# taz.de -- Axel-Springer-Verlag in den USA: Verwicklung in US-Politik | |
> Der amerikanische Milliardär Bill Ackman ist auf einem Kreuzzug gegen | |
> Unis und Medien. Der Axel-Springer-Verlag steht ihm bei. | |
Bild: Bill Ackman 2015 in New York | |
Die Designerin und ehemalige MIT-Professorin Neri Oxman, eine | |
[1][Berühmtheit] in der Design-Szene, hat in ihrer Dissertation weitgehend | |
plagiiert. Das erfuhr ihr Ehemann und milliardenschwerer Hedgefonds-Manager | |
Bill Ackman Anfang Januar vom amerikanischen Nachrichtenportal Business | |
Insider (BI) (nicht zu verwechseln mit dem deutschen Ableger). BI hatte | |
recherchiert, dass Oxman 2009 mehr als 15 Stellen in ihrer Dissertation von | |
Wikipedia abgeschrieben haben soll. | |
Der Fall betrifft auch Deutschland: Der Axel-Springer-Verlag ist seit 2015 | |
Besitzer von Business Insider – und will nun in den Konflikt eingreifen. | |
Die Plagiatsvorwürfe gegen Oxman sind interessant, weil Oxmans Ehemann | |
Ackman erst im Dezember federführend bei der Kampagne gegen die Präsidentin | |
von Harvard, Claudine Gay, war, [2][die aufgrund von Plagiatsvorwürfen | |
mittlerweile zurückgetreten ist]. Hintergrund ist das Kreuzverhör, in das | |
die weit rechts stehende Kongressabgeordnete Elise Stefanik die | |
Harvard-Präsidentin Gay und die Präsidentinnen zwei weiterer Elite-Unis | |
nahm, als sie sich vor dem US-Kongress zu Vorwürfen äußern sollten, die | |
Universitäten tolerierten Antisemitismus. Ein kurzer, aus dem Kontext | |
gerissener Ausschnitt der Anhörung sorgte für Empörung. Auch bei Ackman. | |
Der Harvard-Absolvent begab sich in eine regelrechte Kampagne gegen Gay. | |
Über 100 Mal postete er bei der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter), | |
wo Ackman über eine Millionen Follower hat, zum Teil mehrere tausend Wörter | |
lange Threads, in denen er Gay Antisemitismus vorwarf und die Anschuldigung | |
erhob, die Schwarze Präsidentin sei nur dank „Rassismus gegen Weiße“ in i… | |
Amt gelangt. Zuletzt verbreitete er die Vorwürfe, Gay habe in ihrer | |
akademischen Karriere öfter nicht korrekt zitiert, die von rechten | |
Aktivisten recherchiert worden waren. | |
Dass BI nun Plagiate von Oxman aufdeckten, veranlasste Ackman nun zu | |
öffentlichen Angriffe auf BI und deren Journalist*innen. Er forderte unter | |
anderem die Löschung der veröffentlichten Artikel und einen Schadensersatz | |
an die Kunststiftung seiner Frau, da Ackman seine Familie als Opfer einer | |
Kampagne sieht. [3][X-Besitzer Elon Musk] riet Ackman öffentlich zu einer | |
Klage. | |
## Ackman droht den Medien | |
Für die fehlenden Quellenangaben hat sich Oxman zwar mittlerweile | |
entschuldigt. Doch Ackman wittert in der Berichterstattung Antisemitismus, | |
da seine Frau Israelin ist. Er bezeichnet den Leiter des Investigativ-Teams | |
von BI, John Cook, als einen „bekannten Antizionisten“. | |
Nun droht er der ganzen Medienbranche: Ackman verkündete auf X, dass er | |
„Probleme mit der Funktionsweise unserer Medien“ angehen werde. Er schießt | |
dabei direkt gegen einige Journalist*innen, so zum Beispiel gegen Katharina | |
Long, die die Artikel über Oxman veröffentlichte, aber auch gegen Mathias | |
Döpfner, den Chef von Springer, den er als „verantwortlich für den | |
illegalen und unethischen Journalismus“ sieht. | |
Die Drohungen haben beim deutschen Mutterhaus von BI gezogen. Springer | |
kündigte eine Untersuchung an. Bei der solle es nicht um die Fakten, also | |
den Plagiatsvorwurf im Artikel gehen, vielmehr seien „Fragen darüber | |
aufgekommen, welche Motivation dem Bericht vorangingen“. BI werde dabei | |
selbst die Überprüfung übernehmen. | |
Die amerikanische Medienplattform [4][Semafor berichtete vergangenen | |
Montag], dass es in der deutschen Springer-Führung eine Debatte über die | |
Zulässigkeit der Berichterstattung über Oxman gegeben habe und die Sorge | |
