# taz.de -- Probleme bei der Energiewende: Schatten über Solardach-Pflicht | |
> Hamburg zieht bei der Solarpflicht auf Dächern an. Doch es gibt Kritik an | |
> der Verordnung: Immobilienunternehmen ermögliche sie massenhaft | |
> Ausnahmen. | |
Bild: Will sich die Wohnungswirtschaft nicht vorschreiben lassen: Dachsolaranla… | |
Hamburg taz | Aufs Dach steigen lässt sich niemand gern, findet Andreas | |
Breitner, Direktor des [1][Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen] | |
(VNW). Das gelte natürlich auch für die Hamburger Wohnungswirtschaft. Und | |
so warnt er nun vor einer „Dachenteignung“, würden Immobilienunternehmen | |
dazu verpflichtet, die eigenen Hausdächer von anderen Unternehmen mit | |
Solaranlagen bestücken und betreiben zu lassen. | |
Breitner reagierte damit auf die Kritik von Umweltverbänden und | |
Öko-Energie-Versorgern an der [2][Hamburger Solaranlagenpflicht] auf | |
Dächern. Sie befürchten, berichtete zuerst das Hamburger Abendblatt, dass | |
sich größere Hamburger Immobilienunternehmen in Zukunft leichter um die | |
Pflicht herummogeln könnten, weil die entsprechende Verordnung der | |
Umweltbehörde Lücken habe. Der VNW streitet derartige Vorwürfe als | |
„unseriös“ ab. | |
Die Solarpflicht auf Hausdächern ist ein zentraler Bestandteil des | |
[3][Hamburger Klimaschutzgesetzes]. Bereits seit vergangenem Jahr müssen | |
Dächer von Neubauten mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden, seit | |
2024 gilt das auch für Dacherneuerungen bei bestehenden Häusern. | |
Kurz vor Weihnachten hatte der Senat einen Entwurf zur Rechtsverordnung | |
präsentiert, mit der dieses Vorhaben im Detail geregelt werden soll. | |
Seitdem hat der Streit um Hamburgs Dächer Fahrt aufgenommen – vor allem in | |
der Frage, wer von der Solarpflicht befreit wird. | |
## Mehrkosten für die Mieter*innen | |
Weil sie ihren Gewinn aus der Verwaltung ihres eigenen Grundbesitzes | |
erzielen, sind Immobiliengesellschaften in der Regel von der Gewerbesteuer | |
befreit. Diese Vergünstigung gilt aber nur, solange die Unternehmen keine | |
Fremdumsätze erzielen – mit dem Betrieb einer „hauseigenen“ | |
Photovoltaik-Anlage würde aber genau das passieren. | |
Das macht den Bau von Solaranlagen für Immobilienunternehmen unattraktiv. | |
Die anfallenden Mehrkosten müssten die Mieter*innen tragen, | |
[4][kritisiert der VNW]. „Niemand kann wollen, dass sich auf Grund | |
zusätzlicher Kosten für eine unwirtschaftliche Solaranlage Menschen mit | |
geringen Einkommen ihre Wohnung nicht mehr leisten können“, so Andreas | |
Breitner. Dementsprechend können Wohnungsunternehmen nur schwer dazu bewegt | |
werden, selbst Photovoltaik-Anlagen zu betreiben. | |
Um die Solarpflicht dennoch erfüllen zu können, sah die bisherige Regelung | |
vor, dass die Umsetzung der Photovoltaik-Pflicht auch durch Dritte | |
sichergestellt werden kann. Das heißt: Die Wohnungsunternehmen konnten | |
andere Firmen beauftragen, auf den Dächern ihrer Gebäude die Anlagen zu | |
installieren. | |
Doch auch das schmeckt vielen Wohnungsgesellschaften offenbar nicht. Ein | |
solcher Verpachtungszwang käme nämlich laut VNW-Direktor Breitner eben | |
einer „Dachenteignung“ und einem unangemessenen Eingriff in das | |
Eigentumsrecht der Vermieter*innen gleich. Umweltverbände wie der BUND | |
betonen hingegen, so könne nicht mehr von einer Photovoltaik-Anlagenpflicht | |
gesprochen werden. | |
Vor allem nicht, seit die zuständige Umweltbehörde der Wohnungswirtschaft | |
noch einmal entgegengekommen ist: Nach der früheren Regelung mussten die | |
Immobilienunternehmen in solchen Fällen nachweisen, dass sie mindestens | |
drei Drittanbieter erfolglos angefragt hatten, um von der Pflicht befreit | |
zu werden. Mit der neuen Rechtsverordnung soll die Prüfpflicht abgeschafft | |
werden, ob Dritte bereit gewesen wären, den Bau und Betrieb von | |
Solaranlagen zu übernehmen. | |
Caroline Ähling vom Energieversorger Green Planet Energy kritisiert, dass | |
sich die Anlagen nun viel leichter unwirtschaftlich rechnen ließen: So soll | |
es laut Verordnungsentwurf künftig möglich sein, etwa die Umstellung der | |
Hauselektronik zu den Kosten der Erfüllung der PV-Pflicht hinzuzurechnen – | |
Kosten also, die für die Vermietungsgesellschaften ohnehin anfallen würden | |
und nicht unmittelbar durch den Bau der Solaranlage verursacht werden. | |
„Konkrete Nachweise sind in der neuen Verordnung schon gar nicht mehr | |
vorgesehen“, sagt Ähling. Breitner hält nun dagegen. „Es ist das Normalste | |
auf der Welt, dass Investitionen auf ihre Nachhaltigkeit und | |
wirtschaftliche Vertretbarkeit geprüft werden. Dazu gehört, dass man alle | |
Kosten – auch wenn sie auf dem Dach oder an der Elektroanlage anfallen – | |
berücksichtigt.“ | |
Die [5][Umweltbehörde] reagiert zurückhaltend auf die Kritik. „Im Rahmen | |
der Auswertung der Stellungnahmen der Verbände werden Anpassungsbedarfe an | |
dem aktuellen Verordnungsentwurf geprüft und gegebenenfalls umgesetzt.“ | |
Weiterhin solle „die Möglichkeit der Übernahme der Umsetzung der PV-Pflicht | |
durch Dritte erhalten bleiben“. Auch müsse zur Befreiung von der | |
Photovoltaik-Pflicht nach wie vor die „Nicht-Wirtschaftlichkeit mit | |
geeigneten Nachweisen plausibel dargestellt werden“. Ziel sei es weiterhin | |
ein „größtmöglichen Ausbau von Photovoltaik-Anlagen“. | |
20 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Verfassungsgericht-stoppt-Volksbegehren/!5978760 | |
[2] /Solarpflicht-auf-oeffentlichen-Daechern/!5971380 | |
[3] /Hamburgs-neues-Klimaschutzgesetz/!5964821 | |
[4] https://www.vnw.de/ | |
[5] https://www.hamburg.de/bukea/ | |
## AUTOREN | |
Jonas Graeber | |
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