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# taz.de -- Die Wahrheit: Im Reich der pelzigen Partyretter
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (185): Was passiert
> eigentlich in Katzencafés? Und wie vertragen die Miezen den ständigen
> Kaffeeduft?
Kann das gut gehen – Katzen, die in einem Café leben, also eingesperrt
sind? Sind Cafékatzen nicht sogar schlimmer dran als Wohnungskatzen, die
meist rundumversorgt in privater Unfreiheit verblöden? Hmm, meinen
Katzenforscher.
Der Zürcher Ethologe Dennis Turner sagt: Katzen seien noch größere
Anpassungstalente als Hunde, die nur ihren Rudelbegriff umdefinieren
mussten. Katzen mussten ihr raubtierhaftes Einzelgängertum in
menschenkompatibles Sozialverhalten abändern. Erfolgreich passten die
Nachfahren der nordafrikanischen Wildkatze etwa ihre Nachtaktivität
menschlichen Schlafgewohnheiten an und schlafen nun ebenfalls durch, gern
auch mit ihren Besitzern in einem Bett.
Es ist ein Affizieren und Affiziertwerden. Das betrifft die Wohnungskatzen,
was ist aber mit den Cafékatzen, die ständig von Gästen gestreichelt und
angesprochen werden? Dazu gibt es, so viel ich weiß, noch keine Forschung,
obwohl solche Cafés in Japan, China und Taiwan schon lange existieren.
Hierzulande gibt es dafür jede Menge Auflagen von Tierschutzvereinen,
Veterinär- und Ordnungsämtern, zum Beispiel doppelte Eingangstüren, damit
die Katzen nicht entwischen, sowie einen Rückzugsraum und an den Wänden
angebrachte hohe Plätze mit Katzenhöhlen, wo die Gäste nicht hinlangen
können. Dazu Spielzeug und Katzenkissen. Zudem haben die Cafébetreiber für
die Gäste etliche Verhaltensregeln im Umgang mit den Katzen aufgestellt.
## Tempel für individualistische Tiere
In Hamburg gab es angeblich das erste Katzencafé, und nunmehr gibt es fünf.
Der aus München ins Schanzenviertel expandierte „Katzentempel“ wirbt mit
sechs Katzen, „die alle aus dem Tierschutz kommen“, was immer das heißt.
Die besonders heftig Tierrechte einklagende US-Organisation Peta schreibt:
„Im besten Fall leisten Katzencafés einen Beitrag zum Tierschutz, indem sie
heimatlose Katzen aufnehmen und unter artgerechten Bedingungen halten.“
„Artgerechte Haltung“ ist auch in Landwirtschaft und Zoos nur frommer
Selbstbetrug und für die individualistischen Katzen völlig unangebracht.
In Stuttgart gab es das Katzencafé „Happy Cats“, dem das Ordnungsamt zwei
Katzen genehmigte, die „untereinander erträglich“ sowie „ausgeprägt
menschenbezogen“ sein sollten. Nach einem Kontrollbesuch wurde das Café
geschlossen: es lebten dort vier Katzen. Der Besitzer legte Einspruch gegen
die Verfügung ein. Er wirft dem Amt voreiliges Handeln vor: „Sie waren nie
hier, um die Katzen unter Volllast zu beobachten.“ Er habe versucht, die
beiden Katzen mit zwei weiteren zu entlasten. Sie litten anscheinend
darunter, dass sie zu oft gestört wurden. Eventuell wird es demnächst einen
„Katzentempel“ in Stuttgart geben, wenn sich dafür ein „Franchise-Nehmer…
wie in Hannover, Köln und Leipzig findet.
Die Reklame für das „Katzencafé“ in Bremen ist „ein wenig irreführend�…
die Betreiber zugeben, „denn Katzen kommen uns eher selten besuchen“ –
dafür aber Otto Waalkes und Ex-Bürgermeister Henning Scherf, beide können
auch schnurren.
