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# taz.de -- Filmempfehlungen für Berlin: Montage und Sitte
> Frederick Wiseman dreht Dokus ohne Kommentar, jüngst in einem
> Drei-Sterne-Restaurant. Ellen Richter spielte 1928 einen gestrandeten
> Revuestar.
Bild: Drei Mal Michelin und ein ordentlicher Vorrat an Käse: La Maison Troisgr…
Die Dokumentarfilme des amerikanischen Regisseurs Frederick Wiseman
zeichnen sich durch ihre erhebliche Länge aus, des Weiteren besitzen sie
keinen Kommentar, es gibt darin keine Interviews und keine über das
Gezeigte hinausgehenden Infos. Wiseman führt vor den Dreharbeiten auch
keinerlei Recherchen durch; ihre Form erhalten die Filme schließlich in
einem extrem aufwändigen Montageprozess.
Im besten Fall erfährt man auf diese Weise viel über die Funktionsweise von
Institutionen und Betrieben. So auch in seinem bislang jüngsten Werk „Menus
Plaisirs – Les Troisgros“, in dem der mittlerweile 93-jährige Regisseur das
von der gleichnamigen Familie geführte französische Restaurant „Troisgros“
porträtiert, das seit mehreren Jahrzehnten mit drei Michelin-Sternen
ausgezeichnet ist.
Die Länge des Films von vier Stunden macht dabei hinlänglich erfahrbar,
welcher Aufwand an Überlegung, Zeit, Personal und Können bei dieser Art der
Spitzen-Gastronomie vonnöten ist, wo ein Menü preislich im Bereich zwischen
370 und 550 Euro angesiedelt ist, eine Flasche Wein aber auch schon mal
10.000 Euro kosten kann. 20.000 Euro empfindet allerdings auch der Chef als
ein wenig zu viel. Die Menüpläne gleichen einem Schlachtplan, es geht dabei
um Kundenwünsche, das Ausprobieren neuer Gerichte, nachhaltige Produktion
der Lebensmittel aus der Region und überhaupt um jedes kleine Detail. Und
natürlich um viele scharfe Messer (7. 1., 18 Uhr, Arsenal 1).
Die österreichische Schauspielerin Ellen Richter gehörte in den 1910er und
1920er Jahren zu den populärsten Stars des deutschen Abenteuer- und
Unterhaltungsfilms. Die meisten ihrer Filme inszenierte ihr Ehemann Willi
Wolff; eine der bekanntesten Produktionen des Ehepaares ist der zweiteilige
Abenteuerfilm „Der Flug um den Erdball“ (1925), der auch heute noch
gelegentlich in Berlin im Kino zu sehen ist. Richters Karriere kam jedoch
abrupt zum Erliegen, als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die
Macht kamen und die aus einer jüdischen Familie stammende Schauspielerin
und Filmproduzentin mit einem Berufsverbot belegten. Richter emigrierte
über mehrere Stationen schließlich in die USA, kehrte aber ins
Nachkriegsdeutschland zurück, wo sie 1969 verstarb.
In der Reihe „Jüdisches Filmerbe“ zeigt das [1][Filmmuseum Potsdam] den
1928 entstandenen Stummfilm „Moral“ – mit Richter als gestrandetem
Revuestar in einer konservativen Kleinstadt, deren Sittlichkeitsverein erst
mal gegen ihren Auftritt protestiert. Zuvor hält der Kurator Oliver Hanley
einen Vortrag über das Wirken der Schauspielerin sowie über die
Restaurierung des Films. Die Filmvorführung wird musikalisch von Richard
Siedhoff begleitet (10. Januar, Vortrag: 17 Uhr, Film: 18 Uhr, Filmmuseum
Potsdam).
Die „Best of Sweden“-Reihe im Kino [2][Babylon Mitte] ist einerseits eine
Retrospektive mit Filmen von Ruben Östlund (unter anderem Cannes-Gewinner
mit seiner Satire „Triangle of Sadness“; er ist am 4. Januar sowohl zur
Eröffnung mit besagtem Film vor Ort als auch zuvor zu einer
Podiumsdiskussion), andererseits aber auch eine Schau der wirklich
reichhaltigen Filmkultur des skandinavischen Landes – die Spannbreite
reicht dabei vom ebenso unvermeidlichen wie unverzichtbaren Ingmar Bergman
bis zu Pippi Langstrumpf und allem, was mit Filmen von Mauritz Stiller,
Vilgot Sjöman, Bo Widerberg, Lasse Hallström und Roy Andersson über die
Jahrzehnte aus dem Hohen Norden zu uns kam (Best of Sweden, 4. 1.-31. 1.,
Babylon Mitte).
4 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.filmmuseum-potsdam.de/?id=3a2c98e697f515755836001d5948df21&…
[2] https://babylonberlin.eu/
## AUTOREN
Lars Penning
## TAGS
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