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# taz.de -- Die Suche nach Wärme in kalter Zeit: Kaiser, Karl und Kai
> Wie entkommt man dem ganzen Strudel aus schlimmen Nachrichten? Vielleicht
> mit einer guten Dosis Nostalgie, oder einer Liebesgeschichte.
Bild: Nicht nur der FC Bayern München gedenkt dem verstorbenen Ehrenpräsident…
Es soll Leute geben, die auch nach einer Woche Beckenbauer-Trauer nicht
verstehen können, warum [1][so ein Bohei] um einen ehemaligen, noch dazu in
Sachen Korruption nicht ganz hasenreinen Fußballer gemacht wird. Wenn die
Kunstbanausen jung sind, okay. Aber wenn sie fragen, weshalb sogar die
sonst jeder Monarchie abholde taz einem sogenannten Kaiser einen Titel und
zwei Seiten gewidmet hat, obwohl wir heute doch ganz andere, viel
wichtigere Sorgen haben, dann kann ich nur sagen: Ja, eben drum!
Es ist natürlich die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, die es nie
gegeben hat, weder im Fußball noch im unbedeutenden Rest des Lebens, in der
viele gerade wieder schwelgen, um sich von der niederschmetternden
Gegenwart abzulenken, in der man kühler sein muss als die Temperaturen, um
die Lage nicht als bedrohlich zu empfinden.
Wenn Politiker der AfD und ihre rechtsextremen Helfershelfer euphemistisch,
aber ernsthaft über eine rassistische „Remigration“ – also Deportation �…
von Millionen BürgerInnen reden, läuft es allen, die noch irgendetwas
Menschliches fühlen, eiskalt den Rücken runter. Das Unwort des Jahres
scheint damit schon im Januar festzustehen. Doch wer weiß, es kann noch
schlimmer kommen, ein Blick auf die Umfragen genügt.
Logisch, dass nun die Verbotsdebatte Fahrt aufnimmt. Auch wenn ein
Verfahren riskant wäre und der AfD sogar helfen könnte. Ein Dilemma. Fürs
Erste wäre es schon ein demokratieförderlicher Fortschritt, wenn es die
Ampel endlich schaffen würde, kohärente Entscheidungen zu treffen, die
länger als drei Tage gelten, und die eventuell, man wagt es kaum zu hoffen,
wieder mehr Zuversicht und Zufriedenheit verbreiten könnten. Wie groß der
Frust in den eigenen Reihen ist, demonstrierte gerade deprimierend deutlich
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der den ewigen Streit
zwischen den Ampelpartnern erst „demokratiezersetzend“ nannte und direkt
danach selbst neuen Streit anfachte, als er den Kompromiss beim Agrardiesel
lautstark kritisierte. Es klang, wie die Verbotsrufe aus
Regierungsparteien, hilflos und verzweifelt.
Vielleicht könnten ja [2][Globuli] gegen Angstgedanken und die AfD helfen,
wenn man ganz fest daran glaubt. Aber die wissenschaftliche Evidenz spricht
leider eindeutig dagegen, weshalb die Kügelchen künftig nicht mehr [3][von
den Krankenkassen bezahlt werden]. Falls es nach dem Bauernaufstand nicht
noch eine Rebellion der Homöopathiefans gibt und die Ampel wieder
einknickt.
Womöglich hat Karl Lauterbach schon neue Widerstandssymbole
heraufbeschworen, als er darauf hinwies, dass man auch den Klimawandel
nicht mit Wünschelruten bekämpfen könne. Immerhin, der Gesundheitsminister
hat trotz allem seinen Humor noch nicht verloren. Das finde ich, ganz im
Ernst, tröstlich. Denn immer nur klagen und bibbern hilft ja auch nicht.
Dann lieber zwischendurch in der seligen Vergangenheit schwelgen, um ein
bisschen Kraft zu tanken. Mir wurde es, das gebe ich zu, ganz warm ums
Herz, als ich noch einmal sah, wie es Franz Beckenbauer als Höhepunkt
seiner Karriere schaffte, einen Ball sogar von einem Weißbierglas direkt in
die Torwand des ZDF-Sportstudios zu schießen. So viel Glück machte damals
niemanden neidisch. Sogar Bayern-Hasser lachten über seinen Kaiserschmarrn
und seine Chuzpe, als er das Ergebnis eines Seitensprungs bei der
Weihnachtsfeier kommentierte: Der liebe Gott freue sich [4][über jedes
Kind.]
An dieser Haltung scheinen sich jetzt Berlins Bürgermeister Kai Wegner und
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch zu orientieren, die trotz aller
[5][Kritik an ihrer Liaison] weiter Kabinettstisch und Bett teilen. Die
Frage, ob sie schon bei Günther-Wünschs Ernennung zusammen waren, ist zwar
berechtigt, aber die geforderte Transparenz schwer zu erzwingen. Es sei
denn, man möchte einen Untersuchungsausschuss, in dem wie bei Monica
Lewinsky und Bill Clinton nach Oralverkehr und Spermaflecken gefragt wird.
Das muss doch nicht sein. Oder wie Beckenbauer gesagt hätte: Der liebe Gott
freut sich über jedes Liebespaar.
14 Jan 2024
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## AUTOREN
Lukas Wallraff
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
Franz Beckenbauer
Fußball
Kai Wegner
Karl Lauterbach
Schwerpunkt Klimawandel
Kolumne Die Wahrheit
Franz Beckenbauer
Homöopathie
Schwarz-rote Koalition in Berlin
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