In Berlin gibt es drei Katzencafés, daneben noch ein Hunde-Café. Man kann
dort seinen Hund mitbringen, absurderweise ist es jedoch, ebenso wie auch
fast alle Katzencafés, ein „vegetarisch/veganes Restaurant“, was den
Vorteil hat, dass mitgebrachte Raubtiere nichts vom Essen der Gäste abhaben
wollen.
## Ködel wie Trüffel suchen
In Katzencafés darf man keine eigenen Katzen mitbringen, außer vielleicht
in Cafés, die Katzenkaffee (Kopi Luwak) anbieten. Das ist der „teuerste
Kaffee der Welt“ und entsteht dadurch, dass eine auf Bali lebende
Katzenart, Fleckenmusangs, die wie Pelztiere in Käfigen gehalten werden,
Kaffeebohnen fressen müssen. Wenn sie diese ausscheißen, haben die Bohnen
ein „einzigartiges Aroma“, das alle reichen Distinktionsfittis für
großartig halten, weil sich kein „Penner“ davon eine Tasse leisten kann.
Die Werbung behauptet, dass die Fleckenmusangs frei leben, an
Kaffeesträuchern naschen und dann kacken, wohin sie wollen. Die Sammler
müssten die Ködel wie Trüffel suchen. Das stimmt nicht: Der Journalist
Edward Posnett berichtet darüber in seinem Buch „Die Kunst der Ernte“
(2020), in dem er überall auf der Welt nach Pflanzen und Tieren sucht, von
denen Menschen etwas bekommen wollen, ohne sie „auszubeuten“. Das gibt es
aber nicht, Leben heißt Töten – da hilft auch kein Veganismus. Die einzigen
nicht-parasitär lebenden Säugetiere sind Fructarier: Wickelbären und
Flughunde.
In den Katzencafés müssen die Katzen höchstens den ständigen Kaffeegeruch
ertragen. Im Berliner Katzencafé „Barista Cats“ noch nicht einmal das, denn
es gibt einen „grünen Außenbereich“. Das Katzencafé „Pee Pee“ in Neu…
verlangt eine „Katzenstreichelgebühr“ in Höhe von fünf Euro von allen, d…
nichts bestellen wollen. Dort leben zwei Katzen: die „Not-Kater ‚Pelle und
Caruso‘“. „Not-Kater“ heißt entweder, dass sie kastriert sind, also in
Sexualnot geraten sind und/oder aus einer Notlage gerettet wurden.
## Katzenhöhlen und Hausordnung
Das Katzencafé „Zur Mieze“ in Berlin-Charlottenburg hat laut Eigenwerbung
eine „angenehme Wohnzimmeratmosphäre mit entspannter Klaviermusik“ und
nennt sich deswegen auch „Entspannungscafé mit 5 Katzen“. Das ist nicht zu
viel versprochen, denn es herrscht wirklich eine angenehm ruhige Atmosphäre
im Raum. Selbst zwei kreischende Teenager kreischen ganz leise und gehen
dann zum Streicheln einer Katze über.
Die Gemütlichkeit kommt eindeutig von den dösenden, aus dem Schaufenster
guckenden oder sich in eine der vielen Katzenhöhlen verkriechenden Katzen.
Sie kommen über den Hilfsverein „Hand in Hand for Cats“ aus der Ukraine.
Die Cafébesitzerin ist Biologin und Klavierspielerin und an der Wand hängt
eine „Hausordnung“: „Katzen nicht bedrängen / Gucken, ob sie wirklich
spielen wollen / Nicht von ihren Plätzen vertreiben (einen anderen Sessel
einnehmen) / Nicht beim Schlafen stören / Nicht füttern / Nicht hoch
nehmen“.
Die ukrainischen Cafékatzen heißen: „Gretta, geb. 2014, vom Baum gerettet;
Caroline, geb. 2016, klein, mager, aggressiv; Ali, geb. 2015, vom Baum
gerettet, humpelte; Juwels, geb. 2016, die jüngste und kleinste; Kenzo,
geb. 2014“. Allein ihr Anblick erfreut. Man sagt ja auch: Kinder oder
Katzen retten jede Party. Auch ohne die Existenz von Katzencafés.
29 Jan 2024
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Katzen
Tiere
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Tiger
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