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# taz.de -- Iranischer Regimegegner in Hamburg: Das bisschen Repression
> Mohammad Aghaei wurde im Iran gefoltert. In Hamburg engagiert er sich
> gegen das Mullah-Regime. Doch das Bundesamt für Migration gewährt ihm
> kein Asyl.
Bild: Wer sich gegen das iranische Regime positioniert, ist auch im Ausland nic…
Hamburg taz | „Wir finden dich und werden dich hinrichten“ – solche
Drohungen erhält Mohammad Aghaei regelmäßig in sozialen Netzwerken. Der
34-jährige Iraner engagiert sich seit vielen Jahren [1][gegen das
islamische Regime]. Mehrfach wurde er im Iran festgenommen und gefoltert.
Seit 2017 lebt er in Deutschland, genauer gesagt in Hamburg, jedoch ohne
anerkannten Flüchtlingsstatus.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wollte ihm keinen Schutz
gewähren – die Gründe dafür seien nicht ausreichend. Aghaei führt deshalb
seit sechs Jahren einen Rechtsstreit gegen den deutschen Staat. Im
vergangenen September bekam er endlich Recht vom Hamburger
Verwaltungsgericht, welches das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(Bamf) verpflichtete, den Fall neu zu prüfen. Aber die Anerkennung als
Flüchtling hat Aghaei immer noch nicht.
„Seit meiner ersten Anhörung im Jahr 2017 weiß das Bamf, dass ich im Iran
in Lebensgefahr bin. Es glaubt mir nur nicht“, sagt Aghaei. Dabei sei
allgemein bekannt, dass Regimegegner*innen im Iran der Tod drohe. 2009
sei er auf einer Demo der Protestbewegung gewesen, die damals noch das
islamische System reformieren und nicht abschaffen wollte. Vor seinen Augen
sei ein Mitstreiter erschossen worden. Da verschrieb Aghaei sich der
Opposition.
Er mobilisierte und informierte unter verschiedenen Accounts in den
sozialen Netzwerken. Um Geld zu verdienen und aus Leidenschaft, verkaufte
er verbotene Filme. Schon als Jugendlicher habe er es geliebt, Filme zu
gucken. [2][Aber im Iran ist es eine Straftat, ausländische Filme zu sehen
und zu verbreiten].
## Drohungen von der Cyberpolizei
Etwa 30 Mal sei er dafür verhaftet worden, sagt Aghaei. „Sie verbanden mir
die Augen und schlugen mich, peitschten mich aus und demütigten mich.“ Fünf
oder sechs Mal habe Aghaei Anzeige wegen der Misshandlungen erstattet. Doch
die Revolutionsgarden hätten ihn gezwungen, die Anzeige zurückzunehmen.
Aghaei ist zudem nicht religiös. Mit zwanzig habe er entschieden, kein
Moslem mehr zu sein. Aber wer im Iran unter Missachtung religiöser Gesetze
lebt, lebt gefährlich – auch das ist bekannt, nicht erst seit dem Tod von
Jina Mahsa Amini. Doch für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge war
das kein Grund, Aghaei Asyl zu gewähren.
Seit er in Hamburg lebt, engagiert sich Aghaei exilpolitisch. Er meldet
Demonstrationen an, tritt als Redner auf, bespielt Facebookgruppen und
Telegram-Kanäle. Er trat der Gruppe „Bahamad – Vereinigung der Jugend im
Exil“ bei und mobilisiert auf Instagram und Twitter. Über alle Kanäle
erreichen ihn immer wieder Drohungen des Regimes. „Was Ruhollah Zam
passiert ist, wird auch dir widerfahren“, habe ihm die Cyberpolizei
geschrieben, sagt Aghaei.
Der Regimegegner und Journalist Zam war 2020 aus seinem Exil in Frankreich
in den Irak gelockt, von dort entführt und im Iran hingerichtet worden.
2022 beantragte Aghaei erneut Asyl in Deutschland. Durch sein verstärktes
Engagement, die verschärfte Bedrohungslage und die eskalierende Gewalt des
Mullahregimes im Iran hätten sich die Vorzeichen verändert, argumentierte
er. Das Bamf lehnte ab. Aghaei habe keine neuen Argumente vorgebracht. Für
den Iraner heißt das: Keine Sicherheit, keine Arbeitserlaubnis. Nicht
arbeiten zu dürfen, ergebe für ihn keinen Sinn, sagt Aghaei. Er habe sich
seinen Lebensunterhalt immer selbst verdient, auch neben seinem Studium im
Iran.
Was dem 34-Jährigen drohen könnte, würde er wieder in den Iran zurück
geschickt, schildert das Auswärtige Amt in seinem [3][Lagebericht] vom
November 2022 sehr deutlich: Gegen Regimekritiker*innen und
Aktivist*innen werde „unerbittlich vorgegangen“. Regelmäßig komme es zu
„ungeklärten“ Todesfällen in Gefängnissen, auch die Todesstrafe werde als
strafrechtliches Instrument gegen Demonstrant*innen und unabhängige
Denker*innen eingesetzt.
Besonders schwerwiegend und verbreitet sei staatliche Repression gegen
jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden
werde oder islamische Grundsätze infrage stelle. Per KI-basierter
chinesischer Videosoftware überwache das Regime die Bevölkerung im Inland,
auch Oppositionelle im Ausland würden aufgespürt und bedroht. Der Bericht
dient dem Bamf als Grundlage für Asylentscheidungen [4][und ist nicht
öffentlich einsehbar].
Gerichte können den Bericht jedoch einsehen. Im Gegensatz zum Bamf nahm das
Hamburger Verwaltungsgericht die Warnungen des Auswärtigen Amts ernst und
verdonnerte das Bundesamt, den Fall Aghaeis neu zu prüfen. Doch warum
braucht es dazu erst eine gerichtliche Anordnung?
„Das Bundesamt ist politisch geprägt und nimmt eher in Kauf, vom Gericht
korrigiert zu werden, als den Eindruck zu erwecken, man ‚verschenke‘
Asylbescheide“, sagt Aghaeis Anwalt Tyl Mackenberg. Tatsächlich lehnte das
Bundesamt im Jahr 2023 mehr als die Hälfte der Asylanträge iranischer
Staatsangehöriger ab, obwohl der Lagebericht seit November 2022 vorliegt.
Als nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts immer noch keine neue
Einschätzung kam, reichten Mackenberg und Aghaei eine Unterlassungsklage
ein. Daraufhin lud die Behörde den Iraner am vergangenen Dienstag zur
Anhörung ein. Mit der Entscheidung rechnen er und sein Anwalt in den
kommenden Wochen. Für Aghaei ist aber klar: „Wenn wir verlieren, gehen wir
wieder vor Gericht.“
12 Mar 2024
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-im-Iran/!5995704
[2] /Iranischer-Spielfilm-My-Favourite-Cake/!5990075
[3] /Internes-Lagebild-des-Auswaertiges-Amts/!5905227
[4] https://fragdenstaat.de/dokumente/234322-lagebericht-iran-2022/
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
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