zum Ausdruck kam, die Recherche könne antisemitisch motiviert gewesen sein. | |
Das wird in den USA weithin als unangemessener und ideologisch motivierter | |
Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit gewertet. Die Gewerkschaft | |
„News Guild of New York“ etwa zeigte sich enttäuscht darüber, dass der | |
Springer-Verlag die Glaubwürdigkeit seiner eigenen Journalist*innen | |
infrage stelle. | |
Springer und Oxman kennen sich auch fernab dieser medialen Kontroverse: | |
Neri Oxman ist Mitglieder bei [5][„World Minds“], einem in der Schweiz | |
beheimatetem Thinktank, der wichtige Persönlichkeiten der Wissenschaft und | |
Politik vernetzen will. Der Springer-Konzern ist seit 2022 an „World Minds“ | |
beteiligt. | |
Springer hat eine Anfrage der taz zu den Motivationen für die angekündigte | |
Untersuchung nicht beantwortet. | |
## Springer fällt den eigenen Journalist*innen in den Rücken | |
Innerhalb von BI führte der öffentliche Druck von Ackman und Oxman auf der | |
einen Seite und von Springer auf der anderen Seite zu Besorgnis in der | |
Redaktion. Laut Semafor habe sich Chefredakteur Nicholas Carlson am letzten | |
Wochenende an seine Mitarbeiter*innen gewandt. Er wisse, dass BI | |
„einwandfrei“ berichtet habe und die Motivation der Redaktion stets | |
„Wahrheit und Verantwortlichkeit“ sei. Dennoch werde bei BI eine Prüfung | |
der Berichterstattung durchgeführt. | |
Laut einem [6][Bericht der Financial Times am Sonntag] ist BI in der | |
internen Untersuchung zum Schluss gekommen, die Berichterstattung sei fair | |
gewesen und habe journalistische Standards eingehalten. BI antwortete bis | |
zum Ablauf der gesetzten Frist nicht auf eine Anfrage der taz. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass Springer in den USA in der Kritik steht. | |
Der Verlag hat in den vergangenen Jahren mehrere amerikanische Medien | |
übernommen. Schon jetzt ist er mit seinen Anteilen an Politico und Business | |
Insider der viertgrößte Verlag der USA. | |
Damit hat Springer kritische Aufmerksamkeit amerikanischer | |
Journalist*innen auf sich gezogen, die herausfinden wollten, was für | |
ein Unternehmen sich hier in ihrem Markt breit macht. | |
## „Journalismus mit rechter Politik vermischt“ | |
Sie fanden Unerfreuliches: Das Magazin Foreign Policy kritisierte, dass | |
Springer „Journalismus mit rechter Politik vermischt“. 2020 veröffentlichte | |
die Washington Post eine Recherche, die darlegte, dass Vorstandschef | |
Mathias Döpfner dazu aufgerufen habe, für Trump zu beten. Auch die | |
[7][Causa Reichelt] um den ehemaligen Chefredakteur der Bild-Zeitung fußt | |
auf einer amerikanischen Recherche: Nur Tage, bevor Springer 2021 das | |
Nachrichten-Portal Politico übernahm, veröffentlichten die New York Times | |
Berichte, die Bild-Chef Julian Reichelts Machtmissbrauch offenbarten. | |
[8][Reichelt wurde darauf entlassen.] Berichte in deutschen Medien waren | |
davor wirkungslos geblieben, oder [9][von Springer-Verbündeten ausgebremst | |
worden]. | |
Ackman ist offensichtlich der Meinung, er könne direkt auf Medien Einfluss | |
nehmen: „Ich ging davon aus, dass ich BI oder AS mit einem, oder zwei | |
Anrufen davon überzeugen könnte, die Berichte auszusetzen“ schrieb er am | |
Donnerstag bei X. Wie es weiter geht? Spätestens auf Ackmans X-Seite wird | |
man es erfahren. | |
15 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.elle.com/culture/a28646115/neri-oxman-interview/ | |
[2] /Rechte-Kampagne-in-den-USA/!5979906 | |
[3] /Elon-Musks-Drogenkonsum/!5982197 | |
[4] https://www.semafor.com/article/01/07/2024/business-insiders-owners-clash-o… | |
[5] https://www.worldminds.org/team/ | |
[6] https://www.ft.com/content/9bc0cfac-d59d-414f-aaf8-743f6d7b7c7a | |
[7] /Causa-Reichelt/!5955756 | |
[8] /Nach-Bericht-der-Financial-Times/!5833915 | |
[9] /Dirk-Ippen-und-der-Springer-Verlag/!5807209 | |
## AUTOREN | |
Ann-Kathrin Leclere | |
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