# taz.de -- Enthüllungen über AfD-Geheimtreffen: Der Dauerskandal | |
> „Ist doch nichts Neues“, lautet oft die Antwort auf die Recherche zu den | |
> rechtsextremen Abschiebeplänen. Das stimmt. Aufregen sollte man sich | |
> trotzdem. | |
Bild: Diskussion auf dem AfD Landes-Parteitag in Pfiffelbach in Thüringen mit … | |
Nach Enthüllungen über die AfD ist es fast schon ein Ritual: Während die | |
einen die Brisanz neuer Recherchen leugnen und die anderen aufgeregt sind, | |
gibt es immer auch noch eine dritte Gruppe, die erklärt, dass man all das | |
längst schon hätte wissen können. So auch diesmal. Ist ein aufgedecktes | |
Treffen von AfD und Rechtsextremen und deren Androhung massenhafter | |
Vertreibungen also womöglich eine so große Aufregung gar nicht wert? | |
Am Mittwoch machte eine Recherche von [1][Correctiv Schlagzeilen. Mit | |
versteckten Kameras hatten die Journalist*innen Ende November ein | |
Treffen von AfD-Politiker*innen und Rechtsextremist*innen in einem | |
Hotel in Potsdam dokumentiert], Zeug*innen befragt und Dokumente | |
ausgewertet. | |
Bei dem Treffen diskutierten sie darüber, massenweise deutsche | |
Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund auszubürgern und | |
abzuschieben. Martin Sellner, langjähriger Kopf der rechtsextremen | |
Identitären Bewegung, stellte einen entsprechenden Plan vor. Die Anwesenden | |
sollen seine Ausführungen begrüßt haben und debattierten gar, wie die | |
Strategie in die Tat umzusetzen sei, sollte die AfD in | |
Regierungsverantwortung gelangen. Mit dabei: CDU-Politiker*innen sowie | |
AfD-Landespolitiker*innen und eine AfD-Bundestagsabgeordnete. Sowie Roland | |
Hartwig, der persönliche Referent von Alice Weidel. Er soll zugesagt haben, | |
die besprochenen Pläne in die Partei zu tragen. | |
## Die besagte dritte Gruppe | |
Und während bei Linken die Social-Media-Timelines explodierten, die Rechten | |
dementierten und relativierten und Unternehmen wie die Restaurantkette Hans | |
im Glück erste Konsequenzen zogen, meldete sich auch die besagte dritte | |
Gruppe. | |
David Begrich, bei Miteinander e. V. in Magdeburg einer der wichtigsten | |
Experten für die extreme Rechte besonders in Ostdeutschland, schrieb: | |
„Geheimplan? Lest die Bücher, die Konzepte, die Reden aus dem | |
rechtsintellektuellen Umfeld der AfD! Liegt alles offen zutage!“ Zur AfD | |
wie zu vielen anderen rechten Phänomenen waren es in der Tat | |
zivilgesellschaftliche Akteure wie Begrich, die die frühesten und | |
informiertesten Warnungen aussprachen. | |
Axel Steier, Mitbegründer von Mission Lifeline, postete das Bild eines | |
Spiegel-Titels vom letzten November, auf dem Olaf Scholz zitiert wird („Wir | |
müssen endlich im großen Stil abschieben“), versehen mit der Frage: „Wo i… | |
jetzt der Unterschied zwischen dem und den Leuten beim Nazi-Meeting?“ | |
## Nicht das erste Mal | |
Der Rechtsextremist Martin Sellner selbst hingegen nahm am Tag der | |
Veröffentlichung die Gelegenheit wahr, zu seinen Fans zu predigen. Auch er | |
erklärte – in ganz anderer Absicht als Begrich und Steier –, dass an der | |
Idee der „Remigration“, wie die Rechten die massenhaften Vertreibungen | |
nennen, nichts neu und diese auch nicht von Äußerungen bürgerlicher | |
Parteien entfernt sei. Die AfD postete einen Link zur Bild: „Warum bekam | |
dieser Oma-Abzocker einen deutschen Pass?“ Das sollte wohl als Beleg dafür | |
dienen, dass die Idee der Ausbürgerung normal und verbreitet sei. | |
Tatsächlich ist der Ruf nach einer sogenannten Remigration nicht das | |
