# taz.de -- Aktuelle Lage im Westjordanland: Proteste und Generalstreik | |
> Nach dem Tod von Hamas-Führer Saleh al-Aruri demonstrieren Hunderte | |
> Palästinenser. Wegen eines Generalstreiks bleiben Schulen | |
> geschlossen. | |
Bild: Palästinenser nehmen an einem Protest gegen die Ermordung des hochrangig… | |
RAMALLAH taz | Auf dem Al-Manara-Platz im Zentrum von Ramallah ist der | |
Unmut groß. Am Dienstagabend haben sich hier Hunderte | |
Palästinenser*innen zu Protesten versammelt. Ein junger Mann ruft in | |
ein Mikrofon: „Freiheit“, „Gott ist groß“, aber auch Rufe nach Vergelt… | |
gegen Tel Aviv sind zu hören. Vor ihm stehen Dutzende Männer, ihre Kapuzen | |
sind hochgezogen, einige schwenken die [1][grüne Hamas-Flagge]. Anlass der | |
Proteste ist die Tötung von Saleh al-Aruri in Beirut. Er war Vizeleiter des | |
Politbüros der Hamas. Al-Aruri ist in der Nähe von Ramallah geboren und hat | |
die militärischen Strukturen der Hamas im Westjordanland mitaufgebaut. | |
Am Protest nehmen Männer und Frauen unterschiedlichen Alters teil, | |
traditionell gekleidete Frauen mit Kopftuch sowie Teenager auf Fahrrädern. | |
„Ich bin hier, weil Israel Saleh Aruri, Führer des palästinensischen | |
Widerstandes, getötet hat“, sagt etwa eine 48-jährige Demonstrantin aus | |
Ramallah, ohne Schleier und im Regenmantel, die Suhara genannt werden will. | |
„Wir wollen von der israelischen Besatzung befreit werden, wollen so leben | |
wie jeder andere Mensch auch und [2][den Genozid in Gaza] stoppen.“ | |
Ein 28-jähriger Demonstrant erklärt am Rande des Protestzuges: „Wir sind | |
alle aufgebracht. Wir sind hierhergekommen, um der Welt zu zeigen, dass wir | |
zu den Menschen in Gaza stehen, dass wir ein einziges Volk sind.“ Er habe | |
in den sozialen Netzwerken vom Protest erfahren und sei sofort | |
herbeigeeilt. Die Demonstration in den leeren Straßen von Ramallah bleibt | |
friedlich. In einem Flüchtlingslager nahe Hebron meldet die Fatah-nahe | |
Nachrichtenagentur Wafa hingegen, israelische Streitkräfte hätten einen | |
Protest gegen die israelischen Angriffe mit Tränengas aufgelöst. Eine | |
entsprechende Anfrage an das israelische Militär blieb unbeantwortet. | |
Wegen der Tötung al-Aruris ist am Mittwoch im gesamten Westjordanland ein | |
Generalstreik ausgerufen worden. Schulen, Universitäten, Banken, | |
Restaurants und Regierungsbüros blieben geschlossen. Im Zentrum von | |
Ramallah sind gegen Mittag nur einige Dutzend Demonstrant*innen im | |
Nieselregen unterwegs, die Rollläden vor den Schaufenstern der Geschäfte | |
überall zugezogen. Verschiedene Parteien haben zum Protest aufgerufen. | |
44 Prozent unterstützen Hamas | |
Issam Bakr, politischer Koordinator der Parteien im Bezirk Ramallah und | |
Mitveranstalter der Demonstration, sagt zu den jüngsten Ereignissen: „Wir | |
verurteilen diese Tötung, es ist ein Kriegsverbrechen und überschreitet | |
alle roten Linien. Und persönlich denke ich, dass sie niemals den Kampf der | |
Palästinenser*innen für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung beenden | |
wird.“ Das Westjordanland sei bereits davor unruhig gewesen, der Tod | |
al-Aruris könnte die Lage zusätzlich destabilisieren, so Bakr. | |
Ähnlich sieht es Ibrahim Dalalsha, Direktor des palästinensischen | |
Thinktanks „Horizon Center“: „Die Sicherheitslage im Westjordanland wird | |
wahrscheinlich auf zwei verschiedenen Ebenen davon beeinflusst.“ Zum einen | |
könnte es für die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland | |
schwieriger werden, die Kontrolle zu behalten. | |
Nach jüngsten Umfragen [3][unterstützen inzwischen] 44 Prozent der Menschen | |
im Westjordanland die Hamas, vor drei Monaten waren es 12 Prozent. „Gestern | |
Abend haben wir Hunderte Menschen gesehen, die mit Hamas-Flaggen marschiert | |
sind, trotz des PA-Verbots, Hamas-Flaggen zu hissen“, sagt Dalalsha. Zum | |
anderen könnte die Tötung al-Aruris Angriffe auf israelische | |
Soldat*innen und Siedler*innen befeuern. | |
3 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Serena Bilanceri | |
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