein Dilemma. | |
| Also greift man sich gegenseitig nur etwas an? | |
| Wir haben seit dem 7. Oktober (dem Großangriff der Terrorgruppe Hamas auf | |
| Israel, Anm. d. R.) in der gesamten Region fast 200 Angriffe von | |
| Widerstandsgruppen beziehungsweise iranischen Verbündeten gesehen. Die USA | |
| haben mit Angriffen auf Widerstandsgruppen vor allem in Syrien, im Irak und | |
| gegen die Huthis im Jemen reagiert. Aber die Biden-Regierung will sich | |
| immer noch aus der Region zurückziehen und will wie vor dem 7. Oktober | |
| weiter glauben, dass es in der Region keinen Konflikt mehr gibt. | |
| Sie sprechen von iranischen Verbündeten und Widerstandsgruppen, nicht aber | |
| von Stellvertretern. Warum? | |
| Das Wort Stellvertreter ist ein wenig denkfaul. Zwar beschreibt es diese | |
| Gruppen und ihre Beziehung zum Iran richtigerweise als Teil eines | |
| Netzwerks, aber das Wort legt nahe, dass sie keine Autonomie oder | |
| Handlungsfähigkeit haben. Natürlich ist es richtig, dass in vielen Fällen | |
| die Interessen zwischen den Gruppen und Iran konvergieren. Aber es gibt | |
| Fälle, in denen diese Gruppen von Iran und seinen Forderungen abweichen. Es | |
| ist eine kompliziertere Beziehung. Im Irak kommt hinzu, dass die | |
| Volksmobilisierungseinheiten nicht eine Gruppe sind, sondern viele | |
| verschiedene, die miteinander auch konkurrieren. Die Hisbollah im Libanon | |
| ist zentralisierter und steht dem Iran näher. Aber auch zwischen der | |
| Hisbollah und Iran, genauso wie zwischen den Huthis und Iran, gibt es | |
| Streitigkeiten oder, sagen wir, gelegentliche Divergenzen. Es handelt sich | |
| um Bündnisse, wenn auch um asymmetrische Bündnisse. Aber es sind keine | |
| Stellvertreter in dem Sinne, dass sie nur vertreten, ohne eigenständig zu | |
| handeln. | |
| Auch aus dem Irak wollten die USA eigentlich ihre rund 2.500 Soldaten | |
| abziehen, die derzeit noch dort stationiert sind. | |
| Vor dem 7. Oktober gab es einen Dialog zwischen der amerikanischen und | |
| irakischen Regierung über einen Fahrplan für den Abzug der US-Truppen und | |
| einen Übergang zu normalen bilateralen Beziehungen. Die | |
| Biden-Administration wollte diesen ewigen Krieg, wie sie ihn nennt, | |
| beenden, wie es die USA auch in Afghanistan getan haben. Doch nach dem 7. | |
| Oktober ist die Gleichung eine andere. Die Gewalt in der Region, die sich | |
| zwischen den USA und den iranischen Verbündeten gegenseitig aufschaukelt, | |
| verkompliziert die Lage. | |
| Unter den mit Iran verbündeten Kräften scheinen die [2][Huthis im Jemen] | |
| derzeit aus ihrer Sicht am erfolgreichsten zu agieren. Sie gewinnen an | |
| Popularität in der jemenitischen Bevölkerung und scheinen innenpolitisch | |
| viel Freiraum zu haben. Wie ist die Lage im Irak und im Libanon? | |
| Die Volksmobilisierungseinheiten im Irak und die Hisbollah im Libanon | |
| befinden sich, wie auch die weitere politische Elite in beiden Ländern, | |
| schon seit vielen Jahren in einer Legitimitätskrise. Der | |
| pro-palästinensische, anti-israelische und anti-amerikanische Kurs ist ein | |
| wichtiges Mittel, um wieder Legitimität zu gewinnen, indem man sich als | |
| Teil eines breiteren Widerstandskampfes in Szene setzt. Während die Gruppen | |
| innenpolitisch mit der eigenen Regierungsführung zu kämpfen haben und in | |
| den letzten Jahren sowohl im Libanon als auch im Irak mit Protesten | |
| konfrontiert waren, hoffen sie, dass sie nun zumindest den Eindruck | |
| erwecken können, für den Widerstand zu kämpfen, und dass sie dafür | |
| Unterstützung bekommen. | |
| Ende Januar wurden bei einem Angriff auf einen US-Stützpunkt in Jordanien | |
| erstmals seit dem 7. Oktober US-Soldaten durch direkten Beschuss durch | |
| pro-iranische Kräfte getötet. Verantwortlich zeichnete eine neue | |
| Gruppierung namens „Islamischer Widerstand im Irak“. Wer ist das? | |
| Der Islamische Widerstand im Irak besteht aus Gruppen, die auch Teil der | |
| Volksmobilisierungseinheiten sind, zum Beispiel Kataib Hisbollah, Harakat | |
| Hisbollah al-Nujaba und Kataib Sayyid al-Schuhada. Im Gegensatz zu anderen | |
| Volksmobilisierungsgruppen, die der lokalen und nationalen Politik | |
| zugeneigt sind, eine soziale Basis in der Bevölkerung haben und | |
| Innenpolitik betreiben, handelt es sich hier um transnationale Gruppen, die | |
| sich nicht wirklich an der irakischen Politik beteiligen. Kataib Hisbollah | |
| stellen zwar auch Abgeordnete im Parlament, aber das ist eine Abweichung | |
| von der Norm. Es handelt sich bei den Gruppen des Islamischen Widerstands | |
| um Vorhuttruppen, die in der gesamten Region, vor allem im Irak und in | |
| Syrien, an vorderster Front Gewalt ausüben. | |
| Dabei ist doch Irak ein Verbündeter der USA. | |
| Die irakische Regierung versucht, gute Beziehungen sowohl zu den USA als | |
| auch zum Iran und allen anderen Nachbarn zu haben. Sie versucht, eine | |
| Außenpolitik der Nicht-Feindschaft zu verfolgen. Allerdings hat Iran | |
| eindeutig an Einfluss gewonnen, während die USA an Einfluss verloren haben. | |
| Dabei darf man aber nicht vergessen, dass viele Demonstranten und andere | |
| Iraker von beiden Seiten desillusioniert sind. Sie wollen nicht, dass Iran | |
| und die USA ihr Land zu einem Schlachtfeld für ihren größeren Kampf machen. | |
| Wer von beiden kann sich letztlich besser durchsetzen? | |
| Denken Sie daran, dass die USA im Januar 2020 Qasem Suleimani mit einem | |
| Luftangriff getötet haben, den Chef des Quds-Korps der iranischen | |
| Revolutionsgarden, ebenso wie Abu Mahdi al-Muhandis, den ehemaligen Chef | |
| der irakischen Volksmobilisierungseinheiten. Seither haben die USA weder | |
| Einfluss noch Macht hinzugewonnen. All die militärischen Angriffe seitens | |
| der USA, all die Versuche, diese Gruppen zu sanktionieren, funktionieren | |
| nicht wirklich. Amerika hat im Moment nicht die politischen Mittel, um | |
| seinen Einfluss im Nahen Osten aufrechtzuerhalten. Iran dagegen kann mit | |
| seinen Mitteln seinen Einfluss aufrechterhalten. Aus iranischer Sicht kann | |
| man also den längerfristigen Wettbewerb gewinnen, auch wenn man einen | |
| direkten Krieg nicht gewinnen könnte. | |
| 10 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jannis Hagmann | |
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