| # taz.de -- Nachhaltigkeit beim Protest gegen rechts: Rückenwind durch Migrati… | |
| > Der Kampf gegen die AfD braucht einen langen Atem. Gelingen kann er, weil | |
| > Millionen Menschen in Deutschland direkt mit Migration zu tun haben. | |
| Bild: Gemeinsam gegen rechts: Demo am vergangenen Wochenende in Hamburg | |
| Seit der Veröffentlichung der [1][Correctiv-Recherche „Geheimplan gegen | |
| Deutschland“] habe ich online und in meinem Umfeld sehr unterschiedliche | |
| Reaktionen wahrgenommen. Einige Menschen, die ich kenne, haben Angst und | |
| überlegen, ob und wann sie Deutschland verlassen sollen. Das sind Menschen | |
| mit Migrationsgeschichte, Muslime und Muslimas, oder Familien mit Kindern | |
| mit Behinderungen. | |
| Andere – vor allem junge Menschen, [2][Generation Z] – machen witzige | |
| TikTok-Videos über das Thema. Eine junge Frau fragt sich, ob sie noch für | |
| ihre Klausuren lernen soll, wenn sie doch abgeschoben werden soll. Eine | |
| andere erzählt, wieso sie sich auf das Wetter in Nordafrika freut und | |
| sowieso keine Lust auf Steuern in Deutschland hatte. | |
| Es gibt aber auch die Menschen, die hierbleiben möchten, weil sie keinen | |
| anderen Ort haben, an den sie gehen können. Ich gehöre zu dieser Gruppe. | |
| Ich kann nicht in mein erstes Heimatland Syrien zurück und die Länder, die | |
| an Syrien grenzen, wollen Geflüchtete wie mich nicht. Und nach Dubai oder | |
| Riyadh ist es leider zu kostspielig. | |
| Ehrlich gesagt war ich nicht sehr überrascht von den aufgedeckten | |
| Geheimplänen. Die [3][AfD] gibt seit Jahren uns Migrant*innen und | |
| Geflüchteten die Schuld an allem in Deutschland und Europa. Die | |
| Rechtsextremen, die auch bei dem geheimen Treffen dabei waren, sowieso. Sie | |
| verwenden die einfachste und populistischste Sprache über das Thema | |
| [4][Migration], sie argumentieren immer ohne Kontext oder Fakten. Auch dass | |
| sie keine echten Lösungen anbieten, ist nichts Neues. | |
| ## 40 Millionen werden zusammenhalten | |
| Nachdem ich die Recherche gelesen hatte, habe ich mich auch gefragt, ob sie | |
| einen Unterschied für die Menschen macht, die die AfD wählen. Werden wir in | |
| den Umfragen bald eine Veränderung sehen? Ich denke, wir brauchen neben | |
| wichtigen Recherchen auch einen langen Atem, um die AfD zu schwächen. Ein | |
| Parteiverbot oder das Entziehen von Grundrechten dauert zwar lange, ist | |
| aber keine nachhaltige Lösung. Die AfD-Politiker*innen, -Wähler*innen | |
| und -Unterstützer*innen könnten doch morgen eine neue Partei gründen. | |
| Der Kampf gegen diese Partei sollte sich nicht gegen die Menschen, sondern | |
| gegen die Ideen und Theorien richten, die sie verbreiten. Wir brauchen neue | |
| und gute Politiker*innen, die viele Bürgerinnen und Bürger erreichen | |
| können, mit Fakten und nicht mit populistischer Rhetorik. Unsere jetzigen | |
| Politiker*innen sollten die Probleme erkennen und kreative Lösungen | |
| vorschlagen, statt einfach die Schuld auf Migrant*innen zu schieben. | |
| Unsere Diskussionen – und auch unsere Medien-Titelblätter – sollten nicht | |
| im Stil der AfD geführt werden. Es bleibt die Aussage des ehemaligen | |
| CSU-Innenministers im Gedächtnis: [5][„Integration ist die Mutter aller | |
| Probleme in Deutschland.“] | |
| Die guten Nachrichten, für mich und für viele Menschen in Deutschland, | |
| waren die vielen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus im ganzen Land. | |
| Bei der ersten Demo hier in Hamburg waren wohl mehr als 50.000 Menschen, | |
| einige Berichte sprechen von über 100.000 Teilnehmer*innen. | |
| Ich stand am besagten Demo-Freitag zu weit weg von der Bühne, also konnte | |
| ich nichts hören. Aber ich sah ein junges Mädchen, das ein Schild | |
| hochhielt, auf dem stand: „my mother is a migrant“. | |
| Da habe ich verstanden, dass so viele Menschen nicht nur auf die Straße | |
| gehen, weil sie für die Demokratie sind, sondern auch, weil sie persönlich | |
| betroffen sind. Migration betrifft auch ihre Familien und Freund*innen. In | |
| Hamburg hat jedes zweite Schulkind einen sogenannten Migrationshintergrund | |
| und diese Familien und deren Freunde zeigen jetzt, dass sie nicht schweigen | |
| werden. Das haben die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke nicht | |
| begriffen. | |
| Wir Migrant*innen haben hier in Deutschland Leben aufgebaut, wir haben | |
| hier geheiratet, unsere Familien gegründet, Freunde gemacht, Nachbarinnen | |
| und Kollegen gefunden. Diese Menschen haben vielleicht nicht alle selber | |
| Migrationsgeschichte, aber sie sind Teil unserer Kreise und wir gehören | |
| auch zu ihren. Wenn man das beziffern kann, sind es doch weit über 40 | |
| Millionen Menschen. Und diese werden zusammenhalten und zeigen die | |
| Realität: Deutschland hat Migrationsvordergrund. | |
| 1 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati… | |
| [2] /Generation-Z/!t5953591 | |
| [3] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296 | |
| [4] /Migration/!t5007824 | |
| [5] /Polizeipraesident-ueber-Seehofer-Aeusserung/!5531443 | |
| ## AUTOREN | |
| Hussam Al Zaher | |
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