# taz.de -- DWA-Vizepräsident über Hochwasser: „Ein ‚weiter so‘ kann ke… | |
> Raus aus dem Risikogebiet, rät Wasserwirtschaftler Uwe Müller. Neben dem | |
> Deichbau mache auch der Klimawandel ganz andere Maßnahmen notwendig. | |
Bild: Hochwasser in Dresden, für das Fahrrad geht erst mal nichts mehr | |
taz: Herr Müller, wie geht Hochwasserschutz richtig? | |
Uwe Müller: Besser wäre „Hochwasser-Risikomanagement“. Hochwasser lässt | |
sich nicht verhindern. Aber das Risiko lässt sich managen. Die einfachste | |
Lösung ist, gar nicht erst ins Überschwemmungsgebiet bauen. Oder, das ist | |
auch schon vorgekommen: wegsiedeln. | |
Und wer nicht wegzieht, dem läuft die Tiefgarage voll? | |
Natürlich nicht, aber wir bauen trotzdem zu viel in | |
Überschwemmungsgebieten. Die Eigenheimsiedlung Röderau-Süd im Landkreis | |
Meißen stand beim Elbe-Hochwasser 2002 bis zur Dachrinne unter Wasser. Das | |
war einer von knapp 50 Fällen, wo die Anwohner in ein neues Leben ziehen | |
mussten. Da ist jetzt grüne Wiese, dank staatlicher Aufbauhilfen und vieler | |
Spenden. | |
Wie ist die aktuelle Lage in Sachsen? | |
Das jetzige Ereignis ist nicht vergleichbar mit den Hochwassern von 2002, | |
2010, 2013 oder 2021. Es ist eher ein typisches Weihnachtshochwasser: Der | |
Schnee im Mittelgebirge saugt sich bei Regen voll wie ein Schwamm. Jetzt um | |
diese Zeit wird es oft etwas wärmer, da taut der Schnee mit einem Schlag. | |
Dazu kommt Regen, dann geht hier alles unwahrscheinlich schnell. | |
Trotzdem hört man aus Ihrem Bundesland Sachsen wenig. | |
Wir haben in Sachsen aus 2002 gelernt – zum Beispiel informieren wir direkt | |
bis zur Kommune. Die muss uns dann quittieren, dass sie die Information | |
erhalten hat. Wir machen Risikobewertungen, Hochwasser-Gefahrenkarten. Wo | |
es mehrere Bundesländer betrifft, da greift das nationale | |
Hochwasserschutzprogramm. Bei der Einheitlichkeit gibt es noch | |
Verbesserungsbedarf. Manche Bundesländer haben drei Alarmstufen, andere | |
haben vier. Das ist schwer vermittelbar. | |
Sandsäcke, Flutpolder und Deiche allein reichen also nicht? | |
Wenn Sie einen Deich bauen, dann wiegen sich die Leute dahinter in | |
Sicherheit. Stellen Sie sich vor: Die Deiche sind für einen Wasserstand | |
gebaut, der alle 100 Jahre vorkommt. Jetzt kommt ein Ereignis wie dieses – | |
und dann ändert sich der statistische Wert, nachdem die Deiche genormt | |
sind. | |
Sind unsere Deiche zu niedrig für den Klimawandel? | |
Den Deichen kann man nicht die Schuld in die Schuhe schieben. Obwohl in | |
Sachsen fast ein Drittel der Anlagen älter als 100 Jahre ist, ist der | |
Zustand top. Aber wenn der Wasserpegel zu hoch steigt, wird der Deich | |
überströmt. Es gibt zwei Strategien. Die eine ist ein Klimazuschlag: Man | |
baut ein bisschen höher. Die zweite Strategie ist, mit dem Klima im Blick | |
so zu bauen, dass man die Deiche auch später noch erhöhen kann. Die dritte | |
Möglichkeit, einfach „weiter so“, kann keiner wollen. | |
Das Umweltbundesamt fordert „mehr Raum den Flüssen“. Wäre die vierte | |
Möglichkeit, neue Deiche zu bauen? | |
Erstmal ist die Forderung richtig. Die Deichrückverlegung funktioniert, | |
geht aber wegen Bebauung nicht überall. Bei den Wassermassen, die im | |
Hochwasserfall fließen, wird sich der Wasserstand durch mehr Platz oft | |
nicht maßgeblich ändern. | |
Ach so? | |
An einer Stelle weiten Sie aus, aber durch die Bebauung in Ortslage wird | |
der Fluss an anderer Stelle zwangsweise schmaler. Es klingt paradox, aber | |
dann sinkt der Wasserstand dort, weil das Wasser schneller fließt. Ein | |
abschnittsweise breiterer Fluss heißt analog, dass der Wasserstand steigt. | |
Pauschale Lösungen können so schnell mal nach hinten losgehen. | |
Wir haben also kein Wissensdefizit. Wir müssen einfach umsetzen. Aber das | |
ist auch eine Kommunikationsaufgabe: Wasserwirtschaftsverwaltung, | |
Straßenbauverwaltung. Da müssen viele mit anpacken. Aber das dauert seine | |
Zeit. | |
3 Jan 2024 | |
## AUTOREN | |
Raoul Spada | |
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