erste Mal laut geworden. Mehrfach sprachen AfD-Abgeordnete im Bundestag | |
davon. Björn Höcke, der Landesvorsitzende der AfD in Thüringen, forderte | |
sie bereits 2018 in seinem Buch. | |
Alles bekannt also. Heißt das, dass wir gelassen bleiben können? Nein, das | |
Gegenteil ist der Fall. Der Rechtsextremismus der AfD ist zwar ein | |
permanenter Skandal, aber er ist keiner, an den wir uns gewöhnen dürfen. | |
Auch wenn es erst eine weitere aufsehenerregende Recherche dafür brauchte: | |
Es muss sich der AfD weiterhin und jetzt erst recht entgegengestellt | |
werden. Weiter noch: Die Partei sollte verboten werden. | |
Der Hinweis, dass auch Parteien wie CDU, SPD und die Grünen mehr | |
Abschiebungen fordern, darf davon nicht ablenken. Deren Versuch, sich mit | |
solchen Positionen bei Anhänger*innen des Rechtspopulismus anzubiedern, | |
die Ressentiments der Menschen zu aktivieren und deren Ängste in Richtung | |
der Migrant*innen zu kanalisieren, ist dumm und falsch. Gleichwohl: Die | |
AfD ist noch gefährlicher. | |
## Völkischer Rassismus | |
Es gibt diesen Unterschied. Ein Beleg dafür zeigte sich auch in der | |
Recherche von Correctiv: Die Rechtsextremen wollen massenhaft ausbürgern, | |
auch politische Gegner*innen abschieben, wünschen sich einen ethnisch | |
homogenen Staat. Das ist völkischer Rassismus. Gleichzeitig droht diese | |
Partei in Thüringen, in Sachsen und in Brandenburg stärkste Kraft zu werden | |
und stellt in Pirna schon mal einen Bürgermeister. | |
Während nun Expert*innen und Fachjournalist*innen seit Jahren | |
warnen, gibt es eine bedrückende Diskrepanz zwischen ihrer politischen | |
Analyse und der Realität des gesellschaftlichen Umgangs mit der AfD. Die | |
Rechten arbeiten weiterhin als Polizist*innen, sitzen als Schöffen auf | |
der Richterbank oder besetzen [2][bei der Bundeswehr sogar | |
sicherheitsrelevante Führungspositionen]. Die AfD sei ja nicht | |
verboten, heißt es dann, sie sei, anders als die drei Landesverbände | |
Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen, als Bundespartei ja nicht als | |
„gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Viele Medien laden | |
AfD-Politiker*innen weiterhin als Gesprächspartner*innen ein. | |
All das muss sich ändern. Durch ein Verbot, aber nicht nur. Längst wäre | |
eine konsequent antifaschistische Haltung auch niedrigschwelliger möglich. | |
Das [3][Deutsche Institut für Menschenrechte, das für die Vereinten | |
Nationen die Menschenrechtslage in Deutschland beobachtet, hat im Sommer | |
2023 eine Analyse vorgelegt]: Die Voraussetzungen für ein Verbot der AfD | |
lägen vor. Und die rassistische, national-völkische Ausrichtung, die aus | |
Sicht des Instituts in der Gesamtpartei verankert ist, begründe | |
beispielsweise für Staatsbedienstete eine Entlassung vorbehaltlich einer | |
Einzelfallprüfung, und das bereits heute und auch ohne Verbot. Für | |
Sympathisant*innen, die AfD-Positionen vertreten, seien bereits heute | |
Disziplinarmaßnahmen möglich. | |
Diese Empfehlungen hätten längst ernst genommen werden müssen. Es ist Zeit, | |
sie endlich umzusetzen. Antifaschistische Initiativen und Beratungsprojekte | |
müssen gestärkt und finanziert werden. Regen wir uns auf. Bekämpfen wir die | |
Rechten. Auf allen Ebenen. | |
13 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati… | |
[2] /Bundeswehr-und-die-AfD/!5947568 | |
[3] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/warum-die-… | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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